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Langersehnter Friedensbotschafter

Vier Stationen, vier Themen, und die Versöhnung als Leitmotiv: Kolumbien wartet auf Papst Franziskus. Von Regina Einig

Medellin (DT) Hohe Erwartungen und intensive Vorbereitungen prägen wenige Tage vor der Ankunft des Papstes die Atmosphäre in den kolumbianischen Diözesen. Seit Monaten bereiten sich die Katholiken mit Gebetstreffen und Katechesen auf die Ankunft des Nachfolgers Petri vor. Es ist der erste Papstbesuch seit der Reise von Papst Johannes Pauls II. im Jahr 1986 und der erste Papstbesuch seit dem offiziellen Abschluss des Friedensvertrags zwischen der Regierung und den Farc-Rebellen. Versöhnung lautet das Leitmotiv der Pastoralvisite, die unter dem Motto „Machen wir den ersten Schritt“ steht: „Versöhnung beginnt bei jedem von uns“, unterstreicht ein junger Geistlicher am Samstag bei der Mittagskatechese in der Kathedrale der Immaculata im historischen Stadtzentrum von Medellin. Gut dreihundert Gläubige sind in den weitläufigen Backsteinbau gekommen. „Gehen wir vor dem Papstbesuch beichten und zeigen wir, dass wir zur Umkehr wirklich bereit sind“, empfiehlt der junge Geistliche.

Kaum Sekten und erst recht keine Muslime

Mit gut achtzig Prozent Katholiken-Anteil gehört Kolumbien zu den geistlich stabileren Ländern Lateinamerikas. Sekten haben hier – anders als in Brasilien und Argentinien – deutlich seltener Fuß gefasst. Medellin ist eine geistlich lebendige Metropole mit zahlreichen Ordensniederlassungen und prachtvollen Kirchen. Umso ratloser stehen viele Gläubige in diesen Tagen vor dem Cover des Stadtmagazins „Q hubo“. Die aktuelle Ausgabe zeigt das Konterfei von Papst Franziskus im Herzen einer Zielscheibe und titelt: Sie wollen ihn umbringen. Mit „sie“ sind weder die Farc-Rebellen, Drogenkartelle oder Para-Militärs gemeint, unter deren Umtrieben viele Kolumbianer jahrzehntelang gelitten haben, sondern der IS. Kopfschüttelnd kommentiert Luz Angela, eine sozial engagierte Katholikin aus Medellin: „Wir haben hier doch nicht einmal eine Moschee“. Die alleinerziehende Mutter hat noch nie einen Muslim gesehen, wie viele Bürger hier in Medellin. Sie macht sich Sorgen um die Sicherheit während des Papstbesuchs. An der Messe auf dem Gelände des Stadtflughafens in Medellin will sie aber dennoch teilnehmen.

Das Leben und die Mutter Gottes bilden den Auftakt

Jede der vier Städte, in die Papst Franziskus von Bogota aus eine Tagesreise unternehmen wird, setzt mit der Begegnung auch ein eigenes Thema. Zum Auftakt in Bogota steht das Leben und die Mutter Gottes als Mutter des Lebens im Mittelpunkt. Auch wenn Papst Franziskus nicht ins hundertdreißig Kilometer von Bogata entfernte Nationalheiligtum Chiquinquira reisen wird, braucht er auf das Gebet vor dem Gnadenbild der Rosenkranzkönigin und Schutzpatronin Kolumbiens nicht zu verzichten: Es wird in die Kathedrale gebracht und dort mehrere Tage während des Papstbesuchs zur Verehrung ausgestellt. In Bogota begegnet der Papst Präsident Manuel Santos und Vertretern aus Gesellschaft und Politik. Mit den kolumbianischen Bischöfen und dem Leitungskomitee des in Bogota ansässigen lateinamerikanischen Bischofsrates (CELAM) sind ebenfalls Begegnungen geplant. In Simon Bolivar-Park feiert der Papst die erste Eucharistie auf seiner Reise.

Der zweite Besuchstag in Villavicencio setzt Akzente in puncto Versöhnung. Am Morgen spricht der Papst im Rahmen der Heiligen Messe zwei Märtyrer der marxistischen Kirchenverfolgung selig: Bischof Jesus Emilio Jaramillo Monsalve (1916–1989) und Pfarrer Petro Ramirez Ramos (1899–1948) (Ausführliche Porträts der neuen Seligen folgen in der Samstags-Ausgabe dieser Zeitung.) Zu einem Gebetstreffen zur nationalen Versöhnung im Las-Malocas-Park sind alle gesellschaftlichen Gruppen eingeladen.

Auch ein Dank für zahlreiche geistliche Berufungen

Am dritten Besuchstag in Medellin steht neben der Messe auf dem Stadtflughafen die Begegnung mit Priestern, Ordensleuten und Seminaristen im Zentrum. Wie der mit der Vorbereitung des Papstbesuchs beauftragte Militärbischof Fabio Suescun Mutis hervorhebt, steht dieser Tag auch im Zeichen des Dankes für die zahlreichen geistlichen Berufe, die aus dieser Region Kolumbiens hervorgegangen sind. Außerdem besucht der Papst das über hundert Jahre alte Kinderheim Hogar San Jose, das sich heute in Trägerschaft des Erzbistums Medellin befindet.

Letzte Station der Papstreise ist die Hafenstadt Kartagena de Indias. Glaubt man dem Botschafter Kolumbiens am Heiligen Stuhl, Guillermo Leon Escobar, so ist dies der sensibelste Punkt der Papst-Reise, weil dort das Thema Menschenrechte naheliegt. In der Touristenmetropole herrschen besonders krasse Gegensätze zwischen Arm und Reich. Wo einst der Jesuitenmissionar Petrus Claver (1580–1654) schwarz-afrikanischen Sklaven beistand, wird Papst Franziskus besonders auf das Thema Armut eingehen und im Franziskus-Viertel den Grundstein für Obdachlosenunterkünfte segnen. In der Kirche San Petro Claver, die dem Schutzheiligen Kolumbiens und Patrons der Menschenrechte geweiht ist, betet Franziskus den Angelus. Nach einer Messfeier am Hafen nimmt er Abschied von Kolumbien und tritt den Heimflug an.

Auch eine Botschaft für das Nachbarland Venezuela?

Überlegungen, die südkolumbianische Stadt Mocoa ins Reiseprogramm aufzunehmen, scheiterten an praktischen Gesichtspunkten. Dem Vernehmen nach wäre der Papst einem Abstecher an die Ränder des Landes nicht abgeneigt gewesen: Anfang April hatte eine Schlammlawine in Mocoa dreihundert Menschen in den Tod gerissen. Doch die Sorge um die Sicherheit des Papstes nehmen die Gastgeber sehr ernst.

Mit Spannung werden viele beobachten, ob Papst Franziskus auch eine politische Botschaft an das Nachbarland Venezuela mitbringt. In der Grenzregion unterstützt die katholische Kirche Kolumbiens inzwischen tausende venezolanische Flüchtlinge. In Kirchenkreisen bezweifelt niemand, dass dies nur der Anfang ist.

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