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Interreligiöser Feiertag: Geteiltes Echo auf Bätzings Vorschlag

Der DBK-Vorsitzende Georg Bätzing schlägt vor, einen interreligiösen Feiertag zum Gedenken an die Zeit der Coronavirus-Pandemie einzuführen. Das sorgt bei muslimischen und jüdischen Religionsvertretern für gemischte Reaktionen.
DBK-Vorsitzender Georg Bätzing
Foto: Michael Debets via www.imago-images.de (www.imago-images.de) | Bätzing erinnert angesichts der Pandemie auch an die Vergänglichkeit des Menschen: „Der unerbittliche Zeitpfeil zeigt nur in eine Richtung und er wird uns alle einmal tödlich treffen.“

Der Vorschlag des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) und Limburger Bischofs Georg Bätzing, einen interreligiösen Feiertag zum Gedenken an die Wochen und Monate der Coronavirus-Pandemie einzuführen, ist auf geteiltes Echo gestoßen. Der Vorsitzende der Allgemeinen Rabbinerkonferenz Deutschland, Andreas Nachama, begrüßte Bätzings Vorstoß. Ein solcher Feiertag sei ein „positiver Vorschlag, der zu einem sehr guten Austausch führen kann“, erklärte Nachama gegenüber der „Katholischen Nachrichten-Agentur“ (KNA). Er könne sich konkrete Gespräche mit Vertretern von Judentum, Christentum und Islam noch in diesem oder im nächsten Jahr vorstellen.

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Interreligiös und "zwischen-weltanschaulich"

Denkbar wäre aus Sicht von Nachama, an einem interreligiösen Feiertag Aspekte von Frieden, gesellschaftlichem Miteinander und Gleichberechtigung in den Mittelpunkt zu stellen. Es könnten zum Beispiel Gottesdienste und Gebete in Synagogen, Kirchen und Moscheen und gegenseitige Besuche stattfinden, schlug der jüdische Präsident des Deutschen Koordinierungsrates der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit vor.

Zustimmung kam auch von dem islamischen Theologen Mouhanad Khorchide. Damit sich aber auch nichtreligiöse Menschen angesprochen fühlten, schlug der Leiter des Zentrums für Islamische Theologie der Uni Münster jedoch vor, von einem „interreligiösen und zugleich zwischen-weltanschaulichen Feiertag“ zu sprechen. Spiritualität könne dabei jeder auf seine Art entfalten, so Khorchide gegenüber der KNA.

Skeptisch zeigte sich hingegen der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster. Er sagte der KNA, es sei zwar zu begrüßen, dass Bätzing eine Debatte über ein gesellschaftliches Innehalten anstoße. „Wir stehen einem interreligiösen Feiertag allerdings eher skeptisch gegenüber.“ Jüdische Feiertage seien in der Regel biblisch, wenige nach-biblisch oder neuzeitlich. „Es stünde uns nicht an, einen Feiertag zu schaffen, der einen religiösen Charakter hat.“ Für einen Tag des Innehaltens würden sich aus Schusters Sicht etwa Aktionen wie ein „Tag der offenen Gotteshäuser“ eignen, der interkonfessionell gestaltet werden könne. 

"Ein interreligiöser Feiertag, ein Sabbat-Tag
der Besinnung wäre gut für Deutschland“
Bischof Georg Bätzing, DBK-Vorsitzender

Der DBK-Vorsitzende hatte in einem Essay, der am Donnerstag auf der Homepage der Deutschen Bischofskonferenz sowie in der „Zeit“-Beilage „Christ und Welt“ veröffentlicht wurde, vorgeschlagen, an die „tiefgehende Erfahrung einer großen Unterbrechung“ während des Corona-Lockdowns mit einem interreligiösen Feiertag zu erinnern. „Ein interreligiöser Feiertag, ein Sabbat-Tag der Besinnung wäre gut für Deutschland“, schreibt Bätzing. Judentum, Christentum und Islam stünden in einer gemeinsamen Tradition der wöchentlichen Unterbrechung im Takt der sieben Tage. „Den Juden ist der Samstag heilig, unseren muslimischen Landsleuten der Freitag, uns Christen der Sonntag, der Tag der Auferstehung Christi.“

Deutschland, so Bätzing weiter, sei wirtschaftlich höchst erfolgreich, „aber manchmal kurzsichtig“, und habe den evangelischen Christen ihren Buß- und Bettag genommen. In einer Zukunft, die „bedroht ist durch Segmentierung und Spaltungen“, werde alles kostbar, was den Zusammenhalt fördere. „Wäre ein solcher Tag des Wir-Gefühls und der Besinnung für Gläubige und Ungläubige nicht ein wunderbares, heilendes Zeichen?“, fragt der Limburger Bischof.

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Bätzing erinnert an Vergänglichkeit menschlichen Lebens

In seinem Essay stellt Bätzing darüber hinaus auch allgemeine Betrachtungen zu den Monaten der Pandemie auf. Das Abstandsgebot, so Bätzing, habe „in einer Republik, in welcher der Zusammenhalt zum knappen Gut zu werden drohte, jenes ebenso lange nicht mehr gekannte Wir-Gefühl“ hervorgebracht. Dies sei beachtlich gewesen. All jenen, die in dieser Situation an einem Strang gezogen hätten, spricht er ein Kompliment aus. „Es ist gut, in einer Republik zu leben, in der es solche Tage gemeinsamer Vernunft gibt.“

Bätzing erinnert angesichts der Pandemie auch an die Vergänglichkeit des Menschen: „Der unerbittliche Zeitpfeil zeigt nur in eine Richtung und er wird uns alle einmal tödlich treffen.“ Dieses Wissen stelle jeden Menschen vor die vielleicht größte aller Fragen: Die Frage nach Tod und Leben und nach der künftig gewesenen Zeit. „Als Christinnen und Christen setzen wir auf das Versprechen von Ostern, einmal bei Gott zu sein, in der aufgehobenen Zeit, ihn zu schauen, nicht mehr nur wie in einem Spiegel und in rätselhaften Umrissen, sondern ihm gegenüber“, schreibt Bätzing.  DT/mlu/KNA

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