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Ruhrbischof Overbeck hadert mit gegenwärtiger Gestalt der Kirche

Die Enthüllungen zum Missbrauch machten ihn nicht nur sprachlos, so der Essener Bischof Overbeck. Er beginne auch, sich kritisch zu fragen, welche Möglichkeiten eine Kirche hat, in der so etwas in solch systematischer Weise geschehen könne.
Overbeck: Missbrauchs-Enthüllungen machen sprachlos
Foto: Harald Oppitz (KNA) | Konkrekte Fragen, die sich im Zuge der Missbrauchsfälle stellten, seien jene zur Macht, zur Sexualmoral sowie zum Priesterleben und Priesterbild, so der Essener Bischof Overbeck.

Angesichts der Missbrauchskrise innerhalb der katholischen Kirche ist der Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck „oft der Verzweiflung nahe“. Die Enthüllungen machten ihn nicht nur sprachlos, er beginne auch, sich kritisch zu fragen, welche Möglichkeiten eine Kirche hat, in der so etwas und in solch systematischer Weise geschehen könne, so Overbeck im Gespräch mit der „Rheinischen Post“. „Ich habe mein Grundvertrauen in die Kirche damit zwar nicht verloren, aber hadere teils schon sehr mit ihrer zeitlichen, gegenwärtigen Gestalt. Aber das Vertrauen auf das Wirken Gottes bleibt!“

Overbeck: Prozess, der nicht in einem halben Jahr abgeschlossen ist

Konkrekte Fragen, die sich im Zuge der Missbrauchsfälle stellten, seien jene zur Macht, zur Sexualmoral sowie zum Priesterleben und Priesterbild. „Diese Fragen ganz offen zu diskutieren, muss man wollen und dann mit viel Geduld und zielgenau verfolgen“, so der Essener Bischof. Das sei jedoch ein Prozess, der nicht in einem halben Jahr abgeschlossen sei. Von dem für Februar von Papst Franziskus einberufenen Treffen der Vorsitzenden aller Bischofskonferenzen weltweit erhofft sich Overbeck einen Anstoß.

Zudem nennt der Ruhrbischof den Machtmissbrauch als eines der größten Probleme der Kirche. Die „schrecklichen Verbrechen“ des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen seien nur möglich gewesen, weil die Täter ihre Macht missbraucht hätten. „Sexueller Missbrauch und andere Formen von Erniedrigungen werden genutzt, um Menschen klein zu halten“, so Overbeck. Dahinter stehe ein Phänomen, das Papst Franziskus unter anderem als Klerikalismus beschreibe.

Aus den Quellen dieses Glaubens zu leben, ist anspruchsvolle Aufgabe

Priester seien eigentlich dafür da, sich um die Menschen zu sorgen, sie zu begleiten und zu bestärken – insbesondere in schwierigen Lebensphasen, so der Essener Bischof weiter. Wenn Priester Menschen klein hielten, werde dieser Auftrag pervertiert. „Genau das hat den riesigen Vertrauensverlust verschuldet.“ Das Fundament der Kirche sieht Overbeck jedoch im Glaubem, aus dem Werthaltungen erwachsen, sowie in einer Ethik, die den Menschen in seiner Würde zu achten lehrt. „Aus den Quellen dieses Glaubens zu leben ist eine sehr anspruchsvolle Aufgabe, die auch die Kirche immer wieder neu herausfordert.“

DT/mlu

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