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Klosterleben in Coronazeiten: „Gott ist trotzdem da“

Ein Interview mit P. Kilian Müller, Mönch im Kloster Neuzelle, zum Klosterleben in der Coronakrise.
Pater Kilian Müller
Foto: Patrick Pleul (ZB) | Für den Zisterziensermönch ist Gott auch in der Krise trotzdem immer da.

Pater Kilian, was hat sich seit Corona bei Ihnen im brandenburgischen Kloster Neuzelle verändert?

Der Schulunterricht und auch das pfarrliche Leben ruhen momentan. Sicher geht es uns wie den meisten Menschen: Die ersten zwei, drei Tage nimmt man die Ruhe erstmal dankbar an. Danach merkt man plötzlich, was man sonst für selbstverständlich ansieht und nun vermisst.

Wie geht Klosterleben bei einer Pandemie?

Der große Unterschied zum Normalbetrieb liegt darin, dass wir bei unseren Gebetszeiten und Gottesdiensten nun keinerlei Teilnehmer mehr einlassen dürfen. Ansonsten halten wir unseren klösterlichen Tagesablauf genauso ein wie vorher. Es unser Vorteil, dass bei uns Arbeits- und Privatleben eine Einheit bilden. Wir leben, beten und arbeiten in einer familiären Struktur vor Ort. 

Wie bisher feiern Sie die tägliche Messe und Stundengebete?

Da wir ja eine häusliche Gemeinschaft sind, ist im Gebet und bei der Heiligen Messe eigentlich alles weiter wie bisher, nur dass wir jetzt tatsächlich dabei in Klausur sind. 

Sie haben nun technisch für Livestream aufgerüstet?

Ja, wir versuchen nun, die Gläubigen durch einen täglichen Livestream zu unterstützen. Aus der Stiftskirche übertragen wir täglich um 19.15 Uhr zum Rosenkranz und anschließend (ca. 19.45 Uhr) die Komplet. An Sonntagen wird um 17.00 Uhr eine Heilige Messe übertragen. Über YouTube und die sozialen Medien sind wir täglich mit vielen Menschen verbunden.

Was haben Sie sich für die Gläubigen in Ihrer Region einfallen lassen? 

Hier in Neuzelle und Eisenhüttenstadt sind wir mit dem Allerheiligsten Sakrament in der Monstranz durch die Straßen gefahren und haben mit dem Eucharistischen Herrn auch jedes der Dörfer besucht, die zur Pfarrei gehören. Dort haben wir jeweils von einem Punkt aus alle Häuser, Gärten, Felder, den Wald, die Tiere und vor allem alle Menschen gesegnet, die dort leben und für sie alle um Schutz und Gesundheit gebetet.

Wie können Sie darüber hinaus anderen Menschen in dieser Ausnahmesituation helfen?

Ein wichtiger Punkt scheint mir dabei die Botschaft der „stabilitas loci“. Das ist die zuverlässige, örtliche Stabilität eines Klosters in einem Kloster. Im Namen Gottes sind wir einfach da. Wir singen im gleichen Rhythmus das Chorgebet und feiern die Eucharistie. Darauf kann man sich verlassen. So eine Krise darf abgesehen davon auch den Glauben an die sakramentale Gegenwart Gottes in der Welt nicht erschüttern. 

Viele Menschen wollen wissen warum? 

Niemand kann diese Pandemie einfach mit einem Schlag beenden, daher ist der Weg des christlichen Glaubens der, dass wir diese Situation zunächst versuchen anzunehmen und statt „Warum?“ lieber fragen „Wozu?“, d.h. in welcher Weise könnte die gegebene Situation fruchtbar werden? Wo ist selbst im Schlechten, Schmerzhaften dieser Pandemie das Gute zu entdecken, das mir im Lichte des Glaubens erlaubt, ihr einen Sinn zu entlocken? Dann erst kann ich Gott vertrauensvoll bitten, sich mitten in diese Situation hinein zu verherrlichen. 

Welche Vorbilder können helfen? 

Leidvolle Zeiten rufen also immer zum Wachstum im Glauben auf. Hilfreich können hier die Lebenszeugnisse vieler Frauen und Männer aus den letzten 2000 Jahren sein, die auf beeindruckende Weise mitten im Leiden einen tiefen Zugang zu Gott gefunden haben. Die Apostel sind die ersten, ihnen folgen die Märtyrer der Christenverfolgungen der frühen Kirche. Aber es gibt auch in unserer Zeit so manches bewegende Zeugnis dafür, wie beispielsweise den Lebensweg des 2002 verstorbenen vietnamesischen Kardinals François Xavier Nguyên Van Thuân. All das sind konkrete Beispiele, wie Menschen mit leidvollen Situationen umgegangen und darin dem lebendigen Gott begegnet sind und ihn bezeugt haben. Und dann merkt man: Es ist schlimm, es ist Leid – aber Gott ist trotzdem da, Er hat es sich nicht anders überlegt mit mir und seiner Schöpfung.

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Gibt es für Ordensleute spezielle Anweisungen oder Ausnahmereglungen?

Grundsätzlich sind wir weiterhin dem Abt von Heiligenkreuz unterstellt. Durch unsere pastorale Arbeit in der Pfarrseelsorge sind wir aber diesbezüglich dem Bischof von Görlitz und seiner Weisung zugeordnet. Mit beiden sind wir im guten Austausch. Was sichergestellt sein muss, ist dass wir in pastoralen Notfällen auch bei einer Ausgangssperre bestimmte Sonderrechte haben. Keiner von uns will und wird sich zu leicht davon abhalten lassen, im Notfall zu den Sterbenden zu gehen und sie nach Möglichkeit mit den entsprechenden Sakramenten zu versorgen – selbst, wenn dabei immer auch die Gefahr der Infektion besteht. Was wir im Auftrag des Herrn zu bringen haben, übersteigt aber die Grenzen des irdischen Lebens, und ich hoffe, dass jeder von uns Mönchen und Priestern im Ernstfall mit Glauben und Klugheit dazu imstande ist, dem Gebot Gottes mehr zu gehorchen als den Geboten von Menschen, selbst wenn das für einen selbst ein Risiko darstellt.

Es gibt einen Rundbrief des Generalabtes aus Rom. Was sind die wichtigsten Botschaften daraus?

Unser Generalabt Mauro-Giuseppe Lepori hat allen Zisterzienserinnen und Zisterziensern weltweit einen wie immer geistlich gehaltvollen und väterlichen Brief übersandt. Ihm geht es darum, dass wir durch unsere monastische Berufung in dieser durch die Pandemie verursachten „großen, weltumfassenden Abstinenz“ erst recht Sinngeber für die Menschen sein können und sollen. In dieser Situation ist also unser solidarisches Gebet für die ganze Welt, ist unser Glaube und unser Zeugnis als Nonnen und Mönche zutiefst gefragt und bedeutungsvoll – und davon sind wir fest überzeugt, auch hier in Neuzelle!

Haben Sie besondere Gebetsempfehlungen für die Leser?

Das kommt ganz auf die persönlichen Vorlieben an. Für die einen ist es eine Chance, die vertrauten Gebete wie das Vaterunser oder den Rosenkranz neu zu entdecken, um im Vertrauen zu wachsen oder auch gemeinsam mit der Familie zu beten. Als Mönche sind wir natürlich „Fans“ der Psalmen, die als „Spiegel der Seele“ Situationen tiefer Verlassenheit aufgreifen, aber genauso Jubel oder Vertrauen ausdrücken, wie der den meisten bekannte Psalm 23 vom guten Hirten. Ebenso gut ist das Singen, gerade dann, wenn die Sorge oder Angst einen zu überrollen scheint. „Wer (gut) singt, betet doppelt“, schreibt der heilige Augustinus. Und wer vielleicht nicht so gut singt, betet immer noch mindestens 1,5fach.

Das Interview führte Rocco Thiede.

DT

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