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Dominik Schwaderlapp: "Rückblickend würde ich vieles anders machen"

Im Exklusivinterview mit der Tagespost betont der Kölner Weihbischof Dominik Schwaderlapp, wie sehr er sein eigenes Fehlverhalten bedauere und erklärt, wie er seine Entscheidungen als vormaliger Generalvikar bewertet. Auch auf die Rolle Kardinal Meisners geht Schwaderlapp ein.
Weihbischof Schwaderlapp
Foto: Horst Galuschka (dpa) | "Ich habe bis heute mit meinem Gesuch gewartet, weil es notwendig war, das schriftliche Ergebnis abzuwarten", so Schwaderlapp.

Herr Weihbischof, Kardinal Woelki hat Sie soeben in der Pressekonferenz zur Veröffentlichung des unabhängigen Gutachtens vorläufig von Ihren Aufgaben entbunden. Darüber hinaus haben Sie sich an Papst Franziskus gewandt und ihm den Amtsverzicht angeboten. Warum?

Weil dieser Schritt jetzt dran war. Ich habe in der letzten Zeit festgestellt, wie wichtig dieser Schritt heute für einen Heilungsprozess ist. Anders kommen wir nicht voran. Ich nehme das Gutachten und sein Ergebnis sehr ernst. Meine eigenen Fehler und Versäumnisse der Vergangenheit tun mir von Herzen leid. Ich kann sie nicht rückgängig machen, so sehr ich es wünschte. Aber ich kann auch nicht einfach um Verzeihung bitten und dann weitermachen, als sei nichts geschehen. Ich muss die Verantwortung dafür übernehmen.

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Persönliche Verantwortung zu übernehmen für die Fehler, die das Gutachten aufzeigt, das bedeutet für mich an erster Stelle, Menschen um Verzeihung zu bitten, die ich mit meinem Ungenügen verletzt habe. Ich tue das an dieser Stelle ausdrücklich. Ich hoffe, möglichst viele Menschen mit meiner Bitte zu erreichen. Dabei will ich mich auch nicht in die Unpersönlichkeit einer Zeitung flüchten. Wer mit mir ein persönliches Gespräch führen möchte, dem stehe ich nach meinen Möglichkeiten zur Verfügung.

Ich habe mich heute an Papst Franziskus gewandt und ihn um ein Urteil gebeten. Als Bischof kann ich nur zurücktreten, wenn der Papst entscheidet, mich von meinem Amt zu entbinden. Das hängt vor allem mit der Sakramentalität des Weiheamtes zusammen. Die Bischofsweihe bleibt ja bestehen, und damit auch die Verantwortung, die damit verbunden ist.

Warum tun Sie das aber erst jetzt?

Ich habe bis heute mit meinem Gesuch gewartet, weil es notwendig war, das schriftliche Ergebnis abzuwarten, wie man es auch bei jedem ordentlichen Gerichtsprozess machen würde. Auf Basis der heute vorliegenden Ergebnisse kann Rom ein Urteil fällen. Auf welcher Grundlage hätte der Papst auch vorher entscheiden sollen? Diese Grundlage ist jetzt da.

Die letzten Monate haben gezeigt, dass es dringend notwendig ist, Konsequenzen zu ziehen. Das gilt also auch für mich persönlich. Ich will damit einen Beitrag zur Versöhnung und zum Frieden in der Kirche von Köln leisten.

Wie ordnen Sie Ihre Entscheidungen als vormaliger Generalvikar ein?

In der Tat, rückblickend würde ich vieles anders machen. Ich wollte auch damals Missbrauch aufklären und absolut nicht vertuschen. Diese Absicht hatte ich zu keinem Zeitpunkt.

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Trotzdem habe ich wirkliche Fehler gemacht habe. Das anzuerkennen, ist mir nicht leichtgefallen, aber es war nötig, und ich bitte alle, denen ich nicht gerecht wurde, aufrichtig um Verzeihung. Gerade durch die Befragung der beiden Kanzleien musste ich mich noch einmal intensiv mit meiner Amtszeit auseinandersetzen. Solange es keine eigene Stabsstelle gab, hätte ich die operative Aufarbeitung viel enger an mich binden müssen. Dazu hätte neben einer Expertenkommission auch die Bildung eines Krisenstabs mit internen und externen Experten gehört. So wäre es nicht nur möglich gewesen, zurückliegende Fälle systematisch zu untersuchen, sondern auch Strategien zur Vermeidung neuer Fälle zu entwickeln. Dazu hätte auch die Einführung eines professionellen Controllings beigetragen, wie es heute in Verwaltungen Standard sein sollte. Das ist allerdings nur eine Dimension.

Tiefer noch beschämt mich, dass ich an so manchen Stellen meinem Anspruch nicht gerecht geworden bin, auch als Generalvikar noch Seelsorger zu sein. Denn hinter den Akten stehen Menschen mit ihren Nöten und Schicksalen. Ich habe zu wenig beachtet, wie vom Missbrauch verletzte Menschen empfinden, was sie brauchen und wie ihnen die Kirche begegnen muss. 

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Auch das bisher unveröffentlichte WSW-Gutachten soll bald zur Einsicht ausliegen. Haben Sie jemals rechtliche Schritte gegen die Kanzlei in Betracht gezogen?

Nein. Zu keinem Zeitpunkt habe ich erwogen oder gedroht, rechtlich gegen eine Veröffentlichung des Gutachtens der Kanzlei Westpfahl/Spilker/Wastl oder das Erzbistum Köln vorzugehen. Das gleiche gilt für die Kanzlei Gercke/Wollschläger.

Wie bewerten Sie rückblickend die Rolle Kardinal Meisners?

Bisher konnte ich das Gutachten nur überfliegen. Ich habe es auch erst heute Mittag bekommen. So wie ich Kardinal Meisner erlebt habe, waren ihm Priester mit Doppelleben ein Gräuel. Auch wenn er natürlich wusste, dass es sexuellen Missbrauch in der Kirche gibt, hat ihn das Schicksal jedes einzelnen Betroffenen bestürzt. Es war sein ehrlicher Wunsch, sexuellen Missbrauch aufzuklären und zu sanktionieren – freilich werden ihm auch Fehler zugeschrieben. Das zu sehen, gehört zu dem ebenso schmerzhaften wie wichtigen Prozess, den die Kirche gerade durchlebt. 

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