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Philosoph Robert Spaemann verstorben

Der katholische Philosoph Robert Spaemann ist gestern Nachmittag im Alter von 91 Jahren verstorben. Er war einer der prägendsten konservativen Denker im deutschsprachigen Raum. Von Sebastian Krockenberger
Robert Spaemann verstorben
Foto: Marijan Murat (dpa) | Der Philosoph Robert Spaemann starb im Alter von 91 Jahren in Stuttgart.

Mit seinem Denken passte er nicht so recht in diese Zeit. Doch ruhig und unaufgeregt formulierte der Philosoph Robert Spaemann seine Gedanken und verschaffte sich weltweit Gehör. Im Mittelpunkt seines Denkens stand ein christlicher Glaube, der sich der geistigen Auseinandersetzung mit der vernunftgeprägten Moderne nicht verschließen, aber Modeströmungen nicht unterwerfen soll.

Das Leben von Robert Spaemann

Robert Spaemann wurde am 5. Mai 1927 in Berlin geboren. Früh starb seine Mutter. Sein Vater war der Schriftsteller Heinrich Spaemann, der als Witwer katholischer Priester wurde. Robert Spaemann studierte Philosophie bei Joachim Ritter in Münster. Seine Kommilitonen waren Hermann Lübbe, Odo Marquard, Günter Rohrmoser und Ernst-Wolfgang Böckenförde.

Nach seiner Promotion arbeitete er ein paar Jahre als Lektor beim Stuttgarter Kohlhammer-Verlag, bevor er an die Universität zurückkehrte. Er lehrte Philosophie in Stuttgart, Heidelberg und München. Seine Werke werden auf der ganzen Welt gelesen.

Er beriet die Päpste Johannes Paul II. und Benedikt XVI. Die Aufzählung von Ehrungen und öffentlichen Würdigungen würde diesen Rahmen sprengen. Der Philosoph war ein Verfechter der Naturrechtslehre in der Ethik und stand in vielen Fragen dem emeritierten Papst Benedikt XVI. nahe.

Verfasste Bücher und Denken von Spaemann

Eines seiner Hauptwerke ist „Personen – Versuche über den Unterschied zwischen ‚etwas’ und ‚jemand’“. Mit seinem Buch „Glück und Wohlwollen – Versuch über Ethik“ hat er ein Glücksbuch geschrieben, als es noch nicht wie heute Mode war, Glücksbücher zu schreiben.

Die Teleologie der Natur ausgehend von Aristoteles war ein zentrales Feld von ihm. Teleologie meint, dass die Natur selbst ihre Zwecke, Ziele und Neigungen in sich trage. Spaemann kritisierte die Instrumentalisierung der Natur in der Moderne, die eben diese natürlichen Ziele nicht respektiert.

In der Einleitung zu seiner Sammlung „Philosophische Essays“ nennt Spaemann „die Verteidigung der Aufklärung gegen ihre Selbstdeutung“ als den „roten Faden“ seiner „sonst ziemlich disparaten theoretischen und auch praktisch-politischen Äußerungen“.

Er warnt davor, die Moderne „aus sich selbst, radikal-emanzipatorisch“ zu verstehen. Denn dann sei „Selbstaufhebung der Aufklärung unvermeidliches Resultat ihrer Dialektik“. Selbst Nietzsche habe noch geschrieben, dass Aufklärung noch von dem „platonisch-christlichen Glaube“ lebe, „dass Gott die Wahrheit, dass die Wahrheit göttlich ist“.

In der Dialektik der Aufklärung wird dieser Glaube zerstört, ein neuer Mythos erscheint. Deshalb müsse Moderne und damit auch Aufklärung, Wissenschaft und Menschenrechte „als Entfaltung einer nicht durch sie selbst gesetzten Wahrheit über den Menschen“ begriffen werden.

Vorhandene Standpunkte 

Spaemann beteiligte sich Zeit seines Lebens an öffentlichen Debatten. Er lehnte Atomkraft, Sterbehilfe und Todesstrafe ab. Er sprach sich außerdem gegen Euthanasie und Abtreibung aus. Spaemann hatte zum aktuellen politischen Geschehen seine klaren Ansichten, so auch zur Flüchtlingskrise. Bei einem Treffen unseres Lesekreises in 2015 sagte er:

„Man kann die Tugenden eines Volkes auch zerstören, indem man sie überfordert.“

Robert Spaemann ergriff engagiert Partei, in Wort, Schrift und Tat.
Foto: Archiv | Robert Spaemann ergriff engagiert Partei, in Wort, Schrift und Tat. Foto: un.

Sein Reihenhaus im Stuttgarter Stadtteil Botnang lag direkt neben dem Wald. Ein paar Mal begleitete ich ihn auf seinen häufigen Spaziergängen durch den Wald. Als wir über den europäischen Einigungsprozess sprachen, sagte er: „Jedes politische Projekt ist im Grunde totalitär.“ Denn der Staat muss zuerst Frieden, Recht und Sicherheit gewährleisten. Wenn der Staat jedoch einem Projekt untergeordnet wird, ist das für Spaemann Totalitarismus.

Als wir dann bei Kaffee und Kuchen saßen, sagte er in aller Klarheit: „Der Staat ist der Katechon.“ Der Apostel Paulus schreibt im zweiten Thessalonicherbrief von diesem „Aufhalter“, dem „Katechon“, der die Machtergreifung des Antichristen verhindert. In einem Interview mit der Tagespost sagte Spaemann 2010: „Ich glaube, dass Aufhalten die wichtigste Aufgabe der Politik überhaupt ist.“ Der Staat soll das Schlimmste verhindern.

Spaemanns katholischer Glaube

Regelmäßig besuchte Spaemann die Sonntagsmesse der Petrusbruderschaft in Stuttgart. Den Aufbau der Niederlassung hat er begleitet. Er schätzte die Messe in der überlieferten Form und hat sich bei Päpsten und Bischöfen für sie eingesetzt.

Am Leben der Stuttgarter Gemeinde, die sich um die Niederlassung gebildete hatte, nahm er aktiv teil und war nahbar und freundlich im Umgang mit jedermann. Der Philosoph von Weltrang hat nie viel Aufheben um seine Person gemacht.

Die Entwicklungen in der Kirche verfolgte er bis zuletzt aufmerksam. In einem Interview mit der Katholischen Nachrichtenagentur (KNA) im April 2016 kritisierte er das päpstliche Schreiben „Amoris Laetitia“ schwer, da er es für einen Bruch mit der kirchlichen Lehrtradition hielt und die Gefahr eines Schismas sah.

Er bekräftigte seine Kritik im September 2017 im Interview mit der englischsprachigen Internetplattform „One Peter Five“. Ein Text der Journalistin Hilary White von ihrer Homepage, „Danke, Gott, für Unnachgiebigkeit“ (Thank God for rigidity), sprach ihm da aus dem Herzen. In ihrem kurzen Text dankt sie Gott für logische Klarheit.

Vorbild im Denken, Leben und Glauben

Ganz klar sagte er, dass das sein Wunsch sei, so zu enden. Am Nachmittag des 10. Dezembers 2018 ist Robert Spaemann „nach langem Leiden an Altersschwäche friedlich heimgegangen“, wie sein Sohn Christian Spaemann in einer Nachricht an Freunde und Bekannte mitteilte. Sein Vorbild im Denken, Leben und Glauben hat vielen Orientierung und Halt gegeben. Sein Vorbild im Sterben wird vielen Ermutigung und Zuversicht sein.

Robert Spaemann über das Sterben und den Tod

Wichtige Werke von Robert Spaemann:

  • Moralische Grundbegriffe
  • Meditation eines Christen
  • Philophische Essays
  • „Personen – Versuche über den Unterschied zwischen ‚etwas’ und ‚jemand’“
  • „Glück und Wohlwollen – Versuch über Ethik“

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