Am 8. August 1942 schickte Gerhard Riegner vom Jüdischen Weltkongress ein Telegramm an das US-State Department und den Vatikan: Hitlers Führerhauptquartier plane, Millionen von Juden mithilfe von Blausäure zu ermorden. In Washington hielt man das jedoch für ein „wildes, von jüdischen Ängsten inspiriertes Gerücht“.
Kunde von den Todesfabriken erreichte den Vatikan zunächst nur in Form von Gerüchten
Im Vatikan wusste man zu diesem Zeitpunkt längst, dass Hunderttausende von Juden unter unmenschlichen Bedingungen in das von den Nazis besetzte Polen deportiert und dort in Ghettos eingepfercht oder in Arbeitslagern kaserniert wurden. Auch Berichte von Massenerschießungen von Juden in der besetzten Ukraine ließen Papst Pius XII. dreimal – am 1. August 1941, am 24. Dezember 1942 und am 2. Juni 1943 – die Verbrechen der Nazis öffentlich anprangern.
Zudem versuchte der Vatikan durch 40 diplomatische Interventionen, weitere Deportationen aus Hitlers Vasallenstaaten zu stoppen oder zumindest zu verzögern. Doch Kunde davon, dass die schrecklichen Konzentrationslager letztendlich Todesfabriken waren, erreichte erst spät und zunächst in Form von Gerüchten den Heiligen Stuhl. Das geht aus den Dokumenten der vatikanischen Archive hervor, die bislang veröffentlicht wurden.
Erst im Sommer 1944 hatte man traurige Gewissheit
Erst im Sommer 1944 hatte man traurige Gewissheit. Im April 1944 war es zwei slowakischen Juden, Rudolf Vrba und Alfred Wetzler, gelungen, aus dem Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau zu fliehen, sich in die Slowakei abzusetzen und dort den Partisanen anzuschließen. Ihr 32-seitiger Bericht wurde übersetzt und außer Landes geschmuggelt. Danach seien bereits 1 715 000 Juden in den Gaskammern gestorben. Ãœber drei Kanäle – die Apostolischen Delegaten in Bratislava und Konstantinopel sowie den Berner Nuntius – erreichte er Anfang September den Vatikan.
DT
Wie der Vatikan auf die erschreckenden Erkenntnisse des Berichts reagierte, erfahren Sie in er aktuellen Ausgabe der „Tagespost“ vom 24. Januar 2019.