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Hilft hier ein Kommunionverbot?

Soll die Kirche Abtreibungsbefürworter nicht mehr zur Kommunion zulassen? Ja, meint Pater Bernward Deneke - die Gegenposition vertritt der emeritierte Fuldaer Bischof Heinz Josef Algermissen
Abtreibungsgegner von der Kommunion ausschließen: Ja oder Nein?
Foto: dpa | Soll die Kirche Abtreibungsbefürwortern die klare Kante zeigen, indem sie ihnen verbietet, die heilige Kommunion zu empfangen?

Pro: Anstoß zu Umkehr und Buße

Von Pater Bernward Deneke

Soll einem katholischen Politiker, der für das Recht auf Abtreibung eintritt, die Kommunion verweigert werden? Man könnte die Frage mit Hinweis auf 1 Korinther 11,27–29 verneinend beantworten. Paulus fordert den einzelnen Christen auf, sein Gewissen zu prüfen, bevor er den Leib des Herrn empfängt. Von einer bevormundenden Einmischung der kirchlichen Obrigkeit ist nicht die Rede, ebenso wenig von einem Ausschluss wegen bestimmter Verfehlungen oder gar davon, kommunionunwürdige Subjekte an den Pranger zu stellen.

Allerdings greift die Antwort biblisch und lehramtlich zu kurz. Biblisch, weil auch Paulus die Binde- und Lösegewalt kennt und von ihr starken Gebrauch zu machen weiß. So sieht er sich angesichts ärgerniserregender Verfehlungen gegen die Sexualmoral und den Glauben dazu veranlasst, gewisse Personen „dem Satan zu übergeben“ (vgl. 1 Korinther 5, 5; 1 Timotheus 1, 20). Diese „Übergabe“, ein Paket von strafenden und therapeutischen Maßnahmen, enthielt zweifelsohne den Ausschluss aus der eucharistischen Communio. Die Praxis der nachapostolischen Zeit bestätigt diese Annahme.

Auch lehramtlich verfehlt die Argumentation mit 1 Korinther 11 das Thema. Der Pro-Choice-Politiker ist nicht irgendein Katholik, der gut daran tut, vor dem Kommuniongang nochmals sein Gewissen zu erforschen. In Sachen Abtreibung handelt es sich eben nicht um eine x-beliebige Verfehlung irgendwo zwischen „unandächtig gebetet“ und „ungeduldig gewesen“.

"Ein katholischer Politiker, der für
die Liberalisierung der Abtreibung eintritt,
steht gegen die Lehre seiner Kirche"
Pater Bernward Deneke

Im Urteil der Kirche ist die vorgeburtliche Kindstötung ein „verabscheuungswürdiges Verbrechen“ (Vat. II, GS 51), belegt mit einer Exkommunikation ipso facto (CIC can. 1398). Und ihre Förderung ist ebenfalls verwerflich, hat doch gemäß der Instruktion „Donum vitae“ (1987) die staatliche Autorität die Pflicht, das Lebensrecht Ungeborener zu schützen und dafür „geeignete Strafmaßnahmen“ einzusetzen; denn „wenn die Staatsmacht sich nicht … in besonderer Weise in den Dienst dessen stellt, der am schwächsten ist, dann werden die Grundmauern des Rechtsstaates untergraben.“ (III)

Ein katholischer Politiker, der für die Liberalisierung der Abtreibung eintritt, steht somit gegen die Lehre seiner Kirche, in der Öffentlichkeit und für die Öffentlichkeit. Er zertrümmert die Fundamente des Gemeinwesens, indem er dessen schutzbedürftigste Glieder zur Tötung freigibt. Mag sein, dass viele Zeitgenossen das nicht mehr so dramatisch empfinden – dennoch bleibt das verabscheuungswürdige Verbrechen ein verabscheuungswürdiges Verbrechen. Daran zu erinnern, gehört zur prophetischen Sendung der Kirche.

Die Wunde offenhalten, spürbarer Stachel im Fleisch bleiben

Anstatt die „normative Kraft des Faktischen“ hinzunehmen, lautet das Gebot der Stunde: Die Wunde offenhalten, spürbarer Stachel im Fleisch bleiben! Auch der bloße Anschein feiger Komplizenschaft mit den Mächtigen dieser Welt brächte die Kirche in Widerspruch zu ihrer Würde als Braut und Leib Christi.

Zwei Personen dürfen hier nicht vergessen werden: Christus, der im Altarsakrament gegenwärtig ist, und der Pro-Choice-Politiker. Reicht man diesem, der sich in eklatanter Weise kommunionunwürdig gemacht hat, den Leib des Herrn, so wird das höchste Gut der Kirche, Jesus in seiner liebenden Hingabe, der Entweihung preisgegeben. Verwehrt man ihm hingegen das Sakrament, so wird ein Sakrileg verhindert und dem Betroffenen ein heilsamer Anstoß zu Umkehr und Buße gegeben.

 

Contra: Aufklärung statt Sanktionen

Von Bischof em. Heinz Josef Algermissen

Die Haltung der katholischen Kirche zur Abtreibung ist nicht nur ganz eindeutig, sondern dürfte aufgrund der zahlreichen lehramtlichen Wortmeldungen zur Problematik selbst unter Nichtkatholiken weithin bekannt sein: Menschliches Leben besitzt von Anfang an eigene Würde, eigenes Recht und eigenständigen Schutzanspruch. Abtreibung ist so als vorsätzliche Tötung eines Menschen ein „verabscheuungswürdiges Verbrechen“ (Konstitution Gaudium et spes des 2. Vatikanums, Nr. 51), das niemals gerechtfertigt werden kann, auch nicht durch Berufung auf eine persönliche Gewissensentscheidung. Abtreibung „stellt ein schweres Vergehen gegen das sittliche Gesetz dar“ (KKK 2271), weshalb auch die „formelle Mitwirkung an der Abtreibung… ein schweres Vergehen“ ist (KKK 2272). Papst Johannes Paul II. präzisierte in seiner Enzyklika „Evangelium vitae“ (1995) das Problem der Mitwirkung an der Legalisierung der Abtreibung durch Politiker: „Wo Abtreibung für rechtmäßig erklärt werden soll, stehen solche Gesetze „in totalem und unversöhnlichem Widerspruch zu dem allen Menschen eigenen unverletzlichen Recht auf Leben“ (EV 72).

Ausschluss eignet sich nicht zur Gewissensbildung

Vor diesem Hintergrund der eindeutigen Verurteilung scheint die Erinnerung des Bischofs von Illinois daran, dass sich die betreffenden katholischen Politiker mit ihrer Ja-Stimme zu den Abtreibungsgesetzen in eine Situation begeben hätten, die vom rechtmäßigen Kommunionempfang ausschließt, durchaus gerechtfertigt.

Und doch bezweifle ich aus mehreren Gründen, dass ein öffentlicher und namentlicher Ausschluss politischer Repräsentanten geeignet ist, die Gewissensbildung der Gläubigen hinsichtlich des Lebensschutzes zu fördern. An den Pranger zu stellen im Sinne eines öffentlichen Tribunals ist nie eine gute Methode der Seelsorge.

Die Tatsache, dass die betroffenen Abgeordneten, bei denen ich eine hinreichende Kenntnis über die kirchliche Position vermute, dennoch zugunsten der Liberalisierung der Abtreibung gestimmt haben, offenbart ein Kernproblem, das weit über das Geschehen in Illinois hinausreicht: Woher eigentlich die innere Blockade, das Lebensrecht des ungeborenen Kindes und seine fundamentale Begründung konsequent anzuerkennen? Warum sind so viele unfähig, die Personwürde des Menschen und die Unverletzlichkeit seines leiblichen Daseins von allem Anfang an zu akzeptieren? Jedenfalls wäre eine ernste inhaltliche Auseinandersetzung in einem persönlichen Gespräch des Bischofs mit den beiden Abtreibungsbefürwortern sicher die erste Option gewesen. Aufklärung zugunsten eines umfassenden Lebensschutzes ist ein weitaus wirksameres Mittel zur Gewissensbildung als der Versuch, das Sakrament der Eucharistie zu Sanktionszwecken einzusetzen.

"Nur mit dauerndem Engagement im Einsatz
für die Heiligkeit und Unantastbarkeit des
menschlichen Lebens können wir das Geschenk
der Treue Gottes zum Leben vermitteln"
Bischof em. Heinz Josef Algermissen

Gegenüber den Tendenzen einer „Kultur des Todes“ bedarf es keiner Intervention nach amerikanischem Vorbild, sondern argumentativer und geduldiger Überzeugungsarbeit gegen die allgemeine Gleichgültigkeit, die sich wie Mehltau über die Gesellschaft legt und jedes Profil zerstören will. Nur mit dauerndem Engagement im Einsatz für die Heiligkeit und Unantastbarkeit des menschlichen Lebens von Anfang bis zu seinem Ende können wir das Geschenk der Treue Gottes zum Leben vermitteln.

 

Hintergrund:
Immer wieder stellt sich die Frage, wie die Kirche auf politische Entscheidungen im Bereich des Lebensschutzes reagieren soll, um die unbedingte Würde des menschlichen Lebens von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod zu verteidigen.

Für Diskussionen sorgt aktuell die Liberalisierung des Abtreibungsrechtes im US-Staat Illinois. In den USA wurde Abtreibung bereits 1973 durch eine Entscheidung des Obersten Verfassungsgerichts grundsätzlich legalisiert, die Neuregelungen in Illinois, die dem Vorbild des Bundesstaates New York folgen und am 12.06.2019 vom demokratischen Gouverneur von Illinois, J. B. Pritzker, unterzeichnet wurden, gehen jedoch darüber hinaus: Sie erlauben die Finanzierung von Abtreibungen aus Steuermitteln und erheben Abtreibung zu einem Grundrecht, das die legalisierte Tötung von Kindern im Mutterleib bis zum Zeitpunkt der Geburt ermöglicht.

Der Bischof der Diözese Springfield in Illinois, Thomas Paprocki, reagierte darauf mit einem Dekret, in dem er mit Berufung auf can. 915 CIC die beiden katholischen Politiker Michael Madigan sowie Senatspräsident John Cullerton vom Empfang der Heiligen Kommunion ausschloss. Ein deutliches Signal für das Leben. Wie wirksam ist diese Sanktion? Können öffentliche Kommunionverbote für Abtreibungsbefürworter helfen, die Gewissen der Gläubigen für den Lebensschutz zu schärfen? DT/AM

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