Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Papst Ansprache

„Jesus Christus steht immer im Mittelpunkt“

Im Wortlaut die Ansprache des Heiligen Vaters während der Generalaudienz vom 7. Februar.
Pope Francis' general audience
Foto: Giorgio Onorati (ANSA) | Papst Franziskus.

Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!

Fahren wir fort mit der Katechese über die Heilige Messe. Wir waren bei den Lesungen angelangt.
Der Dialog zwischen Gott und seinem Volk, der sich bei der Messe in der Liturgie des Wortes entwickelt, erreicht seinen Höhepunkt in der Verkündigung des Evangeliums. Ihr geht der Gesang des „Halleluja“ - oder während der Fastenzeit eine andere Akklamation – voraus, mit der „die Versammlung der Gläubigen den Herrn empfängt und begrüßt, der im Evangelium zu ihr sprechen wird“ (vgl. Grundordnung des Römischen Messbuchs, 62). Wie die Geheimnisse Christi die ganze biblische Offenbarung erhellen, so stellt das Evangelium in der Liturgie des Wortes das Licht dar, um den Sinn der biblischen Texte – sei es des Alten, sei es des Neuen Testaments - zu verstehen, die ihm vorausgehen. Denn: „Wie Christus die Mitte und Fülle der ganzen Heiligen Schrift ist, so ist er auch die Mitte und Fülle des ganzen Gottesdienstes“ (Lektionar, Einleitung, 5). Jesus Christus steht immer im Mittelpunkt – immer.

Daher unterscheidet die Liturgie das Evangelium von den anderen Lesungen und umgibt es mit besonderen Zeichen der Ehrerbietung und der Verehrung (vgl. Grundordnung des Römischen Messbuchs, 60; 134). So ist seine Lesung dem Priester oder Diakon vorbehalten, der am Ende das Buch küsst; man hört es im Stehen und bekreuzigt sich die Stirn, den Mund und die Brust; Kerzen und Weihrauch sind ein Zeichen der Verehrung Christi, der durch die Lesung des Evangeliums Sein wirkmächtiges Wort erklingen lässt. An diesen Zeichen erkennt die Versammlung die Gegenwart Christi, der die „Frohe Botschaft“, die bekehrt und verwandelt, an sie richtet. Es ist eine direkte Ansprache, wie die Rufe bezeugen, mit denen auf die Verkündigung geantwortet wird: „Ehre sei dir, o Herr“ und „Lob sei dir, Christus“. Wir stehen auf, um das Evangelium zu hören: es ist Christus, der dort zu uns spricht. Und daher hören wir aufmerksam zu, denn es ist ein direktes Gespräch. Es ist der Herr, der zu uns spricht.

Wir lesen also das Evangelium in der Messe nicht, um zu erfahren, wie sich die Dinge abgespielt haben, sondern wir hören das Evangelium, um uns ins Bewusstsein zu rufen, dass es sich um das handelt, was Jesus einst gesagt und getan hat; und dieses Wort ist lebendig, das Wort Jesu im Evangelium ist lebendig und gelangt zu meinem Herzen. Daher ist es so wichtig, das Evangelium zu hören, mit offenem Herzen, weil das Wort lebendig ist. Der heilige Augustinus schreibt, dass „das Evangelium der Mund Christi ist. Er herrscht im Himmel, doch er spricht weiterhin auf Erden“ (Sermo 85, 1: PL 38, 520; vgl. auch „Vorträge über das Johannes-Evangelium“, XXX, I: PL 35, 1632; CCL 36, 289). Wenn es wahr ist, dass „in der Liturgie … Christus noch immer die Frohe Botschaft (verkündet)“ (Sacrosanctum Concilium, 33), dann folgt daraus, dass wir ihm durch die Teilnahme an der Messe eine Antwort geben müssen. Wir hören das Evangelium und müssen mit unserem Leben eine Antwort geben.

Um uns seine Botschaft zukommen zu lassen, bedient Christus sich auch der Worte des Priesters, der nach dem Evangelium die Predigt hält (vgl. Grundordnung des Römischen Messbuchs, 65-66; Lektionar, Einleitung, 24-27). Die Predigt, die vom Zweiten Vatikanischen Konzil als Teil der Liturgie selbst sehr empfohlen wird (vgl. Sacrosanctum Concilium, 52), ist weder irgendeine Rede - auch keine Katechese, wie ich sie hier halte -, noch ein Vortrag, noch eine Vorlesung, die Predigt ist etwas anderes. Was ist die Predigt? „Die Homilie nimmt den Dialog auf, der zwischen dem Herrn und seinem Volk bereits eröffnet wurde“ (Evangelii gaudium, 137), damit er im Leben seine Erfüllung finde. Die wahre Exegese des Evangeliums ist unser heiligmäßiges Leben! Das Wort des Herrn beendet seinen Weg, indem es in uns Fleisch wird und sich in Werke umsetzt, wie es bei Maria und den Heiligen geschehen ist. Erinnert euch an das, was ich beim letzten Mal gesagt habe: das Wort des Herrn tritt durch die Ohren ein, gelangt zum Herzen und geht zu den Händen, den guten Werken. Und auch die Predigt folgt dem Wort des Herrn und legt diesen Weg zurück, um uns zu helfen, dass das Wort des Herrn über das Herz zu den Händen gelange.
Ich habe das Thema der Homilie bereits im Apostolischen Schreiben „Evangelii gaudium“ behandelt, wo ich in Erinnerung gerufen habe, dass der liturgische Kontext „verlangt, dass die Verkündigung die Gemeinde und auch den Prediger auf eine Gemeinschaft mit Christus in der Eucharistie hin ausrichtet, die das Leben verwandelt“ (ebd., 138).

Wer die Homilie hält – derjenige, der predigt, der Priester, der Diakon oder der Bischof – , muss sein Amt gewissenhaft erfüllen und allen, die an der Messe teilnehmen, einen wirklichen Dienst anbieten, doch auch diejenigen, die zuhören, müssen ihren Teil beitragen. Vor allem, indem sie der Predigt die gebührende Aufmerksamkeit schenken, das heißt, die richtige innere Haltung einnehmen, ohne subjektive Ansprüche, in dem Wissen, dass jeder Prediger seine Vorzüge und seine Grenzen hat. Wenn machmal eine lange oder nicht auf den Punkt kommende oder unverständliche Predigt Grund für Langeweile sein kann, so ist andere Male hingegen die Voreingenommenheit ein Hindernis. Und wer die Predigt schreibt, muss sich bewusst sein, dass er nichts eigenes macht, er predigt, indem er Jesus Ausdruck verleiht, er predigt das Wort Jesu. Und die Homilie muss gut vorbereitet werden, sie muss kurz sein, kurz! Ein Priester hat mir erzählt, dass er einmal in eine andere Stadt gegangen ist, in der seine Eltern wohnten, und sein Vater ihm gesagt hat: „Weißt du was, ich bin froh, dass meine Freunde und ich eine Kirche gefunden haben, in der die Messe ohne Predigt gefeiert wird!“. Und wie oft erleben wir es, dass bei der Predigt jemand einschläft, während andere schwätzen oder rausgehen, um eine Zigarette zu rauchen… Daher bitte: kurz soll die Predigt sein, aber sie muss gut vorbereitet werden. Und wie bereitet man eine Predigt vor, liebe Priester, Diakone und Bischöfe? Wie bereitet man sie vor? Durch das Gebet, durch die eingehende Betrachtung des Wortes Gottes und indem man eine klare und kurze Zusammenfassung macht. Sie darf bitte nicht länger als zehn Minuten dauern. Abschließend können wir sagen, dass Gott durch das Evangelium und die Homilie in der Liturgie des Wortes einen Dialog mit seinem Volk führt, das ihm aufmerksam und ehrfürchtig zuhört und gleichzeitig Seine Gegenwart und Wirkmacht erkennt. Wenn wir also auf die Frohe Botschaft hören, werden wir von ihr bekehrt und verwandelt und daher fähig, uns selbst und die Welt zu verändern. Warum? Weil die Frohe Botschaft, das Wort Gottes, zu den Ohren eintritt, zum Herzen geht und zu den Händen gelangt, um gute Werke zu tun.

Ein Sprecher verlas folgenden Gruß des Papstes an die Pilger aus dem deutschen Sprachraum:
Mit Freude heiße ich die Brüder und Schwestern aus den Ländern deutscher Sprache willkommen. In der Liturgie verkündet Christus immer noch die Frohe Botschaft, und wir müssen durch unsere Teilnahme an der heiligen Messe ihm Antwort geben. Der Herr helfe uns, wie die Heiligen das gelebte Evangelium für unsere Mitmenschen zu sein. Gott segne und behüte euch.

Nach den Grüßen in verschiedenen Sprachen verlas der Heilige Vater die folgenden beiden Appelle:
Morgen, am 8. Februar, dem liturgischen Gedenktag der heiligen Josefine Bakhita, wird der Internationale Tag des Gebets und der Reflexion gegen Menschenhandel begangen. Das diesjährige Leitwort lautet: „Migration ohne Menschenhandel. Ja zur Freiheit! Nein zum Menschenhandel!“. Da viele Migranten kaum Möglichkeiten einer regulären Einreise haben, beschließen sie, sich auf andere Wege einzulassen, auf denen häufig Missbrauch jeder Art, Ausbeutung und Versklavung sie erwarten. Die kriminellen Organisationen, die sich mit Menschenhandel befassen, nutzen die Migrationsrouten, um ihre Opfer unter den Migranten und Flüchtlingen zu verstecken. Ich lade daher alle dazu ein, Bürger wie Institutionen, ihre Kräfte zu bündeln, um dem Menschenhandel vorzubeugen und den Opfern Schutz und Beistand zu garantieren. Beten wir alle dafür, dass der Herr die Herzen der Menschenhändler – ein hässliches Wort: Menschenhändler - bekehren möge und denen, die unter diesem schändlichen Übel leiden, die Hoffnung schenke, ihre Freiheit wiederzuerlangen.

Übermorgen, am Freitag, den 9. Februar, werden im südkoreanischen Pyeongchang die XXIII. Olympischen Winterspiele eröffnet, an denen zweiundneunzig Länder teilnehmen.

Der traditionelle „Olympische Friede“ erhält in diesem Jahr besondere Bedeutung: Delegationen aus beiden Teilen Koreas werden gemeinsam unter einer einzigen Fahne einziehen und als ein einziges Team an den Wettkämpfen teilnehmen. Das lässt auf eine Welt hoffen, in der Konflikte friedlich mittels Dialog und in gegenseitigem Respekt gelöst werden, wie auch der Sport es lehrt.

Ich richte meinen Gruß an das Internationale Olympische Komitee, an die Sportler und Sportlerinnen, die an den Spielen von Pyeongchang teilnehmen, sowie an die Obrigkeiten und die Bevölkerung der koreanischen Halbinsel. Ich begleite sie alle mit meinem Gebet während ich erneut das Bemühen des Heiligen Stuhls zum Ausdruck bringen möchte, jede Initiative zugunsten des Friedens und der Begegnung unter den Völkern zu unterstützen. Möge diese Olympiade ein großes Fest der Freundschaft und des Sports sein! Gott segne und behüte euch!

Übersetzung aus dem Italienischen von Claudia Reimüller

Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen. Kostenlos erhalten Sie die aktuelle Ausgabe

Themen & Autoren
Bischof Jesus Christus Johannesevangelium Neues Testament Papst-Ansprachen Predigten

Weitere Artikel

In unserer „Tagespost“-Reihe begegnen wir dieses Mal dem Feldkuraten Otto Katz aus Jaroslav Hašeks „Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk“.
18.09.2023, 15 Uhr
Sebastian Moll

Kirche