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Neues Motu proprio: Franziskus stärkt die Rolle der Diözesanbischöfe

Mit dem Motu proprio „Traditiones custodes“ nimmt der Papst einige Bestimmungen von „Summorum pontificum“ zurück, meint Prälat Markus Graulich - und lässt einige Fragen bezüglich Sakramente, Sakramentalien und Stundengebet offen.
Alte Messe der Traditional Latin Mass Society in San Francisco
Foto: Traditional Latin Mass Society | Im Bild: Ein Gottesdienst der Traditional Latin Mass Society in San Francisco.

Am 16. Juli hat Papst Franziskus unter dem Titel Traditiones custodes (TC) ein Motu proprio veröffentlicht, mit dem der Gebrauch des Messbuches von 1962 und einige damit zusammenhängende Fragen geregelt werden. Durch diese legislative Maßnahme nimmt er einige der Bestimmungen zurück, welche von Papst Benedikt XVI. 2007 mit dem Motu proprio Summorum Pontificum erlassen wurden. In einem Brief an die Bischöfe, am selben Datum veröffentlicht, erläutert der Pontifex seine Entscheidung.

Was die Motivation des Papstes ist

Es ist hier nicht möglich, eine vollständige Kommentierung der neuen Normen vorzunehmen; zunächst muss eine erste Einschätzung genügen, die auf die Motivation des Papstes eingehen soll. Wie bekannt, hatte Papst Franziskus im Jahr 2020 die Glaubenskongregation gebeten, unter den Bischöfen der Weltkirche eine Umfrage bezüglich der Umsetzung von Summorum Pontificum durchzuführen. Das Ergebnis dieser Umfrage, das bisher nicht veröffentlicht wurde, hat den Papst, wie er den Bischöfen schreibt, geschmerzt und ihm Sorgen bereitet. Demnach scheint es so zu sein, dass die Umsetzung des Motu proprio von Benedikt XVI. nicht, wie von ihm gewünscht zur liturgischen Versöhnung und zur Einheit in der Kirche beigetragen, sondern Spaltungen vertieft habe.

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Einige scheinen die großzügige Auslegung von Summorum Pontificum dahingehend genutzt zu haben, dass es nicht zu einer gegenseitigen Bereicherung der ordentlichen und der außerordentlichen Form des römischen Ritus beigetragen habe. Die Feier der Liturgie in der außerordentlichen Form stehe zudem bei einigen im impliziten oder expliziten Zusammenhang mit einer Ablehnung des II. Vatikanischen Konzils. Beides entsprach nicht der Intention Benedikt XVI., der sich eine liturgische Versöhnung und gegenseitige Bereicherung erhoffte. So fühlt sich jetzt Papst Franziskus zum Eingreifen bewegt, um die Einheit der Kirche zu bewahren. Er hebt die Rolle der Bischöfe als „Leiter, Förderer und Wächter (custodes) des gesamten liturgischen Lebens in der ihnen anvertrauten Kirche“ hervor (can. 835 §1 CIC).

Daher kommt nach TC einzig den Diözesanbischöfen die Kompetenz zu, entsprechend der Weisungen des Apostolischen Stuhles in den jeweiligen Diözesen den Gebrauch des Messbuches von 1962 zu gestatten (vgl. TC, Art. 2).

Ein Ort, der nicht die Pfarrkirche sein darf

Diese grundsätzliche Regelung hat verschiedene Auswirkungen, die sich zunächst auf die Gruppen von Gläubigen beziehen, die sich bisher zur Eucharistiefeier nach dem Messbuch von 1962 versammelten: Der Bischof hat sich zu vergewissern, dass sie die Gültigkeit und Berechtigung der Liturgiereform sowie die Lehre des II. Vatikanums und des nachfolgenden Magisteriums nicht ablehnen (TC, Art. 3 §1). Er soll ihnen für die Eucharistiefeier einen entsprechenden Ort zuweisen, der aber nicht die Pfarrkirche sein darf (TC, Art. 3 §2). Neue Personalpfarreien für diese Gruppen von Gläubigen sollen nicht mehr errichtet werden (ebd.) und im Hinblick auf die bereits bestehenden Personalpfarreien ist zu überprüfen, ob sie dem geistlichen Wachstum dienen und beizubehalten sind oder nicht (TC, Art. 3 §5). Ferner hat er den Ort und die Zeit festzulegen, an denen die Eucharistiefeiern nach dem Messbuch von 1962 stattfinden sollen (TC, Art. 3 §3) und einen entsprechend geeigneten Priester für die Zelebration zu bestimmen (TC, Art. 3 §4). Neue Gruppen sollen nicht autorisiert werden (TC, Art. 3 §6).

Nicht nur auf die Gruppen von Gläubigen sondern auch auf die einzelnen Priester hat das neue Motu proprio Auswirkungen: Diejenigen Priester, die bereits auf der Grundlage von Summorum pontificum nach dem Messbuch von 1962 zelebrieren, dürfen dies auch weiterhin tun, vorausgesetzt, dass sie den Diözesanbischof darum bitten (TC, Art. 5). Priester, die erst nach Veröffentlichung des Motu proprio geweiht werden, sollen ihren Diözesanbischof formell um die Erlaubnis zum Gebrauch des Messbuchs von 1962 bitten. Diese Erlaubnis darf aber erst nach einer Konsultation des Apostolischen Stuhles erfolgen.

Das Motu proprio regelt darüber hinaus auch die Verlagerung einiger Vollmachten, die bisher der 4. Sektion der Glaubenskongregation (vorher: Kommission Ecclesia Dei) zukamen: die von dieser Kommission errichteten Gemeinschaften kommen unter die Zuständigkeit der Ordenskongregation (TC, Art. 6). Der Ordenskongregation wird sodann gemeinsam mit der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung die Aufsicht über die Umsetzung des Motu proprio übertragen (TC, Art. 7).

Hoffen, dass die Einheit der Kirche gestärkt wird

Der abschließende Artikel 8 des Motu proprio hebt alle Normen, Instruktionen, Gewährungen und Gewohnheiten auf, die nicht mit dessen Bestimmungen übereinstimmen.

Ungeklärt bleibt die Frage, was mit der Feier der Sakramente und Sakramentalien sowie des Stundengebetes nach den liturgischen Büchern aus der Zeit vor der Liturgiereform geschieht, die von Summorum Pontificum ebenfalls erlaubt worden war.

Es bleibt zu hoffen, dass diese neuen Bestimmungen des Papstes wirklich der Einheit der Kirche dienen und dass die Bischöfe ihr liturgisches Wächteramt nicht nur im Hinblick auf die Messfeier nach dem Messbuch von 1962, sondern auf alle Messfeiern ausüben, wie es Papst Franziskus in seinem Brief an die Bischöfe der ganzen Welt ausdrücklich wünscht: „Gleichzeitig bitte ich Euch, darüber zu wachen, dass jede Liturgie mit Würde und Treue gegenüber den liturgischen Büchern gefeiert wird, die nach dem II. Vatikanischen Konzil promulgiert wurden, ohne exzentrisches Gehabe, das leicht in Missbrauch abgleitet. Zu dieser Treue den Vorschriften des Messbuches und der liturgischen Bücher gegenüber, in denen sich die vom II. Vatikanischen Konzil gewollte Liturgiereform widerspiegelt, sollen die Seminaristen und die Neupriester erzogen werden.“

Weitere Hintergründe erfahren Sie in der kommenden Ausgabe der Tagespost.

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