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Kardinal Kasper unterstützt im Kommunionstreit weiterhin Mehrheit der deutschen Bischöfe

Im Kommunionstreit meldet sich der ehemalige Präsident des Päpstlichen Rats zur Förderung der Einheit der Christen zu Wort. Auf Entscheidungen des Papstes geht er dabei nicht ein. Von Michael Karger
Kommunionstreit - Erzbischof Robert Zollitsch hofft auf Lösung
Foto: Bernd Thissen (dpa) | ARCHIV - ILLUSTRATION - Ruhrbischof Genn bricht am 20.03.2009 im Dom in Essen bei einen Gottesdienst die Hostie.

Mehrfach hat sich der 85-jährige Kurienkardinal Walter Kasper, ehemals Vorsitzender des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen (1999-2012), im Streit der deutschen Bischöfe um die Zulassung von konfessionsverschiedenen Ehepartnern zur Kommunion zu Wort gemeldet. Dabei sekundierte er stets der Position der Mehrheitspartei im Episkopat. Am 4. März hatte Kasper sich im Blick auf  Kommuniongemeinschaft und Ökumene insgesamt sehr optimistisch geäußert: „Es wäre theologisch mehr möglich, als wir gegenwärtig tun. Mit den Lutheranern etwa sind wir in der Eucharistie- und Amtslehre zwar nicht völlig einig, aber doch sehr, sehr nah. Da wären im Einzelfall Schritte möglich, wie sie schon Papst Johannes Paul klar umschrieben hat.”

Am 11. Mai betrachtete der Kardinal in Weingarten die Kommunion für nichtkatholische Ehepartner aus reformatorischen Gemeinschaften als „Schritt zur allgemeinen Eucharistiegemeinschaft” und fügte hinzu: „Die Teilnahme einzelner evangelischer Christen in konfessionsverschiedenen Ehen, die den katholischen Eucharistieglauben teilen, kann ein Schritt in die richtige Richtung sein.” Denn diese Ehen nähmen „die Einheit der Kirche gewissermaßen vorweg … Sie sind kein gefährlicher Bazillus, vor dem man sich in Acht nehmen muss; sie sind eine Frischzelle im Leib Christi der Kirche”.

Unlängst nach der ersten Weisung des Papstes, die der deutschen Bischofsdelegation in Rom beschieden worden war (einvernehmliche Einigung auf nationaler Ebene), sprach sich der Kardinal in Fulda für mehr  ortskirchliche Eigeninitiative aus: Die Entscheidungskompetenz liege bei den lokalen Autoritäten. Darauf habe der Papst immer wieder hingewiesen und ermuntere die Bischöfe dazu. Am 7. Juni nahm Kasper Stellung zum Antwortschreiben der Glaubenskongregation, in dem den deutschen Bischöfen die Entscheidung des Papstes mitgeteilt worden ist. Zunächst beschuldigt der Kardinal „Mitarbeiter der Kurie” des „Loyalitätsbruches”, den diese mit der vorzeitigen Weitergabe des Briefes an römische Journalisten begangen hätten. Inhaltlich geht Kasper auf die Entscheidungen des Papstes nicht ein. Er zeigt sich „verwundert” darüber, dass „auch solche, die es besser wissen müssten, behaupten, eine Kommunion von nichtkatholischen Christen sei grundsätzlich ausgeschlossen, oder müsse zumindest universalkirchlich erst geklärt werden.”

In der Anfrage der sieben Diözesanbischöfe an die Glaubenskongregation wurde eine Überprüfung der „Handreichung” dahingehend erbeten, ob darin nicht eine Überdehnung des Canon 844§4 CIC vorliege. In der Bitte um Klärung heißt es: Im Dokument werde „nicht primär die Sehnsucht nach der eucharistischen Gnade, sondern der gemeinsame Kommunionempfang der konfesssionsverschiedenen Ehepartner zum Kriterium der Notlage. Diese Notlage ist nach unserer Einschätzung keine andere als die der Ökumene insgesamt … Damit taugt sie in unseren Augen nicht mehr zu einem Ausnahmekriterium.” Zur Frage der sieben Bischöfe, inwieweit eine so weitgehende nationalkirchliche Entscheidung „ohne Rückbindung und Einbindung in die Universalkirche” möglich sei, antwortet Kardinal Kasper: „Die universalkirchliche Möglichkeit ist durch das II. Vatikanische Konzil grundlegend und im gültigen Kirchenrecht im Sinne einer Einzelfallregelung längst gegeben und durch zwei Enzykliken von Papst Johannes Paul II. weiterführend im positiven Sinn geklärt. Dabei ist ausdrücklich festgehalten, dass der Diözesanbischof oder die Bischofskonferenz über den Einzelfall zu entscheiden haben. Es geht also nicht, wie verschiedentlich unterstellt, um einen deutschen Sonderweg oder um ein deutsches Eigenkirchenwesen.”

Was steht nun eigentlich im Kirchenrecht und in den angeführten Enzykliken? Im Codex wird über die Christen aus den reformatorischen Gemeinschaften gesagt: „Wenn Todesgefahr besteht, oder wenn nach dem Urteil des Diözesanbischofs beziehungsweise der Bischofskonferenz eine andere schwere Notlage (neccesitas gravis) dazu drängt, spenden katholische Spender dieses Sakrament erlaubt auch den … Christen, die einen Spender ihrer eigenen Gemeinschaft nicht aufsuchen können, sofern sie bezüglich dieser Sakramente den katholischen Glauben bekennen und in rechter Weise disponiert sind.” Bei den angeführten Enzykliken handelt es sich erstens um „Ut unum sint” (1995) und „Ecclesiam de Eucharistia” (2003). Darin so Kardinal Kasper würden die Kriterien für die „Ausnahmeregelung” klar benannt: „Die Betreffenden müssen frei darum bitten und von einem inneren Bedürfnis geleitet sein. … Zum anderen müssen sie den katholischen Glauben bezüglich der Eucharistie teilen, sicher nicht in allen Einzelheiten, …”. In „Ut unum sint” wird daran erinnert, dass „die katholischen Priester in bestimmten Einzelfällen die Sakramente der Eucharistie, der Buße und der Krankensalbung anderen Christen spenden können, die zwar noch nicht in voller Gemeinschaft mit der katholischen Kirche stehen, aber sehnlich den Empfang der Sakramente wünschen, von sich aus darum bitten und den Glauben bezeugen, den die katholische Kirche in diesen Sakramenten bekennt.”

Mit den bestimmten „Einzelfällen” können eigentlich nur die im Kirchenrecht genannten gemeint sein. Dort wird auch klar zwischen orthodoxen Christen und denen aus den reformierten Gemeinschaften unterschieden. Wenn man nun in die Enzyklika „Ecclesia de Eucharistia” schaut, findet man dort die Stelle: „Wenn die volle Gemeinschaft fehlt, ist die Konzelebration in keinem Fall statthaft. Dies gilt nicht für die Spendung der Eucharistie unter besonderen Umständen und an einzelnen Personen, die zu Kirchen oder kirchlichen Gemeinschaften gehören, die nicht in der vollen Gemeinschaft mit der katholischen Kirche stehen. In diesem Fall geht es nämlich darum, einem schwerwiegenden geistlichen Bedürfnis (gravis spirituali necessitati) einzelner Gläubiger im Hinblick auf das ewige Heil entgegenzukommen, nicht aber um die Praxis der Interkommunion, die nicht möglich ist, solange die sichtbaren Bande der kirchlichen Gemeinschaft nicht vollständig geknüpft sind.”

Diese Aussage wird in der „Handreichung” ausgeweitet beziehungsweise umgedeutet: „Es ist eine große Not, wenn der Glaube, der eine Frau und einen Mann dazu geführt haben, einander (!) das Sakrament der Ehe zu spenden und es wechselseitig voneinander (!) zu empfangen, zur Sehnsucht nach der gemeinsamen Kommunion führt, ohne dass sich ein Weg zeigt, diesem Wunsch mit dem Segen der Kirche zu entsprechen. Wenn dieser ’schweren geistlichen Notlage’ nicht abgeholfen wird, kann sogar die Ehe gefährdet werden, die in der Liebe Christi zur Kirche gründet.”

Hier liegt eine  klare Umdeutung der Aussage der Enzyklika durch die „Handreichung” vor. Sie ist nicht, wie Kardinal Kasper glauben machen will, bereits in der Enzyklika „weiterführend im positiven Sinn geklärt.” Hier hat nun das Antwortschreiben der Glaubenskongregation eine Klärung gebracht: Der Papst hält das Dokument nicht „zur Veröffentlichung reif”. Wenn alles bereits „weiterführend im positiven Sinne geklärt” wäre, warum hat der Papst dann der Bitte der sieben deutschen Diözesanbischöfe entsprochen und eine Prüfung beziehungsweise authentische Rechtsauslegung  mit den Worten angeordnet: „Das Thema betrifft das Recht der Kirche, vor allem die Auslegung des Canon 844 CIC. Weil es diesbezüglich in manchen Teilen der Kirche offene Fragen gibt, wurden die zuständigen Dikasterien des Heiligen Stuhls bereits beauftragt, eine baldige Klärung dieser auf weltkirchlicher Ebene herbeizuführen.”

In seinem Grundsatzreferat hat Kardinal Lehmann im Jahr 2000 sehr Bedenkenswertes über die „individuelle Heilshilfe” in Ausnahmesituationen erwogen und ein wichtiges Argument beigesteuert: Solche Ausnahmeregelungen blieben in überwiegend katholischen Ländern überschaubare Einzelfälle, die „die kirchliche Gesamtordnung kaum stören. In unserem Land, wo die großen Konfessionen jeweils einen etwa gleich großen Anteil an der Gesamtbevölkerung darstellen, ist eine solche kasuistische Einzelfall-Regelung nur schwer realisierbar.” Kardinal Lehmann hielt es für notwendig, „genau zu überlegen, ob diese Regelung, die grundsätzlich auf individuelle Heilshilfen hin orientiert ist, ein geeignetes Lösungsinstrument für unsere Situation mit ihren ganz anderen Strukturen darstellt.”

Wegweisend für eine Rückbesinnung unter den deutschen Bischöfe könnte folgende Aussage ihres verstorbenen Vorsitzenden sein, der den gesamten Ansatz kritisch in Frage stellt: „Es besteht kein Zweifel, dass die Bestimmungen über die Zulassung von Christen, die von den reformatorischen Kirchen herkommen, deren ekklesialen Status, weitgehend ausblenden. … Im Blick auf die seelsorgliche Komponente legt sich dies auch nahe. Der individuelle Aspekt für sich allein betrachtet, widerspricht aber letztlich dem Eucharistie-Verständnis, weil zu diesem der Grundbezug zur kirchlichen Gemeinschaft gehört.” Geht es der Minderheit nicht gerade um diesen unverzichtbaren Zusammenhang?

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