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„Gott drängt uns zur Liebe“

In der Heimat Abrahams beschwört Papst Franziskus die Geschwisterlichkeit von Juden, Christen und Muslimen. Extremismus und Gewalt seien „Verrat an der Religion“, sagt der Papst in Ur. Interreligiöses Gebet nennt Abraham als „gemeinsamen Vater im Glauben“.
Papst Franziskus bei der Ausgrabungsstätte von Ur
Foto: Ameer Al Mohammedaw (dpa) | Papst Franziskus nimmt an einem interreligiösen Treffen in dem sumerischen Stadtstaat Ur teil, der in der Bibel als Heimat des Propheten Abraham erwähnt wird.

Den Terrorismus, die Gewalt und Zwangskonvertierungen hat Papst Franziskus bei einer interreligiösen Begegnung am Samstagvormittag in Ur scharf verurteilt. „Wir Gläubigen dürfen nicht schweigen, wenn der Terrorismus die Religion missbraucht“, sagte Franziskus am zweiten Tag seiner historischen Irak-Reise in der Heimat Abrahams. An der interreligiösen Begegnung in der Wüste, in unmittelbarer Nähe zur antiken Ruinenstadt Ur, nahmen nicht nur Christen mehrerer Konfessionen sowie schiitische und sunnitische Muslime teil, sondern auch Vertreter der religiösen Minderheiten der Mandäer, Jeziden und Sabäer.

Nach Rezitationen aus der Bibel und dem Koran rief Papst Franziskus die „Nachkommen Abrahams und Vertreter verschiedener Religionen“ zur Geschwisterlichkeit auf: „Gott drängt uns zur Liebe.“ Wenn der Mensch Gott ausschließe, bete er „am Ende die Götzen seiner Hände an“. Die Gläubigen seien aufgerufen, Gottes Güte zu bezeugen und seine Väterlichkeit durch Geschwisterlichkeit sichtbar zu machen. Seine „Botschaft der Einheit“ verband der Papst mit einem Appell: „Gott ist barmherzig und die größte Beleidigung und Lästerung ist es, seinen Namen zu entweihen, indem man den Bruder oder die Schwester hasst. Feindseligkeit, Extremismus und Gewalt entspringen nicht einer religiösen Seele – sie sind Verrat an der Religion. Wir Gläubigen dürfen nicht schweigen, wenn der Terrorismus die Religion missbraucht!“

Papst Franziskus:  Interreligiösen Begegnung in Ur
Foto: Vatican Media

Papst Franziskus kritisiert die Vergötzung des Geldes

Der Papst erinnerte an die Gewalt gegen Christen und Jeziden, an den Terrorismus, der im Irak „auf barbarische Weise“ Kirchen, Klöster und Gebetsstätten verschiedener Gemeinschaften zerstört habe. Er würdigte zugleich, dass Christen und Muslime heute gemeinsam Kirchen und Moscheen restaurieren. Im Gebet gedachte er auch des „gepeinigten Nachbarlandes Syrien“.

Mit Blick auf die Corona-Pandemie warnte der Papst in Ur vor Abschottung und der Errichtung von Mauern. Wörtlich sagte Franziskus: „Es wird uns nicht die Vergötzung des Geldes retten, die uns verschließt und Abgründe der Ungleichheit hervorbringt“. Konsumismus betäube den Verstand und lähme das Herz. Zu viele Menschen seien ohne Brot, Medizin, Bildung, Rechte und Würde: „Es liegt an uns, Licht in die zwielichtigen Machenschaften rund um das Geld zu bringen und mit Nachdruck einzufordern, dass das Geld nicht immer nur dem maßlosen Wohlstand einiger weniger dient.“

Nach der Ansprache des Papstes wurde ein „Gebet der Kinder Abrahams“ verlesen, zu dem sich alle Anwesenden erhoben. An den allmächtigen Gott und Schöpfer gerichtet heißt es darin: „Wir, die Söhne und Töchter Abrahams, die dem Judentum, dem Christentum und dem Islam angehören, danken dir zusammen mit anderen Gläubigen und allen Menschen guten Willens, dass du uns Abraham, einen berühmten Sohn dieses edlen und geschätzten Landes, als gemeinsamen Vater im Glauben geschenkt hast.“

 

Katholisch-schiitisches Spitzentreffen in Najaf

Papst Franziskus zu Besuch im Irak
Foto: Vatican Media (AP) | Papst Franziskus unterhält sich mit dem Großajatollah Ali al-Sistani. Papst Franziskus hat am zweiten Tag seiner Reise den höchsten schiitischen Geistlichen im Irak, Großajatollah Ali al-Sistani, getroffen.

Zu einer christlich-islamischen Spitzenbegegnung kam es zuvor am frühen Samstagmorgen im schiitischen Pilgerort Najaf im Herzen des Irak: Papst Franziskus stattete dem geistlichen Oberhaupt der irakischen Schiiten, Großayatollah Ali al-Sistani, einen Höflichkeitsbesuch ab. Der 1930 im Iran geborene, aber im Alter von 20 Jahren ausgewanderte, nunmehr 90jährige Großayatollah steht nicht nur an der Spitze der schiitischen Hochschule von Najaf, sondern gilt als große geistliche Autorität für die Schiiten weit über den Irak hinaus. Im Gegensatz zu den iranischen Ayatollahs beansprucht er keine politische Macht, sondern gilt als Befürworter des säkularen Staates wie auch des religiösen Pluralismus. Al-Sistani rief 2014 zur Einheit aller politischen Kräfte im Kampf gegen den Terror des sogenannten „Islamischen Staates“ auf.

Der Vatikan verzichtete auf eine Liveübertragung der historischen Begegnung, die in der Residenz des Großayatollahs im Wallfahrtsbezirk der „Imam Ali-Moschee“ stattfand. Wie der Vatikan mitteilte, dankte der Papst dem Großayatollah dafür, dass er stets die Heiligkeit des menschlichen Lebens und die Bedeutung der Einheit des irakischen Volkes bekräftigt habe. DT/sba

 


 

Die Tagespost berichtet umfassend vom Besuch des Papstes im Irak

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Lesen Sie eine ausführliche Analyse des Besuchs von Papst Franziskus im Irak am kommenden Donnerstag in Ihrer „Tagespost“.

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