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Von der Berufung, Jesus zu „trösten“

Ein stiller Junge inmitten eines dramatischen Geschehens: Zur Heiligsprechung von Francisco Marto, dem Seherkind von Fatima. Von Manfred Hauke
Foto: Santuario de Fatima | Drei Kinder vom Land mit einer historischen Sendung: Francisco zwischen seiner Schwester Jacinta (rechts) und Lucia.

Bei seinem Besuch in Fatima wird Papst Franziskus die beiden Seherkinder Francisco und Jacinta Marto heiligsprechen. Francisco wurde am 11. Juni 1908 geboren und vollendete sein neuntes Jahresjahr, als ihm die Gottesmutter zum ersten Mal erschienen war. Er verstarb bereits am 4. April 1919, im Alter von 10 Jahren und neun Monaten. Noch jünger war seine Schwester Jacinta: geboren am 11. März 1910, ging sie zu Gott heim am 20. Februar 1920 (im Alter von neun Jahren und elf Monaten).

Dass so kleine Kinder zur Ehre der Altäre erhoben werden, hat schon Papst Johannes Paul II. bei der Seligsprechung der beiden Seher am 13. Mai 2000 mit dem messianischen Jubelruf Jesu kommentiert: „Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, dass du dies vor Weisen und Klugen verborgen, Kleinen aber geoffenbart hast“ (Mt 11,25). Jesus hat eine Vorliebe für die Kleinen und Demütigen, die sich spontan und hingebungsvoll Gott gegenüber öffnen: „Wenn ihr euch nicht bekehrt und nicht werdet wie die Kinder, werdet ihr nicht in das Himmelreich eingehen“ (Mt 18,3).

Die Eltern der beiden Geschwister waren Besitzer eines bescheidenen landwirtschaftlichen Anwesens und Analphabeten. Sie führten eine vorbildliche Ehe und hatten sieben Kinder. Sie wurden von allen Bewohnern des Dorfes geschätzt. Der Vater, Manuel Pedro Marto, galt als der vertrauenswürdigste Mann des Ortes.

Das Dorf Aljustrel, in dem die Familie wohnte, gehörte zur Gemeinde von Fatima. Die Bewohner lebten von Ackerbau und Viehzucht. Die karstige Gegend erschwerte die Arbeit der Bauern. Die Familie Marto war verwandt mit der Familie dos Santos, zu der Lucia gehörte: Olimpia de Jesus, die Mutter der beiden Hirtenkinder, war eine Schwester des Vaters von Lucia.

Francisco und Jacinta waren die beiden jüngsten Mitglieder der Familie; auch Lucia, die wichtigste Seherin von Fatima, war das jüngste Kind in ihrem Haus. Vielleicht dürfen wir hier an die Auswahl des David als König von Israel denken: der Prophet Samuel wählte dafür im Namen Gottes den kleinsten der Söhne Isais aus, der für seine Aufgabe beim ersten Hinsehen gar nicht in Frage kam (vgl. 1 Sam 16).

Im Gegensatz zu seiner Schwester Jacinta, die sehr lebhaft und empfindlich war, hatte Francisco ein ruhiges und friedfertiges Temperament. Beim Spielen verlor er fast immer, machte sich aber nichts daraus. Während die anderen Kinder tanzten, spielte er die Querflöte. Schon im Alter von fünf Jahren liebte er es, den Aufgang und den Untergang der Sonne zu beobachten.

Bei den Erscheinungen des Engels 1916 und der Gottesmutter 1917 konnte Francisco die himmlischen Besucher sehen, war aber nicht in der Lage, sie zu hören. Die Gebete des Engels lernte er, indem er zuhörte, wie Lucia und Jacinta sie wiederholten. Als er vom Engel (wie Jacinta) die Kelchkommunion empfing, wusste er nicht, was dies war, spürte aber in sich die Gegenwart Gottes. Bei der ersten Erscheinung der Gottesmutter am 13. Mai 1917 freute er sich über die Verheißung, in den Himmel zu kommen. Da Maria sagte, er müsse vorher noch viele Rosenkränze beten, war er sehr darauf bedacht, dieser Einladung Folge zu leisten.

Während Jacinta vor allem darum bemüht war, sich mit Gebet und Opfer für die Bekehrung der Sünder und ihre Bewahrung vor der Hölle einzusetzen, konzentrierte sich Francisco darauf, Jesus und Maria zu „trösten“. Bezeichnend ist dafür folgendes Gespräch mit Lucia: „,Francisco, was gefällt dir mehr: den Herrn zu trösten oder die Sünder zu bekehren, damit nicht mehr Seelen in die Hölle kommen?‘ ,Mir gefällt es mehr, den Herrn zu trösten. Hast du nicht bemerkt, wie die Frau auch im letzten Monat so traurig wurde, als sie mahnte, den Herrn nicht mehr zu beleidigen, der schon so sehr beleidigt worden ist? Ich möchte den Herrn trösten und dann die Sünder bekehren, damit sie ihn nicht mehr beleidigen‘“ (Sr. Lucia, Vierte Erinnerung I,12).

Im Oktober 1918 erkrankte Francisco (wie die gesamte Familie Marto, mit Ausnahme des Vaters) an der sogenannten „Spanischen Grippe“, die in dieser Zeit in ganz Europa Millionen von Opfern forderte. Ende November ging es ihm besser, aber am 22. oder 23. Dezember kam es zu einem schweren Rückfall. Trotz der schmerzhaften Krankheit war Francisco immer gelassen. „Francisco, tut es dir sehr weh?“, fragte man ihn. „Recht viel. Aber das macht nichts. Ich leide, um den Herrn zu trösten; und dann, nach kurzer Zeit, komme ich in den Himmel“ (Vierte Erinnerung I, 15).

Ende 1918 oder im Januar 1919 erschien Maria noch einmal Francisco und Jacinta. Francisco teilte sie mit, sie werde bald kommen, um ihn in den Himmel zu holen (Erste Erinnerung III,1). Der kleine Junge akzeptierte jede bittere Medizin und jede Speise, die man ihm reichte, ohne jedes Murren. Im Januar 1919 ging es ihm ein zweites Mal wiederum etwas besser, so dass er zur Cova da Iria gehen konnte. Dort kniete er sich an der Wurzel der Steineiche nieder, wo ihm die Gottesmutter erschienen war, und betete lange.

Erst im Angesicht des Todes konnte er die Erstkommunion empfangen, die ihm zuvor verweigert worden war, weil er im Katechismusunterricht einen Fehler begangen hatte. Er empfing die Kommunion als Wegzehrung am Vorabend seines Todes. Er starb am Herz-Jesu-Freitag, 4. April 1919. Zuvor ließ er seine Patin kommen, um ihren Segen zu erbitten und sie um Verzeihung zu bitten. Beim Sterben lächelte er. Wie seine Mutter berichtet, hatte er am Fenster ein helles Licht gesehen. Der Pfarrer schrieb zwei Wochen später in seinen Bericht über die Marienerscheinungen: „Der Seher Francisco ist um 10 Uhr abends des 4. April gestorben, Opfer einer sich über fünf Monate hinziehenden Lungenentzündung, nachdem er die Sakramente mit großer Bewusstheit und Frömmigkeit empfangen hat. Er hat auch bestätigt, dass er Unsere Liebe Frau in der Cova da Iria und in den Valinhos gesehen hat.“

Francisco wurde auf dem öffentlichen Friedhof in Fatima bestattet an einem Ort, wo auch andere Leichen ihren Platz fanden. Als man 1952 bei der Eröffnung des Prozesses der Seligsprechung seine sterblichen Überreste suchte, um sie in die Rosenkranzbasilika zu übertragen, gab es Schwierigkeiten, sie zu identifizieren. Sein Vater identifizierte das Skelett aufgrund des Rosenkranzes, den er immer noch mit der Hand umklammerte.

Der bischöfliche Prozess für die Seligsprechung von Francisco und Jacinta endete im Jahre 1979. Nach der Erstellung der einschlägigen Dokumentation in der dafür zuständigen römischen Kongregation wurden die beiden Seherkinder am 13. Mai 1989 als verehrungswürdig erklärt. Bald danach wurde ein Wunder approbiert, das mit der Fürsprache von Francisco und Jacinta verbunden war. Papst Johannes Paul II. sprach am 13. Mai 2000, in Gegenwart von Sr. Lucia, die beiden Kinder selig. Als liturgischer Gedenktag wurde der 20. Februar festgelegt, der Todestag Jacintas. Der 2004 eingeleitete Prozess der Heiligsprechung wird zur Vollendung gelangen, wenn am kommenden 13. Mai 2017 Papst Franziskus die beiden Geschwister als Heilige zur Ehre der Altäre erhebt.

Für das geistige Profil des jungen Heiligen sind bedeutsam die Hingabe an das betrachtende Gebet sowie der Wunsch, Jesus und Maria, die „heiligen Herzen“, zu „trösten“. Papst Pius XI. erklärt in seiner Herz-Jesu-Enzyklika das „Trösten“ Jesu in einem realistischen Sinne mit der Gottesschau Jesu während seines Erdenlebens: im Lichte Gottes sieht Jesus die gesamte Menschheit mit all ihren Sünden, aber auch die Werke der Liebe. Unsere Sünden beleidigen ihn, während unsere Buße und Liebe ihm am Ölberg und am Kreuz Trost gewähren. Vor Gott sind alle Situationen der Geschichte stets gegenwärtig.

Eine treffende Zusammenfassung des heiligen Lebens des Sehers findet sich in der Ansprache von Johannes Paul II. anlässlich der Seligsprechung: „Was den seligen Francisco am meisten wunderte und ganz in Ansprach nahm, war Gott in jenem immensen Licht, das sie alle drei bis in ihr Innerstes durchdrungen hatte. Nur ihm jedoch zeigte sich Gott ,so traurig‘, wie er es ausdrückte. Eines Nachts hörte sein Vater ihn schluchzen und fragte ihn, warum er weinte; der Sohn antwortete: ,Ich dachte an Jesus, der so traurig ist wegen der Sünden, die gegen ihn begangen werden‘. Ein einziger – für die Denkart der Kinder so bezeichnender – Wunsch bewegt von nun an Francisco, und es ist der, ,Jesus zu trösten und froh zu machen‘.

In seinem Leben bringt er eine Wandlung zuwege, die man als radikal bezeichnen könnte; eine Wandlung, wie sie für Kinder seines Alters sicher nicht alltäglich ist. Er gibt sich einem intensiven geistlichen Leben hin, das sich in eifrigem und inbrünstigem Gebet niederschlägt, so dass er zu einer wahren Form mystischer Vereinigung mit dem Herrn gelangt. Und gerade das bringt ihn zu einer fortschreitenden Läuterung des Geistes durch vielerlei Verzicht auf Angenehmes, selbst unschuldige Kinderspiele.

Francisco ertrug die großen Leiden, welche die Krankheit verursachte, die zu seinem Tod führte, ohne jede Klage. Alles schien ihm wenig, um Jesus zu trösten; er starb mit einem Lächeln auf seinen Lippen. Groß war in dem kleinen Jungen der Wunsch, Sühne zu leisten für die Beleidigungen der Sünder; und so strengte er sich an, gut zu sein, und opferte Verzicht und Gebete auf.“

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