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Was bedeutet die Bibel?

Der multimediale Glaubenskurs von „Tagespost“, Youcat und Radio Horeb. Was bedeutet die Bibel?
Die Bedeutung der Bibel
Foto: John Taggart (EPA) | Die Bedeutung der Bibel

Heute staunt man, dass es Zeiten der Kirche gab, in denen die Bibel für die normalen Leute verboten war. Ist das nicht verrückt? „Die Schrift nicht kennen, heißt Christus nicht kennen“, sagte schon der Kirchenvater Hieronymus. Wie kam das? Bibel las man als einfacher Christ nicht, man hörte sie ausschließlich während der Gottesdienste, in kleinen Dosen, kirchlich kommentiert.

Der Dominikanermönch und Inquisitor Melchior Cano ist eine Gestalt wie aus „Der Name der Rose”. Als im Jahre 1559 ein spanischer Bischof die Übersetzung der Bibel in die Landessprache forderte, trat Cano auf den Plan und warnte davor, dass es zu Zuständen wie in Deutschland kommen werde, wo Martin Luther 40 Jahre zuvor die Bibel ins Deutsche übertragen hatte. Die Bibel sei nichts für ‚Zimmermannsfrauen‘:

„Auch wenn die Frauen mit unersättlichem Appetit danach verlangen, von dieser Frucht zu essen, ist es nötig, sie zu verbieten und ein Feuermesser davor zu stellen, damit das Volk nicht zu ihr gelangen könne.“

Auch Theresa von Avila, die große Reformerin der Kirche im 16. Jh., war davon betroffen und litt fürchterlich darunter. Doch hatte sie in der Nacht eine Eingebung, die sie sehr tröstete: „Da sagte der Herr zu mir: ‚Sei nicht betrübt, denn ich werde dir ein lebendiges Buch geben‘.“

Die Auslegung der Bibel

Die Attacke des Inquisitors muss man weniger als Dokument der Unterdrückung von Frauen lesen, denn als Angriff auf das Volk. Frauen waren damals wie heute häufig mehr religiös interessiert als die Männer. Frauen würden die Bibel mit Feuereifer lesen und diskutieren; und wenn sie sich dann noch von der Reformation anstecken ließen, dann würde an jeder Straßenecke eine neue Kirche entstehen. Luther hatte ja bekanntlich das sola scriptura-Prinzip aufgestellt: Ein Christ brauche allein die Heilige Schrift und nicht dazu auch noch die Interpretationen der Priester. Die Bibel sei selbsterklärend. In der Tat verstrickte sich die reformatorische Bewegung schon zu Luthers Zeiten in eine Fülle unterschiedlicher Lesarten. Alle wollten sie der Bibel folgen. Aber faktisch folgten die einen der Auslegung von Calvin, die anderen der Auslegung von Zwingli, wieder andere der Auslegung von Thomas Müntzer oder John Knox ...

Wie liest man die Bibel richtig?

Längst hat die Kirche ihren Irrtum eingesehen, die Bibel unter Verschluss zu halten, als wäre sie ein Stück Giftschrankliteratur. Heute ist es völlig normal, wenn Papst Franziskus junge Katholiken auffordert, intensiv in der Bibel zu lesen:

„Ihr haltet ... etwas Göttliches in Händen: ein Buch wie Feuer! Ein Buch, durch das Gott spricht. Also merkt Euch: Die Bibel ist nicht dazu da, um in ein Regal gestellt zu werden, sondern um sie zur Hand zu haben, um oft in ihr zu lesen, jeden Tag, sowohl allein als auch gemeinsam. Ihr macht doch auch gemeinsam Sport oder geht gemeinsam shoppen. Warum lest ihr nicht zu zweit, dritt, zu viert gemeinsam in der Bibel? Draußen in der Natur, im Wald, am Strand, abends, im Schein von ein paar Kerzen? Ihr werdet eine gewaltige Erfahrung machen!“

Aber man kann natürlich sagen: Es gehört zur Schuldgeschichte der Kirche, dass sie über Jahrhunderte hinweg einfache Menschen nicht frei aus dem Reichtum des Wortes Gottes schöpfen ließ.

Welche Rolle spielt die Bibel in der Kirche?

Dennoch hat die Kirche ein Prinzip nicht aufgeben: Die Bibel ist das Buch der Kirche. Sie ist aus ihrem Leben herausgewachsen; sie ist und bleibt ihre Herzkammer. „Wir können“, sagt Papst Benedikt, „niemals alleine die Schrift lesen. Wir finden zu viele Türen verschlossen und gleiten leicht in den Irrtum ab. Die Bibel wurde vom Volk Gottes und für das Volk Gottes unter der Inspiration des Heiligen Geistes geschrieben.“ Wir dürfen den lebendigen Zusammenhang mit der Kirche nicht vergessen, uns also nicht selbst zum Herren der Bibel machen. „Um sein Ziel zu erreichen, zitiert selbst der Teufel aus der Bibel“, sagte schon Shakespeare.
 

Ist mit Jesus Christus alles gesagt, oder wird nach ihm die Offenbarung noch fortgesetzt?

Aber was ist das „Wort Gottes“ genau? Alles, was Gott uns zu sagen hat, hat er uns in Jesus Christus gesagt. Er ist die Offenbarung der Offenbarungen und das eigentliche „Wort Gottes“. Den Zugang zum Wort Gottes finden wir schriftlich in der Heiligen Schrift und mündlich in der Apostolischen Tradition (oder Überlieferung). Man kann sich das konkret vorstellen: Bis zum Jahr 397 – da legte die Synode von Karthago fest, welche Bücher zur Heiligen Schrift gehören – lebten Generationen von Christen quasi ohne Neues Testament. Lebten sie deshalb ohne „Wort Gottes“? Nein, das Wort war in ihnen lebendig, „wirksam und schärfer als jedes zweischneidige Schwert“ (Hebr 4,12). Sonst hätten sie die Katakomben und grausamen Zirkusspiele der Antike nicht überlebt.

Was wäre, wenn wir immer eine Bibel, oder eine Taschenausgabe des Evangeliums bei uns hätten, wie unser Handy? Was würde geschehen, wenn wir die Bibel genauso behandeln wie unser Handy? Wenn wir umkehren, um sie zu holen, weil wir sie zu Hause haben liegen lassen, wenn wir sie mehrmals am Tag zur Hand nehmen, wenn wir die Botschaften Gottes in der Bibel lesen, wie wir die Botschaften auf dem Handy lesen?
Papst Franziskus

Das Evangelium lesen und immer wieder lesen, ohne Unterlass, um immer mehr den Geist, die Taten, die Worte, die Gedanken Jesu vor Augen zu haben, um zu denken, zu sprechen, zu handeln wie Jesus, um dem Beispiel und den Weisungen Jesu zu folgen!
Sel. Charles de Foucauld (1858–1916)

Wer das Thema mit Freunden oder in einer Gruppe tiefer erarbeiten möchte, kann sich unter www.youcat.org den Studyguide No.1 kostenlos herunterladen. Die nächste Folge bei Radio Horeb wird am 1. April um 19.45 Uhr ausgestrahlt.

 

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