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Kontemplation – die Menschen vor den Herrn tragen

Papst Franziskus in seiner Ansprache vor Nonnen kontemplativer Orden im Heiligtum “Señor de los Milagros” (Lima): „Liebe Schwestern, die Kirche braucht euch. Seid mit eurem gläubigen Leben Leuchttürme und weist auf den hin, der Weg, Wahrheit und Leben ist, den einzigen Herrn, der unserem Dasein Erfüllung verleiht und uns Leben in Fülle schenkt“.
Papstbesuch in Peru
Foto: Rodrigo Abd (AP) | Papst Franziskus winkt am 21.01.2018 in Lima (Peru) vor einem Treffen mit kontemplativen Nonnen im Heiligtum Las Nazarenas. Foto: Rodrigo Abd/AP/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++

Liebe Schwestern der verschiedenen Klöster kontemplativen Lebens,

wie gut ist es hier, in diesem Heiligtum „Señor de los Milagros“ (Herr der Wunder), zu sein, das von den Peruanern so sehr aufgesucht wird, um ihn um seine Gnade zu bitten und damit er uns seine Nähe und Barmherzigkeit erweise. Er, der »der Leuchtturm ist, der uns führt, der uns mit seiner göttlichen Liebe erhellt«. Wenn ich euch hier sehe, so habe ich den Eindruck, dass ihr meinen Besuch genutzt habt, um einen Spaziergang zu machen. Danke, Mutter Soledad für ihre Willkommensworte und euch allen, die ihr »von der klösterlichen Stille aus immer an meiner Seite geht«.

Hören wir auf die Worte des heiligen Paulus und erinnern wir uns daran, dass wir den Geist der Sohnschaft empfangen haben, der uns zu Kindern Gottes macht (vgl. Röm 8,15-16). Diese wenigen Worte verdichten den Reichtum jeder christlichen Berufung: die Freude um das Wissen unserer Sohnschaft. Dies ist die Erfahrung, die unser Leben trägt, das immer eine dankbare Antwort auf diese Liebe sein will: Wie wichtig ist es, tagtäglich diese Freude zu erneuern!

Ein privilegierter Weg für euch, um diese Gewissheit zu erneuern, ist das gemeinschaftliche und persönliche Gebetsleben. Dieses ist der Kern eures kontemplativen Lebens und der Weise, die Liebeserfahrung zu pflegen, welche unseren Glauben trägt, und, wie uns Mutter Soledad gut gesagt hat, es ist ein immer missionarisches Gebet.

Dem missionarischen Gebet gelingt es, sich mit den Geschwistern in den verschiedenen Situationen, in denen sie sich befinden, zu vereinen und für sie zu beten, damit es ihnen nicht an Liebe und Hoffnung fehlt. So sagte es die heilige Theresia vom Kinde Jesus: »Ich erkannte, dass die Liebe allein die Glieder der Kirche in Tätigkeit setzt, und würde die Liebe erlöschen, so würden die Apostel das Evangelium nicht mehr verkünden, die Märtyrer sich weigern, ihr Blut zu vergießen. Ich begriff, dass die Liebe alle Berufungen in sich schließt, dass die Liebe alles ist, dass sie alle Zeiten und Orte umspannt, mit einem Wort, dass sie ewig ist. […] Im Herzen der Kirche, meiner Mutter, werde ich die Liebe sein.«[1]

Die Liebe sein! Dies bedeutet, den vielen Brüdern und Schwestern in ihrem Leiden zur Seite zu stehen und mit dem Psalmisten zu sagen: »Aus der Bedrängnis rief ich zum Herrn, der Herr antwortete und schuf mir Weite« (Ps 118,5). So erreicht eurer Leben in der Klausur eine missionarische und universale Tragweite und »eine grundlegende Rolle im Leben der Kirche. Ihr betet und tretet ein für unsere vielen Brüder und Schwestern, die Gefangene, Migranten, Flüchtlinge und Verfolgte sind, für so viele verwundete Familien, für die Arbeitslosen, für die Armen, für die Kranken, für die Suchtopfer – um nur einige Situationen zu nennen, die jeden Tag dringender werden. Ihr seid wie jene, die einen Gelähmten vor den Herrn trugen, damit er ihn heilte (vgl. Mk 2,1-12). Durch euer Gebet tragt ihr Tag und Nacht das Leben vieler Brüder und Schwestern vor den Herrn, die aus verschiedenen Gründen nicht zu ihm gelangen und die Erfahrung seiner heilenden Barmherzigkeit machen können, während er sie erwartet, um ihnen Gnade zu erweisen. Mit eurem Gebet könnt ihr die Wunden vieler Mitmenschen heilen«.[2]

Gerade deshalb können wir bekräftigen, dass das Leben in der Klausur das Herz nicht einsperrt und nicht einengt, sondern es dank der Beziehung zum Herrn weitmacht und befähigt, auf neue Weise den Schmerz, das Leiden, das Scheitern, das Unglück vieler Geschwister zu spüren, die Opfer in dieser „Wegwerfkultur“ unserer Zeit sind. Möge die Fürbitte für die Notleidenden das Merkmal eures Gebets sein. Und wenn es möglich ist, helft ihnen, nicht nur mit dem Gebet, sondern auch mit dem konkreten Dienst.

Das Bittgebet, das in euren Klöstern verrichtet wird, steht im Einklang mit dem Herzen Jesu, das den Vater bittet, dass wir alle eins sind, damit die Welt glaubt (vgl. Joh 17,21). Wie sehr benötigen wir die Einheit in der Kirche! Heute und immer! Vereint im Glauben. Vereint durch die Hoffnung. Vereint durch die Liebe. Diese Einheit entspringt aus der Gemeinschaft mit Christus, der uns mit dem Vater im Geist und in der Eucharistie untereinander in diesem großen Geheimnis der Kirche vereint. Ich bitte euch darum, viel um die Einheit dieser geliebten peruanischen Kirche zu beten.

Bemüht euch im schwesterlichen Leben und macht so aus jedem Kloster einen Leuchtturm, der mitten in der Uneinigkeit und Trennung strahlen kann. Helft wahrzumachen, dass dies möglich ist. Möge jeder, der sich in eure Nähe begibt, die Seligkeit der geschwisterlichen Liebe kosten, die dem geweihten Leben eigen ist und für die Welt von heute und in unseren Gemeinden so notwendig ist.

Wenn man die Berufung in Treue lebt, wird das Leben zur Verkündigung der Liebe Gottes. Ich bitte euch nicht aufzuhören, dieses Zeugnis zu geben. In dieser Kirche der Unbeschuhten Nazarenerinnen-Karmelitinnen erlaube ich mir, an die Worte der geistlichen Lehrmeisterin, der heiligen Theresia von Jesus, zu erinnern: »Wenn sie den Führer – den guten Jesus – verlieren, werden sie den richtigen Weg nicht finden […] Denn der Herr sagt selbst, dass er der Weg sei; außerdem sagt der Herr, dass er das Licht sei und dass niemand zum Vater gelangen kann, außer durch ihn.[3]

Liebe Schwestern, die Kirche braucht euch. Seid mit eurem gläubigen Leben Leuchttürme und weist auf den hin, der Weg, Wahrheit und Leben ist, den einzigen Herrn, der unserem Dasein Erfüllung verleiht und uns Leben in Fülle schenkt.[4]

Betet für die Kirche, für die Hirten, für die Gottgeweihten, für die Familien, für die Leidenden, für diejenigen, die die Böses tun, für diejenigen, die ihre Geschwister ausbeuten. Und vergesst bitte nicht für mich zu beten.
________________________
[1] Selbstbiographische Schriften: Brief an Schwester Marie du Sacré-Cœur (8. September 1896), Handschrift B [3v].
[2] Apostolische Konstitution Vultum Dei quaerere über das kontemplative Leben in Frauenorden (29. Juni 2016), 16.
[3] Die innere Burg, VI, Kap. 7, Nr. 6.
[4] Vgl. Apostolische Konstitution Vultum Dei quaerere über das kontemplative Leben in Frauenorden (29. Juni 2016), 6.

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