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Marx differenziert Einschätzung zum „christlichen Abendland“

Wenn „Abendland“ bezogen auf Europa auch die Wurzeln in Judentum und Christentum meine, aus denen sich ein Wertekanon herausgebildet habe, sei er ganz einverstanden mit dem Wort, so der Münchner Kardinal Reinhard Marx.
Marx äußert sich erneut zum "christlichen Abendland"
Foto: Friso Gentsch (dpa) | Marx äußert sich erneut zum "christlichen Abendland"

Der Münchner Kardinal Reinhard Marx hat sich erneut zum Begriff vom „christlichen Abendland“ geäußert. Diesmal differenzierte der Erzbischof von München und Freising seine Einschätzung. „Wenn ‚Abendland‘ bezogen auf Europa auch die Wurzeln in Judentum und Christentum meint, aus denen sich ein Wertekanon herausgebildet hat, dann bin ich ganz einverstanden mit diesem Wort“, sagte Marx in einem Radiobeitrag für die Sendereihe „Zum Sonntag“ des Bayerischen Rundfunks. Im Januar hatte der 65-Jährige den Begriff als „vor allem ausgrenzend“ bezeichnet.

Marx: Zentrale Grundwerte gehören nicht den Religionen

Zentrale europäische Grundwerte wie Menschenwürde, Freiheit, Frieden und Solidarität „und – als Grundlage für all das – die Gottebenbildlichkeit des Menschen“ ließen sich aus den jüdisch-christlichen Wurzeln Europas verstehen, erklärt der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz weiter. Viele dieser Werte ließen sich aber nicht nur aus dem Glauben heraus begründen, sondern seien „in den Menschenrechten ein Allgemeingut geworden und ‚gehören‘ nicht den Religionen“.

Daher warnte Marx davor, den Begriff „christliches Abendland“zu instrumentalisieren. Werte wie Menschenwürde, Freiheit, Frieden und Solidarität könnten nicht benutzt werden zur Abgrenzung und Abwertung von Anders- oder Nicht-Gläubigen. „Der christliche Glaube ist ja gerade nicht exklusiv, er nimmt grundsätzlich alle Menschen in den Blick und das Heil der ganzen Welt, ja der gesamten Schöpfung“, so Marx.

Marx warnt vor Instrumentalisierung des Begriffes durch Populisten

„Wenn der Begriff des ‚Abendlandes‘ von Populisten für ihre eigenen Zwecke verkürzt verwendet wird, liegt es an uns, die Werte eines – gerade durch die Botschaft der Bibel – jüdisch und christlich verwurzelten Europa durch unsere Rede und unser Handeln fruchtbar zu machen und das Verbindende mit anderen Religionen, Kulturen und Überzeugungen zu suchen“. Nicht die Suche nach den Gegensätzen bringe die Gesellschaft weiter, so der Münchner Erzbischof, sondern das „Streben nach dem, was uns verbindet zu einer Menschheitsfamilie“. Darin habe Europa große Erfahrungen gesammelt, „auch im Friedensprojekt der Europäischen Union“, erklärt Marx. „Darin kann auch heute Europas Beitrag für eine bessere Welt liegen.“
 
Der Kardinal betont, Orient und Okzident, Morgenland und Abendland, seien früher rein geographische Begriffe gewesen, die jedoch später mit weiteren Inhalten gefüllt worden seien, „von Religion und Kultur bis hin zur Ideologie“. Politische Macht verbunden mit religiösen Interessen habe sich dadurch abgegrenzt. „So standen dann irgendwann – kurz gefasst – Christen und Muslime einander gegenüber in der Frage um den rechten Glauben.“ Gerade wenn ein Begriff mehrdeutig sei, sei es wichtig, sorgsam auf die eigenen Worte zu achten und eine Instrumentalisierung des Begriffs zu vermeiden.

DT/mlu/pm

Die Hintergründe zu diesem Thema finden Sie in der Wochenausgabe der Tagespost.

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