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Hiob: Ein Buch der Hoffnung

Das alttestamentliche Buch Hiob macht dem Leser auch heute Mut zur Krisenbewältigung im Glauben an Gottes Allmacht, meint die Psychotherapeutin Christa Meves. Im Leiden lernt Hiob viel über die Menschen und die Schöpfungsordnung. Wer in Krisen an Gott festhält, darf auf ein Happy-End hoffen.
Hiob und seine Freunde
Foto: imago stock&people | Hiob und seine Freunde, Chromolithographie aus einer Hausbibel.

Das Buch Hiob ist mir durch meine Arbeit als Psychotherapeutin wichtig geworden. Elternberichte über Tragödien ihres Lebens mit grausigen Unfällen, mit schicksalhaften Krankheiten und zerstörerischem Auftreten von Kinderbehinderungen ließen die Frage nach dem Umgang mit leidvollem Schicksal bei mir immer häufiger werden; denn oft wurde mir die Frage gestellt: „Warum geschieht mir nun dieses so schwere Schicksal?“ Nicht selten werfen mir Eltern sogar enttäuschte Sätze gegen die Kirche hin: „Nachdem ich bei dem Autounfall meine Familie verloren hatte, fand der Pfarrer keinen Trost für mich, sodass ich voll Bitterkeit der Kirche den Rücken gekehrt habe.“

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Gott lässt auch bei gläubigen Menschen Leid und Schmerz immer wieder zu

Solche Erlebnisse ließen mich zwar hauptsächlich in Christi Passion die Antwort suchen, aber darüber hinaus stieß ich immer wieder auf die Hiob-Geschichte; denn in ihr brandet doch die Frage geradezu hoch, warum ein liebender, himmlischer Vater den von ihm geliebten Menschen schweres Leid überhaupt zumutet. Die Hiob-Geschichte enthält diese Antwort, denn sie bringt eine der wenigen biblischen Aussagen, in denen Gott-Vater direkt das Wort ergreift – und zwar in zwei langen, ausführlichen Reden an den ihn anklagenden Hiob. Aber zu meinem Lieblingsbuch wurde diese Geschichte vor allem dadurch, dass die Antwort von Gott-Vater an Hiob „aus dem Wetter“ ähnlich mit Gleichnissen durchsetzt ist, wie wir sie zuhauf auch bei Christus finden.

Und diese Bildersprache hat – ähnlich wie in den nächtlichen Träumen – symbolischen Charakter. Deshalb bedürfen sie der Deutung. Darüber hinaus wird bereits am Anfang der Hiob-Geschichte die Frage nach dem Sinn des Leids thematisiert, und zwar in einem Dialog zwischen Gott und dem Teufel. Dort spricht der Teufel spottend und im Wissen um die Anfechtbarkeit des Menschen durch schweres Schicksal zu Gott: „Ist denn Hjob umsonst so gottesfürchtig? Hast du denn nicht selbst einen Zaun errichtet um ihn, sein Haus und all sein Eigentum ringsum? Das Werk seiner Hände hast du gesegnet, und sein Besitz dehnt sich im Lande aus. Doch strecke einmal deine Hand aus und rühre an all seinen Besitz. Wahrhaftig, er wird dir ins Angesicht fluchen!“ (Hjob 1, 9–11).
Aus dem dann in der Tat einsetzenden Unglück des Hiob lässt sich bereits erkennen, dass Gott sogar bei Menschen, die in gläubiger Redlichkeit leben, Leid und Schmerz immer einmal wieder zulässt.

„Wenn wir das Gute von Gott abnehmen, warum nicht auch das Böse?“

Wozu? Das will doch beantwortet sein. Zunächst: Hiob schwört seinem Glauben nicht ab, auch nachdem seine Existenz in Etappen vernichtet wird. Darauf verstärkt der Satan in einem erneuten Streitgespräch mit Gott seine Absichten: „Doch strecke einmal deine Hand aus und rühre an sein Gebein und Fleisch an. Wahrhaftig, er wird dir ins Angesicht fluchen“ (Hjob 2, 5). Und abermals lässt Gott das böse Satanswerk an Hiob zu. Trotz einer juckenden Hautkrankheit bleibt Hiob aber standhaft, obgleich sogar seine Frau verzweifelt und ihm den Tod wünscht. Er aber erwidert ihr: „Wenn wir das Gute von Gott abnehmen, warum nicht auch das Böse?“ (Hjob 2, 9–10).

Ein solches Schicksal angesichts großen Unglücks enthält in der Tat die teuflische Versuchung, das Vertrauen zu Gott fortzuwerfen wie einen geliebten Edelstein. Deshalb bleibt die Geschichte Hiobs und die Antwort, die er von Gott bekommt, immer noch hoch aktuell. Die Klagen von Hiob werden dann auch immer bitterer, ja, schließlich immer verzweifeltere Anklagen gegen Gott selbst; denn Hiob leidet jetzt nicht allein unter seiner grausamen Krankheit, sondern zusätzlich unter seinen sogenannten „Freunden“, die selbstgerecht die Krankheit als eine Strafe Gottes für seine „Sünden“ verstehen und ihn zu Umkehr und Buße bewegen wollen. Vom Schicksal Betroffenen geht es heute häufig nicht anders: Durch Menschen im Umfeld erleiden sie nicht selten taktlose Schuldzuweisungen. Dazu gibt es sogar versteckte Schadenfreude. Aber das Schuldproblem ist bei Hiob gar nicht das Thema. Denn hier soll uns vielmehr die Erkenntnis vermittelt werden, wie wenig sich Vorwürfe und Schuldzuweisungen vom Umfeld her als echte Freundeshilfe erweisen.

Erscheinen Gottes macht Hiob sein Unwissen bewusst

Hiobs Standfestigkeit wird stattdessen von Gott mit dessen direktem Erscheinen belohnt. Allerdings hat Gottes Antwort einen strengen pädagogischen Gusto, sodass Hiob zu dem Schluss kommt: „Ich weiß nun, dass du alles kannst, und kein Gedanke dir unmöglich ist ... Ich sprach ohne Einsicht, was mir zu wunderbar und ich nicht kannte. Nur durch Gerüchte wusste ich von dir. Jetzt aber hat mein Auge dich gesehen. Drum leiste Widerspruch ich und bereue auf Staub und Asche“ (Hjob 42, 1–6). Hiob hat durch die Antwort Gottes eine Erkenntnis erhalten, die es ihm möglich macht, sein Schicksal anzunehmen, ohne weiterhin mit Gott zu hadern. Wenn das möglich ist, so muss es für uns von brennendem Interesse sein zu erfahren, wie diese Antwort aussieht.

Das Erstaunliche ist nun, dass Gott in zwei langen Reden in herrlichen Bildern von der Schöpfung spricht. Aber diese Darstellung meint nicht allein eine Beschreibung grandioser Naturvorgänge, sondern weitet sich darüber hinaus in bildhafter Weise als eine Sinndeutung der Schöpfung aus. Ausführlich werden von Gott Wildtiere beschrieben: der Wildesel, das Wildpferd, der Vogel Strauß sowie Storch und Rabe. Die geniale Schöpfung besteht aus einer grandiosen Konstruktion auf dem Boden eines einheitlichen Lebensprinzips mit der Möglichkeit zur Artenvielfalt und ist damit letztlich ein Gegenwerk gegen die Finsternis, eine immerwährende Großtat unseres Gottes. Auf dem Boden von Glaubensfestigkeit ist infolgedessen allein Bewunderung und Anbetung angemessen.

Gott antwortet nicht direkt

In Gottes Reden „aus dem Wetter“ wird Hiob auf diese Weise zur Demut in Hinblick auf die Schöpfungsordnung und zu einer angemessenen Bereitschaft ihres Verstehens geleitet. Besonders unterstrichen wird das durch eine symbolische Beschreibung zweier Tiergestalten, dem Behemoth, der eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Nilpferd hat, und dem Leviathan, der häufig auch von den Exegeten als Krokodil verstanden wird. Aber beide Tiere lassen sich auch als Bilder für naturhafte Hauptantriebe des Lebens begreifen: in der Gestalt des Behemoth der schwergewichtige Nahrungstrieb mit dem Nahrungsgebot als dem Werkzeug zum Überleben: Der ganze Jordan kann durch sein Maul strömen, heißt es deshalb im Text. Er liege ruhig verborgen im Schilf und Sumpf. Außerdem ist der Fortpflanzungstrieb in Behemoth beheimatet: Seine Kraft ist „in seinen Lenden und seine Stärke in den Muskeln seines Bauches. Er strafft wie eine Zeder seinen Schwanz; die Sehnen seiner Schenkel sind verflochten. Er ist der Erstling der Werke Gottes“ (Hjob 40, 15).

Aber während Behemoth die riesige Masse vitaler Lebenskraft verkörpert, hat der Mensch darüber hinaus mit Leviathan zu leben. Was ist das für ein mächtiges Ungeheuer? In geradezu hymnischen Worten wird seine unermessliche, wilde Kraft besungen. Wo Leviathan aktiv wird, sprüht der Untergrund vor Feuer und das Land ist hinterher aschfahl und verbrannt. Dieses feurige Tier verkörpert den Geist der Aggression, der rohen, kreatürlichen Selbstbehauptung bis zur Vernichtung allen Umfelds. Auch in der Naturkraft von Vulkanen und Erdbeben ist diese Kraft enthalten wie in der grob-gewalttätigen Zornmöglichkeit der Männer des Homo sapiens.

Leid ist oft der Weg zu Gottes Nähe

Mein Lieblingsbuch hat ein befreiendes Happy End. Hiob hat verstanden, sein Leid ist der Weg zu Gottes Nähe und damit zu neuem Segen. Es gehört unabänderlich mit allen Geschöpfen in eine festgelegte Schöpfungsordnung unseres Schöpfers. In sie gilt es sich – selbst bei Schicksalsschlägen – vertrauensvoll einzuordnen. Die grobschlächtigen drei Freunde werden von Gott selbst mit materiellen Einbußen ihres Besitzes bestraft, Hiob werden Nachkömmlinge sowie ein hohes Alter in lebenssatter Zufriedenheit geschenkt. Durch solche Hoffnung kann die Hiob-Geschichte auch heute als Trost wirken.

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