Evangelikale Protestanten zeigten „manchmal mehr Treue im Glauben an Christus als wir“, schreibt Robert Kardinal Sarah in seinem neuen Buch „Aus der Tiefe des Herzens“. Diese auf den erste Blick vielleicht überraschende Aussage verweist auf eine Kernforderung dessen, was das nachkonziliare Lehramt der katholischen Kirche unter dem Begriff der Neuevangelisierung versteht: die lebendige persönliche Beziehung zu Jesus Christus ins Zentrum der Glaubensverkündigung und des Glaubenslebens zu stellen.
Von Freikirchen lernen, missionarischer zu werden
In diesem Sinne wirbt etwa der US-amerikanische Publizist George Weigel seit Jahren für einen „evangelikalen Katholizismus“; im deutschen Sprachraum sind etwa die Initiatoren des „Mission Manifest“ mit der Forderung hervorgetreten, die katholische Kirche solle „auch und gerade von den Freikirchen“ lernen, wie sie wieder missionarischer werden könne. An all diesen Stimmen wird eine Dynamik in den interkonfessionellen Beziehungen deutlich, die sich weitgehend unter dem Radar der institutionellen Ökumene-Bemühungen der Großkirchen abspielt und die sich in einem wachsenden Maß an gegenseitigem Respekt und Verständnis zwischen Katholiken und Evangelikalen niederschlägt – gewachsen nicht zuletzt auch im Zuge gemeinsamen Engagements in der Pro-Life-Bewegung seit den 1970er-Jahren.
Ohne die zum Teil gravierenden theologischen Differenzen verleugnen oder herunterspielen zu wollen, speist sich diese Form überkonfessioneller Zusammenarbeit aus der Überzeugung, dass die derzeit bedeutendsten Konfliktlinien innerhalb der Christenheit nicht entlang der Konfessionsgrenzen verlaufen, sondern quer durch die Konfessionen hindurch.
Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen. Kostenlos erhalten Sie die aktuelle Ausgabe