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Zisterzienserkloster Neuzelle: Eine Tankstelle für die Seelen

Auf einem ehemaligen Stasi-Gelände entsteht ein Kloster: Der Neubau des Zisterzienserklosters Neuzelle im zehn Kilometer entfernten Treppeln ist mit dem Grundstückserwerb beschlossene Sache.
Eingangsfront des vor 200 Jahren verstaatlichten Klosters Neuzelle
Foto: R. Thiede | Eingangsfront des vor 200 Jahren verstaatlichten Klosters Neuzelle. In der Klosterbrauerei (links) wird das etwas süßliche, dunkle Bier "Schwarzer Abt" hergestellt.

Mitte Oktober kehrte Frater Aloysius Maria in sein Mutterkloster Heiligenkreuz in den Wienerwald zurück. Im Priorat Kloster Neuzelle in Brandenburg war er fast drei Jahre lang als Hausmann sowie Organisator für Küche, Herd, Wäsche und Einkauf verantwortlich. Im Kapitel „Mein Ordensleben habe ich dem Rosenkranz und der Muttergottes zu verdanken“, machte der damals mit gerade einmal 27 Jahren jüngste der vier „Wiederbesiedler-Mönche“ in Neuzelle keinen Hehl aus seiner Meinung und sprach offen und ehrlich über seine Befindlichkeiten. Irgendwie war es also abzusehen, dass der 1989 in Marktoberdorf im Allgäu als Florian Zierl geborene junge Mann keine Bestimmung auf Ewigkeit im Osten Brandenburgs finden sollte.

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Schon Monate vor ihm ging der Lehrer an der katholischen Grundschule Neuzelle – Pater Philemon Ingo Dollinger – ins Mutterkloster nach Österreich zurück. Die vier ersten Neuzeller Mönche – nach der Zwangssäkularisation des Klosters vor über zweihundert Jahren – wussten, dass sie nicht auf Dauer in einem Pfarrhaus wohnen können. „Es darf uns auf gar keinen Fall passieren, dass wir zu einer Männer-WG werden. Wenn ich auf die Mitbrüder schaue, haben fast alle während des Studiums in WGs gelebt. Das hatte in dieser Zeit seine Berechtigung. Aber für ein Klosterleben ist das nicht geeignet. Wir brauchen gewisse Räumlichkeiten, die auch die Statuten der Zisterzienserkongregation für eine Neugründung vorsehen. Das Pfarrhaus ist für uns ein Provisorium, eine Übergangslösung. Aber es müssen sich Perspektiven auftun“, erklärte Pater Philemon.

"Wir brauchen gewisse Räumlichkeiten,
die auch die Statuten der Zisterzienserkongregation für eine Neugründung vorsehen.
Das Pfarrhaus ist für uns ein Provisorium, eine Übergangslösung.
Aber es müssen sich Perspektiven auftun."

Von Heiligenkreuz her sind es die Ordensmänner gewohnt, in einer großflächigen Anlage zu leben. Dort gibt es Regularräume, einen Kreuzgang, einen Klostergarten und Räume, zu denen außer den Mönchen niemand Zutritt hat. Diese Klausur fehlt ihnen schmerzlich in Neuzelle. Die Mönche brauchen zudem einen Weg in das Haus Gottes, der sie innerlich auf das Gebet vorbereitet. Zum Chorgebet muss man in Heiligenkreuz nicht auf einem öffentlichen, vor Wind und Wetter ungeschützten, schlecht ausgeleuchteten Weg laufen, wie das in Neuzelle vom Pfarrhaus zur St. Marienkirche der Fall ist. Der Kreuzgang in Neuzelle ist Teil des Museums der Stiftung Neuzelle und wird von Touristen genutzt. Traditioneller Weise verbindet der Kreuzgang Schlaf- und Wohnräume der Mönche mit der Kirche. Diese geistliche und liturgische Einbindung ist für ein Klosterleben existenziell.

Heute sind die historische Klosteranlage sowie die Ländereien mit etwa 11 300 Hektar Grundbesitz im Eigentum der staatlichen „Stiftung Stift Neuzelle“. Dem Zisterzienserorden oder der Katholische Kirche gehört davon nichts mehr.

Das alte Kloster hat einige Mitnutzer

Um mit der für sie ungewohnten Situation zurechtzukommen, entschieden sich die Mönche, die ersten Monate erst einmal alles so zu lassen, wie sie es vorfanden. Aber da sie mit der Stiftung Stift Neuzelle zu keiner für sie annehmbaren Einigung kamen, verkündeten sie schon am Vorabend der offiziellen Prioratsgründung im September 2018: Es wird auf Dauer keine Wiederbesiedlung mit Zisterziensern auf dem Gelände des 1268 durch Markgraf Heinrich dem Erlauchten gestifteten Klosteranlage in Neuzelle geben, sondern nur ein Neubau kommt für die Mönche in Frage, wenn sie hierbleiben. Denn die meisten Gebäude des früheren Zisterzienserklosters Neuzelle hat die Stiftung Stift Neuzelle an andere Nutzer vermietet. Im ehemaligen Wohn- und Arbeitsbereich der Mönche (Klausur) ist ein Gymnasium untergebracht. Im Kreuzgang gibt es ein Museum und die anliegenden Räume sind Orte für kulturelle Veranstaltungen jeglicher Couleur, wo dann auch einmal Gregor Gysi von der Partei Die Linke auftreten darf. In den früheren Räumen des Abtes befindet sich die Stiftungsverwaltung und im Kanzleigebäude eine Musikschule sowie die Forstverwaltung.

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Mit der Entscheidung der Mönche erfüllten sich auch die Wünsche des Ideengebers und neuen Stifters Bischof Wolfgang Ipolt aus Görlitz nur bedingt, der vom „Leuchtturm Neuzelle“ sprach und hoffte, dass durch die Präsenz von Mönchen die „alten Gebäude wieder neue Strahlkraft erlangen“. Die abrupte Wendung der Mönche, das vorhandene 750-Jahre alte Kloster mit dem Titel „Barockwunder Brandenburgs“ ungenutzt zu lassen, können bis heute viele Menschen nicht verstehen. „Es ließ auch viele Katholiken und evangelische Christen in den neuen Bundesländern ratlos zurück“, bestätigte eine Einwohnerin, die bis zuletzt auf einen Kompromiss auf dem Klosterareal hoffte.

Die Umsetzung des Klosterneubaus auf einem etwa zehn Kilometer vom jetzigen Kloster entfernten Gelände in Treppeln, auf dem zu DDR-Zeiten die Staatssicherheit einen geheimen Außenposten unterhielt – verantworten Prior Pater Simeon Wester und sein Subprior Pater Kilian Müller, der dazu sagt: „Diese Immobilie liegt auf den historischen Stiftungsgründen des Klosters Neuzelle. Gerade da, wo eine Verletzung vorhanden ist, ist Heilung immer nötig und hilfreich. Der liebe Gott hat halt manchmal Humor. Ich glaube, eine klösterliche Nachnutzung für ein ehemaliges Stasi-Gelände, das gab es bisher noch nie auf deutschem Boden.“

Auch die Politik begrüßt die Neugründung: "Wahres Geschenk"

Nun kann der Neubau verwirklicht werden. Brandenburgs Kultusministerin Manja Schüle (SPD) bezeichnete vorige Woche in Potsdam die Anwesenheit von Mönchen in Neuzelle und ihren Plan des Klosterneubaus als „wahres Gottesgeschenk“. Ministerin Schüle schenkte Pater Kilian bei einer Pressekonferenz ein historisches Bild des Klosters Neuzelle sowie Wasser aus Lourdes und sagte: „ich kann verstehen, dass ein neuer Standort gewählt wurde. Der geplante Klosterbau wird die erste Klosterneugründung der Zisterzienser in Brandenburg seit dem Mittelalter sein.“ Aus ihrer Sicht ist die ehemalige Immobilie der Staatssicherheit „eine gelungene Nachnutzung“.

Das nun verkündete notarielle Kaufangebot ist am 25. November unterzeichnet werden. Der Vertrag gilt vorerst für fünf Jahre. Erst dann müssen die 219 200 Euro für das 75 Hektar große Waldstück vom Priorat bezahlt werden. „Es handelt sich um ein verwundetes Grundstück – die Liegenschaft sieht fürchterlich aus“, ergänzte Norbert Kannowsky, Geschäftsführer der Stiftung Stift Neuzelle, der aktuelle Eigentümer.

Wie teuer der Abriss der verwahrlosten DDR-Gebäude sowie der Neubau sein wird, darüber schweigt der Orden. Mit Sicherheit werden diese Kosten die Investitionen um Landerwerb um ein Vielfaches übersteigen und in die Millionen gehen.

Neubau auf Stasi-Grund

Trotz des Weggangs der ersten Gründermönche sind Pater Simeon und sein Ökonom Pater Kilian nicht alleine in Neuzelle geblieben. Hinzu kamen der gerade zum Diakon geweihte Frater Alberich Maria Fritzsche, der einzige Ostdeutsche übrigens, sowie die Patres Konrad und Issak. Doch dabei soll es nicht bleiben. „Unsere junge Gemeinschaft muss wachsen können, und das geht im Pfarrhaus leider nicht“, betont Pater Kilian, „Ein richtiges Zisterzienserkloster besteht normalerweise aus mindestens zwölf Mönchen. Das Stift Heiligenkreuz, aus dem wir kommen, hat derzeit sogar knapp hundert Mönche.“

Neben der fehlenden Klausur spielt ein weiterer wichtiger Punkt für die Mönche beim Neubau eine Rolle: die Aufnahme von Gästen. Pater Kilian: „Das ist seit Jahrhunderten eine wichtige seelsorgliche Aufgabe von Klöstern. In der Benediktsregel heißt es, die Mönche sollen die Gäste aufnehmen, als wäre es Christus selbst, der da an die Tür klopft. Dafür braucht es aber Gästezimmer, und die gibt es hier nicht.“

Pater Kilian, Sprecher des Priorates Neuzelle stellte klar. „Unser neues Kloster wird ein nachhaltiges, grünes Kloster für etwa 20 Personen werden – zehn Mönche und zehn Gäste. Unser Angebot richtet sich an alle Menschen – ob Christen oder nicht, und gleicht einer Tankstelle für die Seele.“

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