Das Drama des kürzlich aus der Haft entlassenen australischen Kardinals Pell legt eine Grauzone innerhalb des Kirche offen, die in dieser Form vor dem Missbrauchsskandal nicht denkbar war: Wie resozialisiert man einen kirchlichen Würdenträger und stellt seinen guten Ruf wieder her? Pell hat Morddrohungen erhalten, ist zu Unrecht verurteilt worden und hat und mehr als vierhundert Tage in Haft verbracht. Sein Name bleibt untrennbar mit einer gnadenlosen Kampagne verbunden. Es ist derzeit kaum vorstellbar, dass der rüstige 79-Jährige noch irgendeine Aufgabe in der Seelsorge übernimmt, obwohl er für das Volk Gottes nie einfach gestorben war. Im Gegenteil: Der Fall dokumentiert auch erheblichen Widerstandsgeist an der Gläubigen.
IM BLICKPUNKT
Vergeben und vergessen?
Die Haftentlassung von Kardinal George Pell dürfte kein Schlussstrich sein, weitere Vorwürfe sexuellen Missbrauchs stehen im Raum. Das australische Drama kann bei aller Tragik aber auch heilsame Wirkung für die Kirche haben, wenn schärfer über den angemessenen Umgang mit Vorwürfen nachgedacht wird.