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Marx: "Auch ich habe weggesehen"

Kardinal Reinhard Marx entschuldigt sich im Namen der deutschen Bichöfe für den sexuellen Missbrauch durch Geistliche. Er schäme sich für das Vertrauen, das zerstört wurde, so der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz bei Herbstvollversammlung. Von Kilian Martin
Herbstvollversammlung Deutsche Bischofskonferenz
Foto: Arne Dedert (dpa) | "Wir haben den Opfern nicht zugehört", so der Vorsitzende der deutschen Bischöfe, Kardinal Reinhard Marx.

Kardinal Reinhard Marx hat sich im Namen der deutschen Bischöfe für den sexuellen Missbrauch durch Geistliche entschuldigt. "Ich schäme mich für das Vertrauen, das zerstört wurde; für die Verbrechen, die Menschen durch Amtspersonen der Kirche angetan wurde", erklärte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) in Fulda. Dort wurde am Dienstag im Rahmen der Herbstvollversammlung der deutschen Bischöfe eine lange erwartete Studie zum sexuellen Missbrauch Minderjähriger durch Kleriker vorgestellt.

Marx: "Scham" für das Wegschauen bei Missbrauch

Marx erklärte weiter, er empfinde Scham "für das Wegschauen von vielen, die nicht wahrhaben wollten, was geschehen ist und die sich nicht um die Opfer gesorgt haben". Dabei schloss der Erzbischof von München und Freising sich ausdrücklich mit ein: "Wir haben den Opfern nicht zugehört."

Laut der von einem unabhängigen Forscherkonsortium erarbeiteten Studie wurden im Zeitraum von 1946 bis 2014 mindestens 1 670 Kleriker in Deutschland des sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen beschuldigt. Die Wissenschaftler hatten diese Zahl aus insgesamt 38 156 kirchlichen Akten ermittelt. Insgesamt sollen von den vorgeworfenen Missbrauchstaten 3 677 Personen betroffen gewesen sein. Gegen 566 der mutmaßlichen Täter waren laut Aktenlage kirchenrechtliche Verfahren eingeleitet worden. Insgesamt 630 Kleriker wurden zudem bei den staatlichen Behörden angezeigt.

Studie stellt Anfragen an kirchliche Institutionen

Laut Marx stelle sich die Frage, ob die Kirche zur Aufklärung und Verhinderung von Missbrauchsfällen bereits genug getan habe. Die Erkenntnisse der Studie stellten insbesondere Anfragen an die kirchlichen Institutionen. "Wir haben zu lange weggeschaut, um der Institution willen und des Schutzes von uns Bischöfen und Priester willen", so der Kardinal. Weiter erklärte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz: "Wir lassen Machtstrukturen zu und haben meist einen Klerikalismus gefördert, der wiederum Gewalt und Missbrauch begünstigt hat." Die Bischöfe hätten erst lernen müssen, dass das Problem des sexuellen Missbrauchs keine Frage von Einzelfällen ist.

Trierer Bischof Ackermann: Habe Ergebnis der Studie erwartet

"Ich habe das Ergebnis der vorliegenden Studie leider erwartet", erklärte der Trierer Bischof Stephan Ackermann in einer schriftlichen Stellungnahme. Gleichwohl erschreckten ihn die Fakten, so der Beauftragte der DBK für Fragen des sexuellen Missbrauchs. Der Bericht zeige den Bischöfen, dass sie "noch konsequenter und abgestimmter untereinander vorgehen" müssten. Insbesondere gelte es, eine Kultur zu schaffen, die "den Missbrauch von Macht wirksam zu verhindern". Mit Verweis auf das Matthäus-Evangelium erklärte Ackermann, dass bereits Jesus den Missbrauch von Macht scharf verurteilt habe. In der Bibel heißt es: "Ihr wisst, dass die Herrscher ihre Völker unterdrücken und die Mächtigen ihre Macht über die Menschen missbrauchen. Bei euch soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein." (Mt 20,25 f.)

DT

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