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Synodaler Weg: Ein deutscher Spaltpilz

Die erste Synodalversammlung hat die Weichen für die Umgestaltung der Kirche in Deutschland nach einem säkularisiertem Politikverständnis gestellt. Mehrheiten wollen durchregieren. Geschäftsordnung und Satzung enthalten Sprengstoff. Zwei ungleiche Lager stehen sich gegenüber. Der Boden ist endgültig vergiftet
Pressekonferenz nach Synodalversammlung
Foto: Harald Oppitz (KNA) | Zufrieden mit dem Ablauf der ersten Synodalversammlung: Thomas Sternberg, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), und Kardinal Reinhard Marx, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), ...

Jetzt wird es bös", seufzt der vormalige ZdK-Generalsekretär Stefan Vesper am Samstag auf dem Weg zum Frankfurter Dominikanerkloster. Und tatsächlich reißt das unter Zeitdruck durchgeführte Abstimmungsverfahren über die Geschäftsordnung den spürbaren Graben zwischen den Teilnehmern tiefer auf. Die wenigsten der 230 im Großen Saal Versammelten haben die erst am Morgen ausgehändigten Änderungsanträge sorgfältig gelesen. Nicht jeder versteht die Terminologie. Das "geistliche Experiment" (Kardinal Marx), das mit dem unterschiedslosen Nebeneinander von Bischöfen, Priestern und Laien in der Eröffnungsmesse des Frankfurter Doms begonnen hat, schwenkt auf einen chaotisch wirkenden Kurs ein.

Das Debakel ereilt Kardinal Rainer Maria Woelki, Bischof Gregor Hanke OSB, Bischof Ipolt, Bischof Stefan Oster SDB und Bischof Rudolf Voderholzer am Nachmittag. Vergeblich hat Bischof Hanke vor den Folgen hauchdünner Mehrheiten auf dem Synodalen Weg gewarnt. Für 87 Prozent der Abstimmungsberechtigten ist Einmütigkeit jedoch kein entscheidendes Kriterium. Der Antrag der fünf Bischöfe zur Änderung der Geschäftsordnung wird ablehnt. Sie wollten verhindern, dass in Synodalforen vorbereitete Vorlagen, die der Vollversammlung zur Beschlussfassung vorgelegt werden und nicht der katholischen Lehre entsprechen, künftig mit absoluter Mehrheit durchgewinkt werden können.

Ein nationaler Sonderweg soll nicht eingeläutet werden

Synodalversammlung in Frankfurt
Foto: Harald Oppitz (KNA) | Der Passauer Bischof Stefan Oster macht sich Sorgen über die Selbstverständlichkeit, mit der bei der Synodalversammlung über die kirchliche Lehre hinweggegangen worden sei. Im Bild: Blick in die Synodalversammlung.

Zwar kann der Synodale Weg keine kirchenrechtlich bindenden Beschlüsse fassen. Dazu bräuchte es ein von Rom genehmigtes Partikularkonzil. Wortreich weist das Präsidium Befürchtungen zurück, nun werde ein nationaler Sonderweg eingeläutet. Doch wer einen Blick in die Geschäftsordnung wirft, versteht, warum der Passauer Bischof Oster vor der Gefahr der Konzentration auf strukturelle Änderungen gewarnt hat. Unter Artikel 13 heißt es dort lapidar: "Drei Jahre nach ihrer letzten Sitzung tritt die Synodalversammlung unter Leitung des Synodalpräsidiums zur Evaluation der Umsetzung der Ergebnisse des Synodalen Weges erneut zusammen." Da nur geltende Beschlüsse Gegenstand einer Überprüfung sein können, kommt die Evaluation einer unausgesprochenen Anerkennung des Unverbindlichen gleich. Die Schweizer Bischofskonferenz war sich des Dilemmas einer drohenden Spaltung der Ortskirche durch den Synodalen Weg bewusst, als sie Anfang Dezember einen nationalen Beratungsprozess ablehnte und den Reformdialog auf die Diöze-
sanebene verlegte.

Die Scheidung der Geister beginnt vor dem Frankfurter Dom. Vor laufender Kamera reihen sich die Oberhirten von Osnabrück und Hildesheim in die Mahnwache von Maria 2.0 ein, während sich Rosenkranzbeter fragen, warum die Veranstalter für Samstag einen Wortgottesdienst statt einer Eucharistiefeier vorsehen. Auf Anregung Kardinal Woelkis wird zeitgleich eine Messe in der prachtvoll restaurierten gotischen Innenstadtkirche St. Leonhard angesetzt. Sechs Synodalteilnehmer   darunter fünf Bischöfe   finden sich frühmorgens ein, zudem mehrere Passanten.  

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"Ernannte bekommen vorgekaute Kost"

Auch wenn der geistliche Weg sich als veritabler Zwitter zweier Lager mit gänzlich unterschiedlichen Reformvorstellungen präsentiert soll im "hierarchiefreien Raum" (Karin Kortmann, ZdK) ein offener Austausch möglich sein. Als über die Besetzung der vier Synodalforen "Macht und Gewaltenteilung", "Priesterliche Existenz", "Frauen" und "Liebe leben" votiert werden soll, melden sich einzelne Kritiker zu Wort. Ihnen ist völlig schleierhaft, wer die Vorforen besetzt hat, aus denen sich die Besetzung der Synodalforen etwa hälftig rekrutiert. Das ZdK weist den im Domradio verbreiteten Manipulationsvorwurf Kardinal Woelkis später entschieden zurück. Die Religionsphilosophin Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz bestätigt aber: "Es war kaum möglich, in die vom Präsidium vorbestimmte Satzung ebenso wie in die Geschäftsordnung Änderungen einzubringen. Die Vollversammlung hat dem erstaunlicherweise fast klaglos zugestimmt. Wollte man sich einfach nicht die Mühe machen? Ebenso festgezurrt war bereits die Liste der je 30-35 Teilnehmer der  Foren, die bis zur letzten Minute nicht bekanntgegeben wurde. Warum eigentlich? Je 15 davon waren bereits mit der Ausarbeitung der Texte beschäftigt, die die Grundlage der kommenden Foren bilden. Auch hier bekommen die Ernannten also vorgekaute Kost."

"Ohne Zweifel gibt es sowieso keinen Glauben"

Vergeblich wirft der Sekretär der deutschen Bischofskonferenz Pater Hans Langendörfer SJ, Argumente wie theologische Kompetenz und Repräsentativität für den Querschnitt der deutschen Katholiken in den Raum. Mühsam schleppt sich der Austausch über die inhaltliche Arbeit der Foren dahin. Alter Wein soll in neue Synodalschläuche fließen: Zugang für Frauen für alle Ämter, Änderungen der Sexualmoral, ein gänzlich verkleinbürgerlichtes Bild des katholischen Priesters. Es gibt auch konstruktive Stimmen: Überzeugend plädiert Bernhard Ledermann vom Augsburger Diözesanrat für Neuevangelisierung, während Dorothea Schmidt von Maria 1.0 für einen ideologiefreien Perspektivwechsel auf die Würde und Berufung der Frau eintritt.

Bernd Hagenkord bei der Synodalversammlung
Foto: Harald Oppitz (KNA) | Bernd Hagenkord, Geistlicher Begleiter des Synodalen Weges, feiert den Gottesdienst während der Synodalversammlung am 31. Januar 2020 im Frankfurter Dom Sankt Bartholomäus.

Einen schier aussichtslos wirkenden Kampf führt Bischof Voderholzer: Er versucht, das Plenum für ein konzilsgemäßes Verständnis der Sendung von Priestern und Laien in der Kirche zu sensibilisieren. Doch schon am ersten Tag hat Kardinal Marx vor Journalisten nicht das Sendungsbewusstsein, sondern die Skepsis geadelt:  "Ohne Zweifel gibt es sowieso keinen Glauben."  

Der Glaube ist die eigentliche Crux der Veranstaltung. Betroffenheit ist das neue Superdogma. Die Teilnehmer erhalten den Rat, "das Unvorstellbare zu denken" (Eberhard Tiefensee). Aber wie verhalten sich Schrift, Tradition und Lehramt in diesem Zukunftsforum zueinander? Bischof Michael Gerbers (Fulda) auf die Auswertung der Eingaben zum Frauenforum gemünzte Beobachtung lässt sich auf die gesamte Veranstaltung übertragen: Soziologische Argumente überwiegen, Theologie und Tradition der Kirche sind "nachrangig".

Es schlägt die Stunde des Pathos

Dann schlägt die Stunde des Pathos: Dorothea Sattler mahnt zur "Hermeneutik des Vertrauens. Wer kann sagen, was Gottes Wille ist?", ruft sie in den Saal. Unter Applaus distanziert sich Hamburgs Oberhirte Stefan Heße vom katholischen Katechismus. Dessen Formulierung, Homosexuellen sei mit Respekt zu begegnen, enthalte eine Perspektive von oben herab und sei "nicht auf Augenhöhe". Die Stimmung kippt und wird aggressiver.

Gebetswache von Maria 2.0 in Frankfurt
Foto: Harald Oppitz (KNA) | Demonstrierende von Maria 2.0 bei einer Gebetswache vor dem Frankfurter Dom während der Synodalversammlung.

Die größte Verwirrung aber herrscht über die Interpretation des 2019 veröffentlichten Papstbriefs an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland: Was ist mit "Primat der Evangelisierung" gemeint? Mehr als bloße Katechese, beteuert ZdK-Präsident Thomas Sternberg. Dem Papst gehe es um die "evangeliumsgemäße Umgestaltung von Kirche und Welt". Und der Bochumer Neutestamentler Thomas Söding setzt auf Strukturveränderung und ist überzeugt, dass "alles, was sich hier ändert, um die Evangelisierung zu fördern, bereits Evangelisierung ist". Diesem Eindruck tritt der Kölner Weihbischof Dominikus Schwaderlapp entgegen: "Evangelium und Kirche lassen sich nicht voneinander trennen. Evangelisierung im Sinne der katholischen Kirche bedeutet: Verkündigung des Glaubens, der in der Heiligen Schrift wurzelt und von der Kirche bewahrt und entfaltet wird", sagt er dieser Zeitung.

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