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Kardinal Dziwisz: Johannes Paul II. hat sich gegen sexuellen Missbrauch in der Kirche engagiert

Die Erklärung von Kardinal Stanislaw Dziwisz, emeritierter Erzbischof von Krakau und enger Vertrauter von Papst Johannes Paul II., im Wortlaut.
Papst Johannes Paul II. im stillen Gebet
Foto: epa ansa Danilo Schiavella (ANSA_FILES) | Papst Johannes Paul II. wird beschuldigt, nicht genug gegen Missbrauch getan zu haben.

Kardinal Stanislaw Dziwisz, emeritierter Erzbischof von Krakau, war als Sekretär Karol Wojtylas bereits zu dessen Amtszeit als Krakauer Erzbischof eng mit dem späteren Papst Johannes Paul II. verbunden. Von Weihbischof Karol Wojtyla wurde er 1963 zum Priester, von Papst Johannes Paul II. 1998 zum Bischof geweiht. Nach der Wahl Wojtylas zum Papst (1978), folgte Dziwisz ihm in den Vatikan und diente Johannes Paul II. bis zu dessen Tod am 2. April 2005. Dziwisz gehörte zu dem kleinen Kreis derer, die in der Sterbestunde des Papstes in seinen Gemächern anwesend waren.

Erklärung von Kardinal Stanislaw Dziwisz:

"Johannes Paul II. zum sexuellen Missbrauch in der Kirche"

Die Behauptungen, dass Johannes Paul II. bei der Antwort der Kirche auf den sexuellen Missbrauch Minderjähriger durch einige Geistliche nachlässig sei, sind unfair und entsprechen nicht den historischen Fakten.
 
Papst Johannes Paul II. ersetzte die Bischöfe in einzelnen Ländern in ihrer Verantwortung nicht. Er beobachtete das Leben der örtlichen Kirchen und sah, wie sie mit aufkommenden Problemen umgingen. Wenn es notwendig war, kam er ihnen zur Hilfe, oft aus eigener Initiative. Er tat dies auch auf Bitte örtlicher Episkopate.
 
So reagierte er auf die Krise des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger. Als diese Krise in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts in der Kirche in den Vereinigten Staaten zu schwelen begann, beobachtete der Papst zuerst die Handlungen der Bischofskonferenz in den USA, und als er zu dem Schluss kam, dass sie neue Werkzeuge im Kampf gegen diese Vergehen brauchte, stattete er die Kirchenoberen mit neuen Vollmachten aus. Sie waren für die Bischöfe ein eindeutiger Hinweis darauf, in welche Richtung sie kämpfen sollten. Man muss beachten, dass 1994 Johannes Paul II. ein Indult für die Vereinigten Staaten und zwei Jahre später für die Kirche in Irland aussprach. Damit leitete er die sogenannte "Nulltoleranz"-Politik ein. Der Papst war geschockt. Er beabsichtigte nicht, das Verbrechen der Pädophilie innerhalb der Kirche zu tolerieren, und kämpfte dagegen an.
 
Als sich herausstellte, dass örtliche Episkopate und Ordensobere mit diesem Problem nicht zu Recht kamen, und sich die Krise auf andere Länder ausbreitete, entschied er, dass das Problem nicht nur die angelsächsische Welt betrifft, sondern ein globales ist.
 
Wir wissen, dass es 2002 in den Vereinigten Staaten eine Welle von Enthüllungen gab, die den Publikationen zu verdanken sind, die unter dem Namen "Spotlight" bekannt sind. Aber nicht alle erinnern sich, dass ein Jahr zuvor, im Mai 2001, auf Initiative des Heiligen Vaters, das Dokument „Sacramentorum Sanctitatis Tutela“ (Der Schutz der Heiligkeit der Sakramente) veröffentlicht wurde. Zu dieser Zeit verkündete der Papst die Normen "bezüglich schwerwiegender Straftaten“. Wir kennen die bahnbrechende Bedeutung dieses Dokuments. Johannes Paul II. unterstellte alle sexuellen Straftaten Geistlicher gegen Minderjährige, die jünger sind als 18 Jahre, der Gerichtsbarkeit des apostolischen Tribunals der Kongregation für die Glaubenslehre. Er verpflichtete auch jeden Bischof und alle Ordensoberen, dieser Kongregation von all jenen Verbrechen zu berichten, deren Wahrheitsgehalt in der Voruntersuchung - gemäß dem Kodex des Kanonischen Rechts - bestätigt wurde. Das Verfahren wurde fortan unter der Kontrolle des apostolischen Tribunals fortgesetzt.

Die Analyse der Krise wurde von Johannes Paul II. im April 2002 den amerikanischen Kardinälen vorgelegt, die nach der Veröffentlichung von "Spotlight" in den Vatikan berufen wurden. Durch klare Regeln, auf die der Papst hingewiesen hat, hat das Ausmaß der Missbrauchsfälle in den USA abgenommen. Bis heute ist diese Analyse eine Referenz für alle, die gegen den sexuellen Missbrauch Minderjähriger durch Kleriker kämpfen. Sie hilft bei der Diagnose der Krise und zeigt Lösungswege auf. Dies zeigt der von Papst Franziskus einberufene Kinderschutz-Gipfel, der im Kampf gegen Missbrauch den Weg seiner Vorgänger definitiv fortsetzt.
 
Zum Schluss muss ich auf Maciel Delgollados Fall verweisen. Johannes Paul II. wird vorgeworfen, seine kriminellen Tätigkeiten vertuscht zu haben. Die Fakten sprechen eine andere Sprache. Ich möchte nur daran erinnern, dass die Kongregation für die Glaubenslehre eine Untersuchung der Anschuldigungen während des Pontifikats von Johannes Paul II. im Dezember 2004 begonnen hat. Zu dieser Zeit wurde der damalige Förderer der Gerechtigkeit - der heutige Erzbischof Charles Scicluna - zusammen mit einem Anwalt nach Mexiko und den Vereinigten Staaten geschickt, um die erforderlichen Maßnahmen in dieser Angelegenheit zu ergreifen. Mit Wissen und Zustimmung von Johannes Paul II. wurde beschlossen, ein Verfahren einzuleiten. Nach dem Tod von Papst Johannes Paul II. wurde dieses nicht eingestellt, und daher konnte es zu Beginn des Pontifikats von Benedikt XVI. mit einem Urteilsspruch beendet werden.
 
Stanislaw Kardinal Dziwisz
Krakau, den 20. März 2019

DT (jobo)

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