Der neue armenisch-apostolische Patriarch von Konstantinopel, Sahag II. Mashalian, hofft, dass auch in der Türkei das „Leid des armenischen Volkes“ in den Jahren ab 1915 anerkannt wird. In einem am Montag erschienenen „Hurriyet“-Interview bedauert der vor wenigen Wochen gewählte Patriarch, dass die Armenier ebenso wie Angehörige anderer Minderheiten in den letzten Jahrzehnten in der politischen Öffentlichkeit der Türkei immer wieder als „reiche Eliten“ hingestellt wurden, was heute nicht stimme „und nie gestimmt“ habe.
Patriarch attestierte der AKP, eine „größere Sensibilität“ gegenüber Christen
Der 24. April, an dem die Armenier alljährlich des Beginns der Verfolgung gedenken, habe in der Türkei lange Zeit als „tabu“ gegolten. Präsident Recep Tayyip Erdogan habe 2015 zu diesem Datum erstmals ein Kondolenzschreiben an die armenische Community geschickt „und so war es uns endlich möglich, in den Kirchen Gedenkmessen für unsere Toten der Jahre ab 1915 abzuhalten“. Der Patriarch attestierte der AKP, der Partei Erdogans, eine im Vergleich zu anderen politischen Formationen „größere Sensibilität“ gegenüber den Christen.
In früheren Zeiten hätten die Armenier in ihren Kirchen ohne Genehmigung „nicht einmal einen Nagel einschlagen können“. Sahag II. unterstreicht in dem Interview, dass es notwendig sei, die antagonistische Logik des „wir gegen die ‚anderen‘“ endlich zu überwinden und die gemeinsame Zugehörigkeit zur menschlichen Familie zu betonen. Der Patriarch erinnerte an die tragische Erfahrung Syriens und an die Zerreißproben, denen die Menschheit in den Weltkriegen ausgesetzt war, „als der Virus des Nationalismus in unsere Häuser eingedrungen ist und alle den eigenen ‚Nationalstaat‘ auf Kosten der anderen aufbauen wollten“.
DT/poi
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