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Impressionen aus dem Erzbistum Mombasa

Wo Christus selbstverständlich zum Alltag gehört: Impressionen aus dem Erzbistum Mombasa.
Weihbischof Dominik Schwaderlapp
Foto: Privat | Weihbischof Dominik Schwaderlapp besucht die Empfängerin eines Mikrokredits. Die Witwe Margret (Mitte) verdient ihren Lebensunterhalt mit ihrer Hühnerzucht.

Mombasa ist nach Nairobi die zweite Millionenstadt Kenias und wirtschaftliches Zentrum des Landes. Die Hoffnung auf Arbeit und Einkommen zog und zieht Menschen aus allen Teilen des Landes an. Der Hafen – einer der größten Afrikas – und ansässige Industrie bieten Chancen auf einen Arbeitsplatz. Zudem gehören die „weißen Strände Kenias“ neben den Safaris in den Nationalparks zu den Touristenattraktionen, und der Tourismus selbst zu den größten Wirtschaftsfaktoren des Landes. Viele Menschen haben hier Arbeit gefunden und sich eine Existenz aufgebaut, vielen anderen aber ist dies nicht gelungen. Die Coronakrise hat zusätzlich viele Arbeitsplätze gekostet, ist doch allein der Tourismus komplett zum Erliegen gekommen.

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Mikrokredite

Die Erzdiözese Mombasa hat vor diesem Hintergrund ein Projekt initiiert, das unscheinbar und doch segensreich wirkt. Durch Gewährung von Mikrokrediten – weniger als 100 Euro – wird etwa 70 Menschen geholfen, wirtschaftlich wieder auf die Beine zu kommen. Neben meinen priesterlichen Diensten in der Pfarrei St. Mary in Changamwe, einem Stadtteil Mombasas, arbeite ich im Caritas-Team der Diözese mit, das unter anderem dieses Projekt begleitet. Und so besuchen wie die Empfänger dieser Darlehen, um zu hören und zu sehen, wie es ihnen geht.

Der Weg führt uns auch nach Likoni, einem weiteren Stadtteil Mombasas. Ein Gewirr von Straßen, die keinen Namen haben, führt uns schließlich zu einem winzigen Haus, in dem Margret wohnt. Margret ist Witwe, schon seit mehr als 15 Jahren. Sie lebt wesentlich vom Verkauf von Geflügel, das sie züchtet. Den Mikrokredit hat sie in den Ankauf von Futter investiert. Damit wurden für den Augenblick erst einmal die Kosten gesenkt und somit der Ertrag beim Verkauf der Hühner erhöht. Diesen Gewinn hat sie investiert um die „Produktion“ zu erhöhen. So konnte sie ihr Einkommen nachhaltig steigern.

Hühnerzucht aufgebaut

Wohl gemerkt: Wir reden hier von Erträgen deutlich unter 1 000,- Euro pro Monat! Mit einem gewissen Stolz zeigt sie, was sie erreicht hat und dankt für die Hilfe, die es ihr ermöglicht hat, wirtschaftlich wieder auf die Beine zu kommen. Es ist schön zu sehen, wie Hilfe zu Selbsthilfe nicht nur das Einkommen nachhaltig erhöht. Ich muss an Johannes Paul II. denken, der in seiner Enzyklika „Laborem exercens“ betont, dass die Arbeit wesentlich eine Frage der Würde des Menschen und der Verwirklichung seines Menschseins ist.  Aber die betagte Margret erzählt auch von ihren Nöten. Im vergangenen Jahr hat sie einen schweren Beinbruch erlitten, der eine neue Operation in naher Zukunft erfordert. Zudem hatte sie in den letzten Monaten schwer unter dem Dengue-Fieber zu leiden, dass ihre Kräfte nahezu aufgezehrt hat.

Und die Hühnerzucht ist auch kein „Selbstläufer“. Recht spontan wurde ich gebeten, ihr ein aufmunterndes Wort zu sagen. Ich fange an, nach Worten zu ringen und zu stammeln, bis sie sehr ruhig und überzeugend sagt: „Ich gehöre dem Herrn!“ Dabei strahlt sie ein solch tiefes Gottvertrauen aus, dass ich ihr nur noch sagen kann: „Danke für die Stärkung und Ermutigung im Glauben, die Sie mir geschenkt haben!“

Kein Einzelfall

Die Begegnung mit Margret ist kein Einzelfall. Allenthalben erlebe ich Menschen mit einem einfachen, praktischen und in den Alltag integrierten Glauben. Jesus Christus gehört hier selbstverständlich dazu und ist dabei. Keine Tasse Tee und Gebäck, ohne vorher zu beten.  Ganz selbstverständlich begrüßen sich die katholischen Christen mit „Gelobt sei Jesus Christus!“ und antworten „In Ewigkeit Amen“. Die Kirche ist dabei Ort und Gemeinschaft, die Christus in die Welt bringt. Man ist stolz, dazu zu gehören. Gänzlich fremd dagegen scheint den Menschen hier übrigens das Wort „Kirchenpolitik“ sein.

Die Pfarrei St. Mary? in Changamwe ist eine lebendige Pfarrei. Wie viele Katholiken sie umfasst, weiß niemand genau. Man spricht von etwa 4 000 Familien, nicht wenige leben in schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen. Allein 30 „kleine christliche Gemeinschaften“ mit je 10-15 Familien helfen, Glauben und Alltag zu verknüpfen. In diesen trifft man sich wöchentlich zum Gebet des Rosenkranzes, zum Betrachten der Heiligen Schrift – verbunden mit Austausch und gegenseitiger Hilfe. Zu diesen Zusammenkünften gehören ganz selbstverständlich Redebeiträge der Anwesenden.

Alltägliches Bekenntnis

Nicht selten beginnen sie mit folgendem kleinen, auch in anderen Zusammenhängen beliebten Dialog: Redner: „Gott ist gut!“ – Alle: „Allezeit!“ – Redner: „Und allezeit?“ – Alle: „Gott ist gut, und das ist seine Natur – wow!“ Das mag einstudiert und in unseren Ohren etwas fremd klingen. Und doch, hier bekennen sich Menschen ganz selbstverständlich zur Güte Gottes. Wenn dieses „Wow“ dann auch noch von Hunderten von Kindern in der Schulmesse „gebrüllt“ wird, geht das unter die Haut – und ebenso, wenn jemand mit Überzeugung „Wow!“ sagt, der gerade schweres Leid durchlebt.

Das Bekenntnis zu Christus ist kein frommer Zuckerguss, sondern Grundlage eines echten christlichen Lebens, das vom Gebet zur Tat führt. So starb neulich ein Mitglied des Kirchenchores. Sofort wurde eine Zusammenkunft einberufen, in der für die Witwe Geld gesammelt wurde, um die Bestattungskosten tragen zu können. Denn dafür ist in aller Regel kein Geld da. Aber es ist nicht bei dieser Kollekte geblieben. Wie selbstverständlich besuchte der Chor die Witwe, um mit ihr für den Verstorbenen zu beten. Dass die Gläubigen hier – wie wir alle – Sünder sind und der Barmherzigkeit Gottes bedürfen, muss ich nicht betonen – schon eher, dass das Bußsakrament alles andere als vergessen ist.

Menschen mit Jesus verbunden

In der Hirtenmesse am Morgen des Weihnachtsfestes hören wir aus dem Titusbrief: „Als aber die Güte und Menschenfreundlichkeit Gottes, unseres Retters, erschien, hat er uns gerettet – nicht aufgrund von Werken der Gerechtigkeit, die wir vollbracht haben, sondern nach seinem Erbarmen“ (Titus 3, 4–5). Dankbar erlebe ich hier viele Menschen, die tief mit unserem Retter Jesus Christus verbunden leben, und zwar alltäglich und selbstverständlich. Andererseits haben sie ein offenes Herz für ihre Mitmenschen, und packen an, wo es nötig ist. Ist nicht genau das unsere Berufung, auf diese Weise Zeugen der Güte und Menschenfreundlichkeit Gottes zu sein – egal wo und in welchem Stand wir leben? Solche Glaubenszeugen leben nicht nur hier, sondern auch bei uns, meist im Verborgenen, jenseits kirchenpolitischer Schlagzeilen. Ob in Mombasa oder daheim: Mit solchen Menschen verändert Gott das Antlitz der Erde! Gott ist gut, allezeit – wow!


Der Autor ist Weihbischof in Köln und arbeitet derzeit als Fidei-Donum-Priester im Erzbistum Mombasa/Kenia.

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