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Nach Priestermord: Mit dem Rücken zur Wand

Der ermordete französische Priester Olivier Maire hat die christliche Tugend der Barmherzigkeit gelebt. Dass er dafür mit dem Leben bezahlt hat, veranschaulicht das Dilemma der Kirche in Frankreich.
Katholischer Priester in Frankreich getötet aufgefunden
Foto: Sebastien Salom-Gomis (AFP) | Gerald Darmanin, Innenminister von Frankreich, spricht während einer Pressekonferenz in der westfranzösischen Gemeinde Saint-Laurent-sur-Sèvre, in der der 60-jährige katholische Priester Olivier Maire ermordet wurde.

Die Ermordung des Provinzoberen der Montfortianer, Pater Olivier Maire in Westfrankreich macht das Dilemma der Kirche in Frankreich anschaulich. Von Christen erwartet man Barmherzigkeit mit Armen, Versagern und Verbrechern, sie sollen nach dem ausdrücklichen Wunsch von Papst Franziskus an die Ränder gehen.

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Märtyrer der Nächstenliebe?

Pater Maire hat sich diesem Anspruch mit besten Absichten gestellt, als er einem polizeibekannten ruandischen Flüchtling Obdach bot, dessen Asylantrag ablehnt worden war und den der französische Staat mehrfach aufgefordert hatte, das Land zu verlassen.

Dass er dafür nun mit dem Leben bezahlt hat, beschäftigt nicht nur in Frankreich viele Christen. Ist er ein Märtyrer der Nächstenliebe und Opfer seiner Großzügigkeit, wie der Ortsbischof erklärte? Oder muss man in seinem Fall eine Grenze zu Märtyrern wie Pater Hamel ziehen, der aus heiterem Himmel bei der Zelebration des Messopfers überfallen wurde?

Zum Wesen des echten Martyriums gehört auch die gebotene Klugheit angesichts der Gefahr. War der ermordete Montfortianer schlicht naiv und gefährdete mit der Aufnahme seines späteren Mörders nicht nur sich, sondern auch andere?

Dilemma der Kirche ist offensichtlich

Dass nicht jeder Asylsuchende das Geschenk der christlichen Gastfreundschaft automatisch mit Dankbarkeit und Anerkennung beantwortet, hat sich spätestens beim Brand der Kathedrale von Nantes gezeigt. Das Dilemma der Kirche ist offensichtlich: Der Staat kann den Christen keinen Rundumschutz gewähren, obwohl vor vielen Kirchenportalen in Frankreich inzwischen bewaffnete Polizeibeamte patrouillieren.

Der einzelne Katholik kann den Spagat zwischen Klugheit und Nächstenliebe kaum so stemmen, dass alle christlichen Lager sowie die nichtchristliche Öffentlichkeit überzeugt sind. Das ist, historisch betrachtet, nichts Neues. Es gibt für solche Situationen auch keine strukturelle Lösung. Als Orientierungshilfe taugen nur das Beispiel der Heiligen und das an Schrift und Lehramt geschulte Gewissen.

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