Auf die Frage nach der Einhaltung der Grundsatz-Charta des Islam in Frankreich hat der französische Innenminister Gérald Darmanin laut der katholischen Wochenzeitschrift "France Catholique" erklärt, dass die Gläubigen das Gesetz der Republik als über dem Gesetz Gottes stehend betrachten müssten.
Natürlich sei dieser Satz auf den Islamismus gemünzt gewesen, erläutert Marc Aillet, Bischof von Bayonne, im Gespräch mit derselben Zeitung. Zumindest „insofern, als der Islamismus bei uns die Anwendung der ‚Scharia‘ für sich beansprucht, die der Islam als ein göttliches Gesetz einfordert, das den Muslimen in der irdischen Polis auferlegt wird“. Man müsse aber sagen, „dass das Politische und das Religiöse im Islam total ineinander verschachtelt sind“.
Mit der Neutralität des Staates gebrochen?
Doch wenn der Innenminister „unter Beschuss der Kritiker seine Aussage uneingeschränkt verteidigt“, dann „dehnt er sie offenbar auf alle Religionen aus“. Damit breche er mit der Neutralität des Staates und führte die Menschen von einer Regelung, bei der Staat und Religion getrennt sind, in eine „Regelung der Unterordnung“.
Darmanins Bemerkung sei „in diesem Sinne inakzeptabel, da sie schlechterdings dazu führt, die Gewissensfreiheit zu leugnen“, stellt Bischof Aillet fest. Denn „wenn Gott existiert – was eine bedeutende Zahl der Bürger glaubt –, dann könnte sein Gesetz nicht der Republik unterworfen werden“, da die Gefahr bestehe, die Gewissensfreiheit zu beeinträchtigen, „die im Übrigen von der Verfassung garantiert wird“. Für uns Katholiken „ist das Gesetz Gottes im Gewissen des Menschen eingeschrieben – es tritt nicht an die Stelle des menschlichen Gesetzes, stellt jedoch die letzte Instanz dar“.
Der Bischof fährt fort: „Die Republik ist im Wesentlichen eine Organisationsform der politischen Macht, die heute im Allgemeinen mit der Demokratie deckungsgleich ist. Doch hier wäre sie zu einer Art Hypostase, ja sogar zu einer wirklichen ‚Göttin‘, geworden, die den Bürgern eine Ideologie aufzwingen könnte, die ihr gesamtes Leben umfasst. Doch die Republik könnte in keinem Fall das gesamte Leben des Menschen umspannen, ohne dessen Grundfreiheiten erheblich zu beeinträchtigen“.
Positivistische Auffassung vom Gesetz
Eine solche Haltung sei bezeichnend, so der Bischof weiter, „für eine Kultur, die geprägt ist von einer Art Humanismus, der von einem, der Transzendenz verschlossenen, Immanenzdenken gekennzeichnet ist, bei dem der Staat das gesamte Leben der Bürger zu bestimmen beansprucht“. Doch eine derartige Haltung sei auch kennzeichnend für eine „positivistische Auffassung vom Gesetz, bei der die Beurteilung von Gut und Böse allein von der Willkür des Fürsten oder einer demokratisch gewählten Mehrheit abhinge. Der ehrwürdige Pius XII. prangerte diesen juristischen Positivismus an als einen ‚Irrtum, der dem Staatsabsolutismus zugrunde liegt und der einer Vergöttlichung des Staates gleichkommt‘“ (Ansprache an das Gericht der Römischen Routa, 13. November 1949). DT/ks
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