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Salz statt Zuckerguss

Der Kongress „Freude am Glauben“ in Fulda scheute klare Worte nicht – Auch eine kleine Herde kann viel bewegen. Von Julia Wächter
Foto: Julia Wächter | Bischof Rudolf Vorderholzer ermutigte Lehrer und Pädagogen, Glaube und Wissenschaft zusammenzudenken.

Fulda (DT) Ob er heute nochmals in die Kirche eintreten würde? – Eine Frage, bei der Buchautor Peter Seewald einige Momente ins Zögern geriet. Gespannte Stille im Publikum, dann verständnisvolles Schmunzeln. Beim 17. Kongress „Freude am Glauben“ des Forums Deutscher Katholiken in Fulda wurde durchaus Salz in offene Wunden gestreut. Seewald gab schließlich ein augenzwinkerndes „Es ist gut, dass ich schon drin bin“ – in der Kirche – zur Antwort. Für Austretende finde er dennoch Verständnis, würde sich vielmehr wünschen, dass die Kirche mehr daransetze, Gläubige an sich zu binden: „Ich sehe nicht den großen Aufschrei.“

Im Zentrum der Diskussionen standen drängende gesellschaftspolitische Fragen, die unter anderem die aktuellen Entscheidungen zur „Ehe für alle“ betrafen, den Schutz des ungeborenen Lebens sowie den Umgang mit Flüchtlingen und verfolgten Christen. Auch der selbstkritische Blick blieb nicht aus. Vor dem Hintergrund eines sinkenden Pegel an Glaubenswissen, den der Fuldaer Bischof Heinz Josef Algermissen konstatierte, muss sich die Kirche zukünftig fragen, wie der Funke der Begeisterung überspringen kann. Für Deutschland gilt: Der Kreis der bekennenden und praktizierenden Katholiken wird kleiner. Für sich gesehen noch kein Grund zur Sorge, so die allgemeine Stimmung beim Kongress, der unter das Wort aus dem Lukasevangelium „Fürchte dich nicht, du kleine Herde!“ gestellt wurde. Wurden Menschen in früheren Generationen vor allem in das Christentum sozialisiert, sei es heute vermehrt notwendig, sie zu initialisieren, meinte Pfarrer Wolfgang Marx. Er berichtete von den Erfolgen des Neokatechumenalen Weges in der Pfarrei St. Philipp Neri in München-Perlach. Hinrich E. Bues, Dozent an der Hochschule Heiligenkreuz, ermutigte zum Bekenntnis im Alltag. Aus der nebensächlichen Bemerkung, man besuche am Sonntag die Messe, könnten sich tiefe Glaubensgespräche ergeben. Hingegen sagte Theologiestudent Rudolf Gehrig, „man hat das Gefühl, dass man sich dauernd für den Glauben rechtfertigen muss“. Gerade auf Glaubensfesten wie dem Weltjugendtag aber könne Kraft geschöpft werden.

Liturgieprofessor Cornelius Roth, ein Neffe des verstorbenen Fuldaer Erzbischofs Johannes Dyba, gab zu bedenken, dass diese Begeisterung in den Alltag mitgenommen werden müsse. Die Kirche sollte hierzu vermehrt Orte schaffen, an denen eine intensive Gotteserfahrung möglich werde. Die Beter sind die Wurzeln der Herde, sagte Ministerpräsident Werner Münch, „die manchmal unsichtbar ist, weil sie im Verborgenen wirkt“. Die verborgene Wurzel aber sei Voraussetzung für die Frucht. Für Auseinandersetzungen, wie sie auch Jesus nicht gescheut hat, brauche es „viel Mut und fundiertes Glaubenswissen“.

Dem Aufruf des Fuldaer Bischofs Algermissen, nicht in „verschämtes Schweigen und Indifferenz“ angesichts des „Kleinerwerdens“ der Herde zu verfallen, folgten die Referentinnen und Referenten des Kongresses, die klare Stellung zu sozial- und bioethischen Fragen bezogen. Psychologin Tabea Freitag zeigte Folgen der frühen Sexualisierung und der Pornografie auf, die schnelle Befriedigung ohne persönlichen Einsatz von Beziehung und Bindung verspricht. Gabriele Kuby wünschte sich im Einsatz für den Lebensschutz mehr Unterstützung durch die Kirche. Die Gesellschaft stelle den autonomen Menschen in den Mittelpunkt – auf Kosten der Kinder. So ist Abtreibung weltweit die häufigste Todesursache, erklärte die Bundesvorsitzende der ALfA e.V. Alexandra Maria Linder. Dennoch ist sie der Überzeugung, durch gesellschaftspolitische Arbeit „etwas bewegen zu können“. Zahlreiche Projekte der jüngsten Vergangenheit geben ihr Recht – „VitaL“ beispielsweise, eine telefonische Anlaufstation für Schwangere in Not. „Man fängt klein an und plötzlich kann man sich vor Anrufen nicht mehr retten“, berichtete Linder: „Nur die Sache ist verloren, die man aufgibt.“

Über „widrige Winde“ dürften sich Christen nicht wundern, sagte Kardinal Paul Josef Cordes, das Leben sei „kein Schlaraffenland“. Jedoch könne an Jesu Leben und Wirken abgelesen werden, wie letztlich Schmerz und Ablehnung in den „Triumph Gottes“ umschlagen. In der Gesellschaft sollen Christen deshalb „Salz“ sein, nicht nur „Zuckerguss“, so der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer, der sich nicht zuletzt durch seine Teilnahmen am Berliner „Marsch für das Leben“ für den Schutz des ungeborenen Lebens starkmacht. Es könne deshalb nicht genug Christen in Medizin und Pflege geben, die mit Ehrfurcht vor dem menschlichen Leben handeln. Gerade vor dem Hintergrund der politischen Entscheidung zur „Ehe für alle“, bei der ein christliches Eheverständnis „ohne echte Diskussion vom Tisch gefegt worden ist“, bedürfe es zudem wortstarke Christen in der Politik. Er äußerte seine Sorge, „dass Katholiken in Deutschland zunehmend politisch heimatlos werden“. Auch Journalisten mit Mut zur Wahrheit brauche es, so Voderholzer. Parallel zum Kongress trainierten junge Katholiken in der Medienakademie für katholische Apologetik e.V. der Karl Ballestrem Stiftung, verantwortungsvoll Stellung zu kontroversen Fragen des christlichen Glaubens zu beziehen.

Der Initiator des Forums Deutscher Katholiken Hubert Gindert stellte fest, nicht alle Inhalte des Kongresses sind „angenehm zur Kenntnis zu nehmen“. Dazu zählten Berichte über die weltweite Christenverfolgung, die nach Wolfgang Ockenfels OP derzeit auf Rekordhöhe liege: „Es ist ein Skandal, dass kaum jemand darauf reagiert.“ Persönliche Beschreibungen von Karin Maria Fenbert, Geschäftsführerin von Kirche in Not Deutschland, riefen Bestürzung beim Publikum hervor, zeigten aber auch Lichtblicke auf, die mit lang anhaltendem Applaus gedankt wurden: Ein Christ in Aleppo beispielsweise, der nach einmonatiger Folter getötet werden sollte – er betete zur Gottesmutter und wurde aus der Gefangenschaft befreit.

Das Vertrauen auf die Hilfe der Gottesmutter spiegelte sich in den liturgischen Feiern des Kongresses, zu denen auch eine Marienweihe gehörte. Über die Glaubensfrüchte, die die Erscheinungen von Fatima weltweit hervorgebracht haben, sprach der emeritierte Augsburger Dogmatiker Anton Ziegenaus. Fatima sei der Ruf, am Heil der Menschen durch Gebet und Opfer mitzuwirken. Sühne für andere zu leisten, dürfe uns nicht fremd sein. Bischof Rudolf Voderholzer zeigte auf, dass sich Marienverehrung und Ökumene nicht widersprechen, sondern „die Konfessionen einen“. Ein Beispiel dafür sei das Mariahilf-Bild des Malers Lukas Cranach der Ältere, eines Freundes und Trauzeugens Martin Luthers. Die breite Verehrung des Bildes insbesondere in Bayern und Südtirol sei „ein hoffnungsvolles ökumenisches Zeichen“.

„Haben Sie den Mut,

auf Flüchtlinge

zuzugehen, und

katechetisch zu wirken“

Wie Gindert gegenüber der Tagespost bestätigte, wurde neben den beiden verabschiedeten Resolutionen „Die Jugend braucht Vorbilder, um eine bessere Welt aufzubauen“ und „Entmenschlichung der Sexualität durch Pornografie und frühe Sexualisierung", eine weitere Resolution zum Podium „Wie kann Integration gelingen“ aufgrund von geplanten Überarbeitungen nicht veröffentlicht. Auf dem Podium diskutierten Anton Ziegenaus, der ehemalige Bundestagsabgeordnete Norbert Geis, der langjährige Präsident des Deutschen Lehrerverbandes Josef Kraus und der seit acht Jahren in der Flüchtlingsarbeit tätige Norbert Neuhaus über Chancen und Grenzen der Aufnahme von Flüchtlingen, über die Annahme einer Leitkultur sowie über die Notwendigkeit friedenssichernder Maßnahmen innerhalb der Herkunftsländer. Die Bekämpfung der Fluchtursachen hielt Geis für eine nicht nur deutsche, sondern europäische Aufgabe. Flüchtlinge, die zu uns kommen, suchten meist vergeblich nach einem christlichen Abendland. Neuhaus rief dazu auf: „Haben Sie den Mut, auf Flüchtlinge zuzugehen, und katechetisch zu wirken.“

Der nächste Kongress „Freude am Glauben“ findet vom 20. bis zum 22. Juli statt, wiederum in Fulda.

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20.04.2024, 16 Uhr