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Andacht voller Verheißung

Warum die fünf ersten Sühnesamstage von Fatima aus weltweit die Marienfrömmigkeit geprägt haben. Von Manfred Hauke

Das wichtigste Anliegen, das ein Mensch haben kann, ist die Teilhabe am ewigen Leben Gottes. „Lieber Gott, mach mich fromm, dass ich in den Himmel komm.“ So lautet ein altes Gebet für Kinder, dessen Sinngehalt auch Erwachsenen naheliegen sollte. Im dreifachen „Geheimnis“ vom 13. Juli 1917 macht Maria aufmerksam auf die Gefahr, das Heil nicht zu erlangen (Höllenvision), weist aber auch auf kräftige Mittel, den Lebensweg vor Gott in die ewige Freude einmünden zu lassen. Dazu gehört das Gebet des Rosenkranzes, der ein Kompendium des gesamten Evangeliums darstellt, aber auch die Weihe an ihr Unbeflecktes Herz. Sie werde wiederkommen, um die Weihe Russlands zu erbitten und „die Sühnekommunion an den ersten Samstagen“.

Die Botschaft bezüglich der ersten Samstage ist identisch mit der später so genannten „großen Verheißung“, die Schwester Lucia am 10. Dezember 1925 im spanischen Pontevedra empfing. Am 16. Juni 1921 erlebte die Seherin ihre am 13. Juli 1917 vorausgesagte siebte und letzte Marienerscheinung in der „Cova da Iria“: „Setze den Weg fort, den der Bischof dich führen wird. Das ist der Wille Gottes.“ Gemäß der Empfehlung des Bischofs besuchte sie 1921–25 das Internat der Dorotheerinnen in Porto, wobei die Identität der Seherin der Öffentlichkeit verborgen blieb. Lucia hatte den Wunsch, Karmelitin zu werden. Weil dieses Ziel zu entlegen schien – alle Klöster des Ordens waren vom laizistischen Staat geschlossen worden –, folgte sie dem Rat, dem Orden der Dorotheerinnen beizutreten.

Da die kirchenfeindlichen Gesetze noch galten und auch die Dorotheerinnen nur informell und ohne offizielle Niederlassung und ohne Ordenskleid wirken konnten, verbrachte Lucia ihre Zeit als Postulantin und Novizin in den nächst gelegenen Häusern des Ordens in Spanien, in Tuy und Pontevedra. 18 Jahre war sie alt, als am 10. Dezember 1925 in ihrer Zelle des Noviziates auf einmal ein helles Licht aufstrahlte. Es erschienen ihr die Gottesmutter und das Jesuskind, wie sie 1927 ihrem Beichtvater berichtete: „Am 10. Dezember 1925 erschien die Heiligste Jungfrau in Pontevedra und seitlich, in einer leuchtenden Wolke, ein Kind. Die Heiligste Jungfrau legte ihr die Hand auf die Schulter und zeigte ein von Dornen umgebenes Herz, das sie in der anderen Hand hielt. Das Kind sagte: ,Habe Mitleid mit dem Herzen deiner heiligsten Mutter, umgeben von Dornen, mit denen die undankbaren Menschen es ständig durchbohren, ohne dass jemand einen Sühneakt machen würde, um sie herauszuziehen‘. Darauf sagte die Heiligste Jungfrau: ,Meine Tochter, sieh mein Herz umgeben von Dornen, mit denen es die undankbaren Menschen durch ihre Lästerungen und Undankbarkeiten ständig durchbohren. Bemühe wenigstens du dich, mich zu trösten und teile mit, dass ich verspreche, all jenen in der Todesstunde mit allen Gnaden, die für das Heil dieser Seelen notwendig sind, beizustehen, die fünf Monate lang jeweils am ersten Samstag beichten, die heilige Kommunion empfangen, einen Rosenkranz beten und mir während 15 Minuten durch Betrachtung der 15 Rosenkranzgeheimnisse Gesellschaft leisten in der Absicht, mir dadurch Sühne zu leisten‘.“

Der Hinweis auf die Herzen Jesu und Mariens findet sich bereits 1916 in dem Gebet, das der Schutzengel von Portugal die Seherkinder gelehrt hatte. Der Engel hatte Jacinta und Francisco den Kelch mit dem Blut Christi gereicht: „Empfangt den Leib und trinkt das Blut Christi, der durch die undankbaren Menschen so furchtbar beleidigt wird. Sühnt ihre Sünden und tröstet euren Gott“ (Zweite Erinnerung II, 2). Das Herz Mariens geriet in den Blickwinkel der Seher am 13. Juni 1917. Maria tröstete Lucia, die von ihrer eigenen Mutter und ihren Schwestern der Lüge verdächtigt wurde: „Du leidest viel? Verliere nicht den Mut! Ich werde dich niemals verlassen. Mein Unbeflecktes Herz wird deine Zuflucht sein und der Weg, der dich zu Gott führen wird“ (Zweite Erinnerung II, 4). Am 13. Juni 1917 zeigte sich Maria den Kindern mit einem Herzen in der Hand und ließ ein großes Licht erstrahlen. Lucia erkannte sich in dem Licht, das sich zur Erde ergoss, während Francisco und Jacinta in dem Licht auftauchten, das zum Himmel emporstieg (Vierte Erinnerung I, 5). Schon 1927 erläutert Schwester Lucia ihrem Beichtvater diese Vision mit den Worten der Gottesmutter: „Jacinta und Francisco werde ich in Kürze mitnehmen, doch du musst noch etwas länger hierbleiben. Jesus will sich deiner bedienen, um mich bekannt und geliebt zu machen. Er will in der Welt die Andacht zu meinem Unbefleckten Herzen begründen. Wer sie übt, dem verspreche ich das Heil, und die Seelen werden von Gott geliebt sein wie Blumen, die von mir hingestellt sind, um seinen Thron zu schmücken.“

Die Tatsache, dass Lucia länger lebte als ihre früh vollendeten Verwandten, wird hier mit der Verbreitung der Andacht zum Unbefleckten Herzen Mariens verbunden. Das gilt besonders für die „große Verheißung“ in Pontevedra. Die Aufmerksamkeit für eine Marienandacht am Samstag ist an sich nichts Neues. Der Samstag ist ein Marientag im Westen schon seit der Karolingerzeit. Papst Leo XIII. versah die Praxis einiger Rosenbruderschaften, 15 aufeinander folgende Samstage besonders zu heiligen, mit einem vollkommenen Ablass. 1905 verlieh Papst Pius X. einen vollkommenen Ablass allen Gläubigen, die an zwölf aufeinander folgenden ersten Samstagen oder ersten Sonntagen eines Monats eine gewisse Zeit dem mündlichen oder betrachtenden Gebet zur Ehren der makellosen Jungfrau widmen (unter den üblichen Bedingungen: Beichte, Kommunion und Gebet in den Anliegen des Heiligen Vaters).

Am 13. Juni 1912 führte Pius X. weitere Ablässe ein für jeden ersten Monatssamstag; sie galten allen Gläubigen, die irgendeine fromme Andacht verrichten „im Geist der Sühne (reparatio) zur Ehren der Unbefleckten Jungfrau“. Fünf Jahre später, am 13. Juni 1917, deutet sich in Fatima das Thema der Sühne beziehungsweise Wiedergutmachung gegenüber dem Unbefleckten Herzens Mariens an.

Die große Verheißung der Gottesmutter setzt an bei der schon üblichen Beachtung der ersten Monatssamstage. Sie macht die fromme Übung freilich leichter – fünf aufeinander folgende Samstage und nicht zwölf. Vor allem verheißt sie noch mehr als bloß einen vollkommenen Ablass aller Sündenstrafen, der sich eine auf bestimmte irdische Situation nach einer reuigen Beichte bezieht, sondern sie verspricht den Gnadenstand angesichts des Todes. Eine größere Verheißung kann es für unseren irdischen Pilgerweg nicht geben. Vergleichbar ist sie mit der Praxis der ersten neun Monatsfreitage im Anschluss an die mystischen Erfahrungen der heiligen Margareta Maria Alacoque (17. Jahrhundert): „Ich verspreche dir in der übergroßen Barmherzigkeit meines Herzens, dass meine allmächtige Liebe allen jenen, die neun Monate nacheinander am ersten Freitag kommunizieren, die Gnade eines bußfertigen Endes gewähren wird, dass sie nicht in meiner Ungnade und ohne ihre Sakramente zu empfangen sterben werden, indem sich mein göttliches Herz als ihre sichere Zufluchtsstätte erweisen wird im letzten Augenblick.“

Niemand ist verpflichtet, an die genannten Verheißungen zu glauben. Sie sind freilich glaubwürdig durch ihre Verbindung mit dem heiligen Leben der Menschen, die von Gott besondere Gnadengaben empfangen haben. Die der heiligen Margareta Maria offenbarten Ratschläge haben in der Kirche eine breite Rezeption gefunden. Die Schwester Lucia in Pontevedra nahegelegte Andacht wurde 1939 durch den Bischof von Leiria, der sich für die Seherin verantwortlich wusste, kirchlich approbiert. Sie hat sich über die ganze Welt verbreitet und verdient eine noch weitere Förderung. Sie besteht aus fünf Punkten: Erstens: Der Empfang des Bußsakramentes, der auch einige Tage zuvor erfolgen kann. Wer monatlich gut vorbereitet beichtet, bleibt in der Freundschaft mit Gott lebendig. Zweitens: Die heilige Kommunion, die uns innig mit dem gekreuzigten und auferstandenen Christus verbindet. Drittens: Das Gebet eines Rosenkranzes (womit die Rezitation von fünf Gesätzen gemeint ist). Viertens: Das betrachtende Gebet: 15 Minuten der Gottesmutter Gesellschaft leisten, um dabei die Rosenkranzgeheimnisse zu betrachten. Das bedeutet nicht unbedingt, alle 15 (oder, wie heute, 20) Geheimnisse zu bedenken. Schwester Lucia selbst hat sich an jedem ersten Monatssamstag jeweils auf ein einziges Geheimnis konzentriert. Fünftens: Der die vier zuvor genannten Punkte umgreifende Geist der Sühne, die sich nicht nur auf Jesus richtet (sein Heiligstes Herz, wie schon im Gebet des Engels), sondern auch auf Maria (auf ihr Unbeflecktes Herz).

Der fünfte Punkt setzt voraus, dass Maria am Erlösungswerk ihres Sohnes mitgewirkt hat. Die Dornen, von denen die Vision spricht, beziehen sich auf das mütterliche Mitleiden Mariens auf Erden. Wir können sie „trösten“, indem wir ihren Weg an der Seite Christi betrachten und die Sünden sühnen, die wir selbst und andere begangen haben. Dadurch ziehen wir gleichsam die „Dornen“ aus ihrem „Herzen“. Die Herz-Jesu-Enzyklika von Papst Pius XI. (Miserentissimus Redemptor, 1928) bezieht unser „Trösten“ Jesu auf dessen Gottesschau, kraft derer er auch am Kreuz die Menschen wahrnahm, die ihn in Zukunft trösten würden durch ihr Glaubensleben. Maria, die Glaubende, hat Gott erst im Himmel geschaut. Möglich ist freilich auf Erden ein prophetisches Wissen, das sich erahnen lässt im Leben einiger großer Heiliger (wie der heiligen Veronica Giuliani).

Als der jesuitische Beichtvater Schwester Lucia 1930 fragte, warum es sich ausgerechnet um fünf erste Samstage handele, nicht aber um neun oder sieben, antwortete die Seherin offen heraus: „Ich weiß es nicht“. Im Gebet vor dem Allerheiligsten, in der Nacht vom 29. zum 30. Mai 1930, erhielt sie freilich eine Antwort von Christus. Die Zahl „fünf“ betreffe die Lästerungen (1) gegen die Unbefleckte Empfängnis Mariens, (2) ihre Jungfräulichkeit (3) und ihre Gottesmutterschaft, wozu auch ihre Ablehnung als Mutter der Menschen gehöre. Viertens gehe es um die Sühne für diejenigen, die den Kindern die Gleichgültigkeit, die Verachtung oder sogar den Hass gegen die makellose Mutter einzuflößen suchen. Fünftens betreffe es diejenigen, die Maria direkt in ihren Bildern beleidigen. Der zeitgenössische Hintergrund in Portugal wird bestätigt durch die laizistische Presse noch der zwanziger Jahre, die zahlreiche unflätige Artikel gegen die Gottesmutter veröffentlichte.

Der heilige Papst Johannes Paul II. starb an einem ersten Monatssamstag, während auf dem Petersplatz der Rosenkranz im Geiste der Botschaft von Fatima gebetet wurde. Vielleicht ist dieses Zusammentreffen als Ermunterung der göttlichen Vorsehung sehen, der Praxis der ersten Monatssamstage in der Seelsorge einen wichtigen Platz zu geben. Wo das betrachtende Gebet geübt wird, wo Menschen sich von Maria zu Jesus führen lassen, wo sie Abstand nehmen von der Sünde im Bußsakrament, wo sie sich mit Christus verbinden in der Kommunion, da werden Voraussetzungen geschaffen für ein kräftigeres Aufstrahlen des Reiches Gottes, der Königsherrschaft Christi und damit auch– wie es die Gottesmutter am 13. Juli 1917 formulierte – für den „Triumph“ ihres Unbefleckten Herzens.

 
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