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Polens Kirche im Visier

In Polen vergeht kaum ein Tag, an dem nicht neue, negative Kirchen-Schlagzeilen durch die Medien des Landes Kreises. Mitverantwortlich dafür ist vor allem ein neuer Dokumentarfilm.
Polens Kirche wegen Missbrauchsfällen in der Kritik
Foto: Damian Klamka (ZUMA Wire) | Mal ist es eine Umfrage, die belegt, dass die Hälfte der Befragten für einen Rücktritt des gesamten polnischen Episkopats wäre, dann melden sich Gestalten des öffentlichen Lebens zu Wort, die sich nun nach einiger ...

Seitdem der Dokumentarfilm „Sage es nur niemand“ („Tylko nie mow nikomu“), der die Begegnung von polnischen Missbrauchsopfern mit ihren früheren, priesterlichen Peinigern zeigt, bei Youtube hochgeladen wurde, vergeht kaum ein Tag, an dem nicht neue, negative Kirchen-Schlagzeilen durch die Medien des Landes kreisen und ins Ausland herüberspringen.

Auch im Parlaments-Wahlkampf dürfte das Thema Missbrauch eine Rolle spielen

Mal ist es eine Umfrage, die belegt, dass die Hälfte der Befragten für einen Rücktritt des gesamten polnischen Episkopats wäre, dann melden sich Gestalten des öffentlichen Lebens zu Wort, die sich nun nach einiger zeitlicher Dauer als kirchliches Missbrauchsopfer outen. Diverse Politiker haben sich bereits im Europa-Wahlkampf zum Thema Kirche und Missbrauch geäußert; beim Wahlkampf zum polnischen Parlament im Herbst, dies kann man erwarten, wird es weitergehen.  

Dabei sind die wichtigsten Dinge längst bekannt: Bei der Frühjahrs-Versammlung der polnischen Bischöfe im März 2019 konnte das offizielle Ergebnis einer Untersuchung präsentiert werden: Demnach haben sich 382 Geistliche zwischen dem Januar 1990 und dem 30. Juni 2018 des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs schuldig gemacht. Jeder Fall ein Fall zu viel, doch bei einer Zahl von mehr als 24 900 Geistlichen insgesamt (aktueller Stand), ist dies keine Zahl, die sich für unzulässige Pauschalisierungen eignet. Mag es bei derartigen Vergehen, wie bei jeder anderen Organisation und in jedem anderen Land, allerdings auch eine Dunkelziffer geben.

Schon 2014 verfassten die polnischen Bischöfe Richtlinien

Schon im Jahr 2014, wohl als Reaktion auf die 2010 bekanntgewordenen Kirchen-Fälle in Irland und Benedikts XVI. entschiedenes Durchgreifen, verfassten die polnischen Bischöfe Richtlinien für den Umgang mit Klerikern, die sich derartiger Verbrechen schuldig gemacht haben, und zur Hilfe der Opfer. Im Jahr 2015, während des Pontifikats von Franziskus, wurden diese Richtlinien vom Heiligen Stuhl approbiert, doch 2017 verschärften die polnischen Hirten die Richtlinien noch einmal, sodass sie sogar strenger ausfielen, als das, was das polnische Strafgesetzbuch vorsieht.

Ein Beispiel: Für den Staat endet die Minderjährigkeit mit dem Alter von 15, für die Kirche jedoch erst mit 18 Jahren. Im Jahr 2014 wurde außerdem in Krakau das von einem Jesuiten geleitete offizielle "Kinderschutzzentrum" der Kirche Polens eröffnet, das bisher mehr als 3000 kirchliche Mitarbeiter aus ganz Polen für Missbrauchsfälle sensibilisiert und geschult hat. Hier findet ein psychologisch fundiertes Coaching statt, das bei anderen Institutionen seinesgleichen sucht: Neben Opferhilfe auch Erziehungsprogramme, die auf Prävention zielen.

DT

Warum man sich um Fakten wie diese in der derzeitigen medialen Erregung nur eingeschränkt kümmern zu wollen scheint, erfahren Sie in der aktuellen Ausgabe der „Tagespost“ vom 29. Mai 2019.

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Stefan Meetschen Bischof Missbrauchsopfer

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