Der wegen Nicht-Anzeige sexueller Vergehen eines Geistlichen verurteilte französische Kardinal Philippe Barbarin sieht sich weiterhin als nicht schuldig. „Ich sehe einfach nicht wirklich, worin ich schuldig sein soll und was die Tatsachen sind, die man mir vorwirft“, erklärte der 69-Jährige zum Auftakt des Berufungsverfahrens am Donnerstag in Lyon. Vor Medienvertretern gab er sich zuversichtlich, dass das Berufungsverfahren mit einem Freispruch enden werde.
Keine Schuld im juristischen Sinne
Wie mehrere französische Medien berichten, habe Barbarin zwar „Irrtümer“ eingeräumt, jedoch könne man nicht von einer Schuld im juristischen Sinne sprechen. Man werfe ihm vielmehr vor, dem Opfer, das sich an ihn gewandt habe, Glauben geschenkt zu haben, so der Kardinal. Bereits während des ersten Prozesses im Januar hatte der Kardinal stets seine Unschuld beteuert.
Barbarin war im März wegen der Nicht-Anzeige sexueller Vergehen an Minderjährigen durch einen französischen Priester sowie unterlassener Hilfeleistung zu sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Sein Amt als Erzbischof von Lyon ließ er daraufhin ruhen, legte aber gleichzeitig Berufung gegen das Urteil ein. Unmittelbar nach der Urteilsverkündung bot der Kardinal zudem Papst Franziskus seinen Rücktritt an. Der Papst nahm diesen jedoch nicht an. Es gelte die Unschuldsvermutung, bis in zweiter Instanz über den Fall entschieden werde.
Erneut kritische Stimmen zur Verurteilung Barbarins
Der Geistliche Bernard Preynat, dessen Taten Barbarin zwischen 1970 und 1991 nicht angezeigt hatte, wurde im Juli 2019 aus dem Klerikerstand entlassen. Am 13. Januar beginnt sein Prozess.
Derzeit verwaltet der emeritierte Bischof von Évry, Michel Dubost, das Erzbistum Lyon. Dort wurden erneut kritische Stimmen zur Verurteilung von Kardinal Barbarin laut. Mehrere verweisen darauf, dass der Ausgang des Berufungsurteils langfristige Konsequenzen für den Umgang mit Missbrauchsopfern haben werde.
DT/mlu
Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen. Kostenlos erhalten Sie die aktuelle Ausgabe hier.