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Vom Futtertrog zur Weihnachtskrippe

Über Geschichte und Theologie einer Weihnachtstradition.
Weihnachtskrippe: Geburtsgrotte in Bethlehem
Foto: KNA | Hier liegen die Ursprünge der Weihnachtskrippen: Eingang zur Geburtsgrotte in Bethlehem.

Wenn wir zu Weihnachten die Figur des Jesuskindes hineinlegen, beginnt gleichsam das Herz der Krippe zu schlagen“, schrieb Papst Franziskus am Anfang der Adventszeit im Apostolischen Schreiben „Admirabile signum“, in dem er über die theologische Tiefendimension der heute oft als volkstümlich belächelten Weihnachtskrippe reflektiert. Parallel zu seinen Gedanken ließ er aus Rom ein fingerlanges Holzstück nach Betlehem überführen, das Teil der Krippe ist, die in den 640er Jahren der Jerusalemer Patriarch Papst Theodor I. schenkte und in der gemäß der Tradition Jesus Christus nach seiner Geburt in Windeln gelegen haben soll. Sowohl diese Reliquie als auch die in der Adventszeit in Kirchen und Wohnzimmern, auf Marktplätzen aufgestellten Weihnachtskrippen lassen das Undenkbare, dass Gott als ein hilfloser Säugling auf die Welt gekommen ist, auf je eigene Art und Weise in der Gegenwart greifbar werden.

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Dass in Windeln gewickelte Jesuskind, das in einem Futtertrog liegt, ist zum zentralen Bild für die Botschaft des Weihnachtsfestes geworden – auch wenn es im Neuen Testament nur im Evangelium nach Lukas so beschrieben ist. Der Apostel Paulus thematisiert die Geburt Jesu nur in einem Nebensatz und erwähnt auch Bethlehem als Geburtsort nicht. Der Evangelist Matthäus kennt keine Suche nach einer Herberge, und Maria bringt ihr Kind im Hauses Josefs in Bethlehem zur Welt. Doch in Lukas 2, 7 steht geschrieben: „Sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz für sie war.“ Ein näherer Blick, nicht in diese Wiedergabe durch die revidierte Einheitsübersetzung, sondern in den zugrunde liegenden griechischen Text zeigt, dass dieser Vers eine andere Szenerie darstellt, als man es heute in Krippenspielen und Weihnachtskrippe gewohnt ist.

Krasser Kontrast: Christus, der Herr im Futtertrog

Das Wort „Herberge“ legt eine kommerzielle Gaststätte nahe, die Verwendung des zugrunde liegenden griechischen Wortes bei Lukas verweist jedoch auf die Bedeutung „privates Gastzimmer“. Es handelt sich um einen Raum in einem Privathaus, in dem Reisende aus Gastfreundschaft aufgenommen wurden und übernachten konnten. Bethlehem war in der damaligen Zeit ein unbedeutendes Dorf und in den Bauernhäusern schliefen die Familie und die Nutztiere im selben Gebäude – die Menschen im ersten Stock über dem darunter untergebrachten Vieh, wo auch das Jesuskind seinen Ort in der „Krippe“ findet. Dieses deutsche Wort bezeichnet einen hölzernen Futtertrog. In der Sprachwelt des Neuen Testaments ist damit ein aus Häcksel und Erde hergestellter oder aus Stein geschlagener Futtertrog gemeint. Er ist im Evangelium nach Lukas der Erkenntnisort, dass Jesus, der Christus, der erhoffte Herr und Retter ist – die Engel verkünden den Hirten: „Und das soll euch als Zeichen dienen: Ihr werdet ein Kind finden, das, in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegt.“ Dieser theologische Kontrast zwischen „Futtertrog“ und „Christus, der Herr“ könnte nicht größer sein, doch dies ist die erzählte Realität der Geburt Jesu.

Dass im Evangelium nach Lukas der gerade geborene Christus in eine Krippe gelegt wird, könnte eine theologische Auslegung einer Prophezeiung aus dem Buch des Propheten Jesaja sein. Bereits im vierten Jahrhundert nach der Geburt Jesu finden sich erste bildliche Darstellungen, die Ochs und Esel an der Krippe zeigen, so wie es auch heute noch in den Weihnachtskrippen Tradition ist, obwohl diese Tiere im neutestamentlichen Text nicht erwähnt werden. Eine direkte intertextuelle Verbindung bietet dann das wahrscheinlich aus dem siebten Jahrhundert stammende apokryphe Evangelium des Pseudo-Matthäus: „Am dritten Tage aber nach der Geburt des Herrn trat Maria aus der Grotte und ging in einen Stall und legte den Knaben in eine Krippe, und Ochs und Esel beugten die Knie und beteten ihn an. Da erfüllte sich, was vom Propheten Jesaja gesagt worden ist, als er sprach: ,Der Ochse hat seinen Besitzer erkannt und der Esel die Krippe seines Herrn.‘“ Dieses Bild ist beim Propheten Jesaja eine Kritik an der Gottvergessenheit Israels und durch den Bezug auf die Krippe Jesu wurde in der Geschichte der Kirche daraus in der Folge ein abwertendes Urteil über die jüdische Zurückweisung gegenüber Jesus als Christus.

Franziskus von Assisi gilt als "Vater der Weihnachtskrippe"

Bei Pseudo-Matthäus findet sich auch die Tradition, dass Jesus nicht in einem Haus oder in einem Viehstall zur Welt gebracht wurde, sondern in einer Grotte. Bereits der im Heiligen Land geborene Kirchenvater Justin der Märtyrer berichtet vermutlich 150 nach Christi Geburt – und damit 60 bis 70 Jahre nach der Entstehung des Evangeliums nach Lukas – davon, dass Jesus in einer Höhle geboren wurde. Im Jahre 326 ließ der römische Kaiser Konstantin auf Bitten seiner Mutter über der als Geburtsort geglaubten Grotte eine erste Basilika bauen, wo heute in Bethlehem die Geburtskirche steht. Auch Franziskus von Assisi, der als „Vater der Weihnachtskrippe“ gilt, platzierte 1223, als er das Weihnachtsgeschehen in Greccio nachstellte, einen Ochsen und einen Esel, beide lebendig, neben einen Futtertrog in einer Höhle – und predigte vor diesem Hintergrund über die Menschwerdung Gottes.

Damals wie heute dienen Weihnachtskrippen dazu, die heilige Geschichte nicht nur zu hören, sondern auch sehen zu können. Sie regen dazu an, wie die Hirten das Wunder zu erleben, indem man an die Krippe herantritt. So werden sie auch als ein „Hilfsmittel zur geistlichen Pilgerfahrt“ beschrieben. Und so wie die Evangelien und die Tradition das Geschehen verschieden verorten, so sind auch Weihnachtskrippen auf der Grundlage der Überlieferung der immer neue Versuch, die Menschwerdung Gottes nicht einfach auszuschmücken, sondern plastisch, das heißt begreifbar, darzustellen. Wie wichtig dies für den Glauben der Menschen ist, zeigt sich unter anderem daran, dass im Jahre 1782 der damalige, aufgeklärte Salzburger Erzbischof mit seinem Erlass scheiterte, der besagte, dass „alle, teils ungereimten und ärgerlichen, teils lächerlichen und wenigstens unnötigen Dinge, als auch die Krippeln aus der Kirche wegbleiben und wo sie schon aufgestellt wären, weggeräumt werden sollen“. Der aufgeklärte Widerstand gegen die Weihnachtskrippe führte sie nicht aus den Kirchen, sondern zudem noch in die Privathäuser der Gläubigen, wo sie als Volkstheologie heute einen wichtigen Ort innehat.

Gottes Menschwerdung in der Gegenwart des Alltags

Besonders berühmt sind die neapolitanischen Krippendarstellungen. Sie zeigen aus der Sicht der Adligen das Alltagsleben des neapolitanischen Volks im 18. Jahrhundert und die religiöse Szene tritt dabei fast in den Hintergrund. Doch gerade in dieser Darstellung, die die Menschwerdung Gottes in der Gegenwart des Alltags darstellt, zeigt sich die theologische Bedeutung dessen, was an Weihnachten gefeiert wird. Die Menschwerdung Gottes ist inmitten des gewöhnlichen Lebens geschehen und ihre Bedeutung reicht bis in die Wohnzimmer der Menschen. Das in der Heiligen Nacht gefeierte Ereignis ist kein zeit- und ortloser Mythos, sondern Gottes Menschwerdung in der Gegenwart der Menschheit.

In seinem apostolischen Schreiben verweist Papst Franziskus darauf, dass Franziskus von Assisi als Begründung für seine lebendige, plastische Darstellung der Szenerie bei Jesu Geburt gesagt haben soll: „Ich möchte nämlich das Gedächtnis jenes begehen, das in Betlehem geboren wurde, und ich möchte die bittere Not, die es schon als kleines Kind zu leiden hatte, wie es in eine Krippe gelegt, an der Ochs und Esel standen, und wie es auf Heu gebettet wurde, so greifbar als möglich mit leiblichen Augen schauen.“

In den verschiedenen Weihnachtskrippen in den Kirchen und den Wohnzimmern ist damit ein Blick sowohl in die Vergangenheit als auch in die Gegenwart verbunden, in denen die Botschaft der Menschwerdung auf vielfältige Weise immer wieder neu ausgesagt wird. Sie verdeutlichen die Geburt Jesu als geschichtliches Ereignis und indem die Darstellung durch ihre Geschichte hindurch immer wieder adaptiert wurde und wird, sind sie ein Zeugnis einer inkulturierten Inkarnationstheologie, die zum staunend-anbetenden Verweilen einlädt und den Menschen ganz nahe ist: „Wo und in welcher Form auch immer erzählt die Krippe von der Liebe Gottes, des Gottes, der ein Kind geworden ist, um uns zu sagen, wie nahe er einem jedem Menschen ist, egal in welcher Situation er sich befindet“, wie Papst Franziskus am Ende von „Admirabile signum“ schreibt.

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