Nimmt man die Weltjugendtage als Ganzes, so taugt die Diagnose nicht, wie sie heute vor allem in den Ländern des Westens zu hören ist: Der Kirche laufen die Gläubigen davon, der christliche Grundwasserspiegel in unseren Gesellschaften sinkt dramatisch, die Gotteshäuser werden immer leerer, die Volkskirche alten Stils hat ausgedient und über weite Teile Europas hat sich bereits die Eiszeit des Postchristentums ausgebreitet. Vor allem deutsche Bischöfe – nicht zuletzt im Takt des Bekanntwerdens von Missbrauchsfällen und Vertuschungen – stehen heute da wie Kassandrarufer in der Wüste. Nach dem Motto: Es muss alles anders werden, oder wir können den Laden bald dicht machen, scheinen sie das Personal der amtskirchlichen Strukturen auf das Schlimmste vorbereiten zu wollen.
Gefährlich wird es für die Kirche, wenn sie nachwachsende Generationen nicht mehr erreicht
Tatsächlich gefährlich wird es für die Kirche, wenn sie die nachwachsenden Generationen nicht mehr erreicht. Bricht die Jugend weg, droht die Gemeinschaft der Glaubenden da, wo solches geschieht, auszusterben. In weiten Teilen des Westens war das in den Jahren nach der 68er-Revolution der Fall. Die Jugend schien sich anderen Ideen zuzuwenden: den marxistischen Erlösungslehren, der Hippie-Kultur, fernöstlichen Religionen und einem Lebensgefühl, das keine Autorität, keine Normen, geschweige denn Dogmen mehr duldete.
Zu Ostern 1984 endete wieder ein Heiliges Jahr, ein außerordentliches im Gedenken an das 1950. Jahr der Erlösung. Der polnische Papst lud zu einem Jubiläumstag der Jugend ein. Und es kamen um ein Vielfaches mehr junge Menschen als 1975 zum Treffen mit dem Papst nach Rom. Und diesmal sprang der Funke über, Johannes Paul II. erkannte die Dynamik, die in den Begegnungen mit Jugendlichen liegen kann und ließ im darauffolgenden Jahr ein zweites Jugendtreffen organisieren, das wieder ein Erfolg war.
Lange hatte die deutsche Amtskirche keine Sympathie für die Weltjugendtage
Lange Jahre hat die deutsche Amtskirche keine richtige Sympathie für diese Jugendtreffen entwickeln können, auch dann nicht, als die Abschlussmesse beim Weltjugendtag 1995 mit vier Millionen Teilnehmern zum bis dahin größten Massentreffen aller Zeiten und der Weltgeschichte wurde. Denn es gab da ein kleines Problem: Auch wenn die Weltjugendtage bisher gezeigt hatten, dass sie eine beträchtliche Faszination auf junge Menschen auszuüben vermochten – sie waren immerhin von ihrer DNA her ein Treffen mit dem Papst, und der hatte bei den Offiziellen der kirchlichen Strukturen in Deutschland keine hohe Konjunktur – auch wenn er Johannes Paul II. hieß.
Wie sich das Verhältnis der deutschen Amtskirche zu den Weltjugendtagen änderte, als im Jahr 2005 Benedikt XVI. nach Köln lud, erfahren Sie in der aktuellen Ausgabe der „Tagespost“ vom 24. Januar. Kostenlos erhalten Sie diese Ausgabe hier.
DT