Seit Dienstag ist die Debatte um die Aufarbeitung von Missbrauchsfällen in Kirchenkreisen um eine wesentliche Facette reicher. Zu verdanken ist das dem Brandenburger Geistlichen Matthias Patzelt, der beim öffentlichen Hearing über den Missbrauchsbericht des Erzbistums Berlin den Mut bewies, ein Tabu zu brechen: Auch die Sicht der Priester muss Beachtung finden.
Viele unbescholtene Geistliche unter Generalverdacht
Das betrifft nicht nur den Generalverdacht, dem viele unbescholtene Geistliche inzwischen durch die undifferenzierte Kritik an der Institution Kirche im Allgemeinen und ihrer Lebensform im Besonderen ausgesetzt sind, sondern auch die Arbeit der Hirten an sich. Ist es für die Seelsorge hilfreich, wenn Geistliche vorsichtshalber die Kinder- und Jugendarbeit reduzieren oder verstärkt an Laien delegieren und beispielsweise keine Fahrten mit Minderjährigen mehr unternehmen?
Auch das Binnenklima im Klerus ist nicht unzerstörbar. Das Beispiel Berlin zeigt pars pro toto, wie das Vertrauen von Priestern zu ihrem Bischof schwer belastet werden kann. Wer vertraulich erteilte Hinweise an den Bischof Jahre später im Internet nachlesen muss, stellt zu Recht die Vertrauensfrage an den Hirten. Gerade in Ostdeutschland, wo der Zusammenhalt unter den Katholiken jahrzehntelang eine Überlebensfrage für die kleine Herde war, wiegt dieser Vertrauensbruch schwer.
Nicht zuletzt wird auch für die Gläubigen nicht mehr erkennbar, dass der Bischof für seine Priester eigentlich ein geistlicher Vater sein soll. Es ist selbstzerstörerisch für die Kirche, die öffentliche Diffamierung von Geistlichen weitgehend unwidersprochen hinzunehmen, obwohl jeder um die Unbescholtenheit der überwältigenden Mehrheit katholischer Geistlicher weiß. Wenn die Beschäftigung mit dem Berliner Missbrauchsbericht endlich zu dem öffentlichen Eingeständnis führt, dass auch Priester zu den Betroffenen und schwer Geschädigten der Missbrauchskrise gehören, wäre das ein echter Fortschritt.
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