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„Gehorsam hat Grenzen“, sagt Louis-Marie de Blignières zu Traditiones custodes

In einem Interview mit dem Prior der katholischen Fraternité Saint-Vincent-Ferrier gibt Pater Louis-Marie de Blignières seine Einschätzung zu den neuesten Entwicklungen um das Motu proprio Traditionis custodes.
Louis-Marie de Blignières
Foto: Peter Potrowl /Wikimedia (CC-BY-SA-3.0) | Louis-Marie de Blignières: „Wir sind an unseren eigenen Ritus gebunden, an den Reichtum des alten dominikanischen Ritus, mit dem uns die Kirche betraut hat."

Die französische Tageszeitung Présent führte im Hinblick auf die jüngsten Erläuterungen der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung zum Motu proprio „Traditionis Custodes“ – die „Responsa ad dubia“ (Antworten auf Zweifel) - ein Gespräch mit dem Prior der altritualistischen französischen Bruderschaft Saint-Vincent-Ferrier, Pater Louis-Marie de Blignières. Die Fraternité ist in Chémeré-le-Roi im Departement Mayenne beheimatet.

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Keine Bedeutung für altrituelle Gemeinschaften

Nach Aussage kompetenter Kirchenrechtler hätten die durch das Motu proprio eingeführten Verbote „keine direkten Auswirkungen“ auf Gemeinschaften wie die Fraternité Saint-Vincent-Ferrier, meint Pater de Blignières, da diese durch ein Eigenrecht geregelt seien- durch von der Kirche approbierte Dekrete über die Errichtung und Konstitutionen. Dieses Recht enthalte die Verwendung der vier traditionellen Bücher: Missale, Brevier, Rituale und Pontifikale. Dennoch: „Indirekt haben diese Responsa einen Einfluss auf unsere Institute!“, betont de Blignières. Einerseits könnten die Bischöfe mehr zögern, „das frühere Pontifikale für unsere Ordinationen zu verwenden. Andererseits wird das Apostolat der Institute bei den Gläubigen stark betroffen sein, vor allem durch das Verbot der Firmung in der alten Form“.

De Blignières erläutert in Présent das Festhalten seines Instituts daran, die heilige Messe ausschließlich im traditionellen Ritus zu feiern: „Wir sind an unseren eigenen Ritus gebunden, an den Reichtum des alten dominikanischen Ritus, mit dem uns die Kirche betraut hat. Dass wir froh darüber sind, uns ihm zu widmen, dann auch deshalb, weil die Liturgiereform von Paul VI. die Wirklichkeit der Realpräsenz, den Wesensunterschied zwischen dem allgemeinen Priestertum der Gläubigen und dem hierarchischen Priestertum sowie den Sühneopfercharakter der Messe kaum hervorhebt“. Die Kirche habe 1988 bei der Errichtung der Bruderschaft als Institut päpstlichen Rechts „uns die vollständige Freiheit gelassen, gemäß dem traditionellen Ritus zu zelebrieren“, ergänzt de Blignières.

Grenzen des Gehorsams

Der Prior habe keinesfalls das Gefühl, eine essentielle Regel der Kirche zu verletzen, weil er die Feier der Messe und der Sakramente nach dem von Paul VI. reformierten Missale und den Ritualen ablehnt: „Der Gehorsam ist eine Tugend, die einen eindeutig festgelegten Charakter und klar definierte Grenzen hat“, erklärt Pater de Blignières. Ebenso wenig, wie man von einem Jesuiten verlangen könnte, ein dominikanisches Leben zu führen, könne man „von den Angehörigen unseres Institutes verlangen, das Charisma zu verleugnen, auf das sie ihr Gelübde abgelegt haben“.

Ob er das Gefühl habe, durch das Motu proprio verraten worden zu sein? „Ich fürchte, dass es in diese Richtung geht“, entgegnet der Prior. Doch gegenüber dem Gefühl des Verrates „überwiegt die Freude, für eine schöne und große Sache zu leiden. Es ist die Ehre, für eines der größten Güter zu kämpfen, das der Herr seiner Kirche hinterlassen hat“. Als Quellen, aus denen de Blignières schöpft, um sich der Preisgabe der traditionellen Form des Ritus entgegenzustellen, nennt der Pater: „Das Naturrecht, das zur Beachtung der gegebenen Zusagen verpflichtet. Die Natur der Tradition in der Kirche, was dazu führt, dass die alten Riten ein unaufgebbares Erbe sind. Unser von der Kirche approbiertes Eigenrecht. Und schließlich die unerschütterliche Entschlossenheit zu einer zweifachen Treue: Niemals die hierarchische Kommunion mit dem Papst und den Bischöfen zu verlassen. Niemals ein heiliges Erbe aufzugeben, das unsere Freude bewirkt und so vielen Gläubigen das Heil bringt“.

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Autoritäre Hierarchie

Ähnlichkeiten mit den Reformen der Siebzigerjahre erkennt Pater de Blignières in dem damaligen „Versuch, traditionelle liturgische Formen abzuschaffen – ein Versuch, der von der Hierarchie selbst unternommen wurde. Dies vor allem mit einem erstaunlichen Autoritarismus, der in einem eklatanten Widerspruch zu anderen Aspekten des offiziellen Diskurses (Dialog, Synodalität…) stand“.

Als Unterschiede zur damaligen Situation hebt der Prior der Fraternité Saint-Vincent-Ferrier hervor: „Die Reformen, die man in den Siebzigerjahren auferlegt hat, haben die Früchte, die ihre Urheber von ihnen erhofften und ankündigten, kaum erbracht. Die Diözesen haben sich weitgehend von ihren praktizierenden Gläubigen und ihren Finanzen geleert. Der reformerische Enthusiasmus ist entschwunden. Im Vergleich dazu hat die traditionelle Glaubenspädagogik beachtliche Früchte erbracht“. Die Traditionalisten von 2021 seien deutlich zahlreicher als die „Fundamentalisten (so nannte man sie damals…)“ der Siebzigerjahre, und sie seien organisiert, erfahren im Handeln und vereinter als damals, meint Pater de Blignières. Zudem hätten viele Bischöfe ihre positive Seite kennengelernt: „Diese Bischöfe schätzten den relativen Frieden, der durch die Maßnahmen von Johannes Paul II. und Benedikt XVI. eingekehrt ist. Sie leiten nur schwach den Druck aus Rom weiter – vor 40 Jahren war das nicht der Fall“. DT/ks

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