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Die anregende Einfachheit des Evangeliums

Im Wortlaut die Ansprache des Heiligen Vaters während der Generalaudienz vom 6. Juni.
Papst Franziskus.
Foto: Giorgio Onorati (ANSA) | Papst Franziskus.

Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!

Bei der Fortführung unserer Betrachtung über das Sakrament der Firmung wollen wir uns die Wirkungen anschauen, die die Gabe des Heiligen Geistes in den Gefirmten reifen lässt, indem sie sie dazu bringt, ihrerseits eine Gabe für die anderen Menschen zu sein. Es ist eine Gabe des Heiligen Geistes. Rufen wir uns in Erinnerung, dass der Bischof, wenn er uns mit dem Öl salbt, die Worte spricht: „Sei besiegelt durch die Gabe Gottes, den Heiligen Geist“. Diese Gabe des Heiligen Geistes geht in uns ein und bringt Frucht, damit wir sie dann den anderen geben können. Immer empfangen, um zu geben: nie empfangen und die Dinge für sich behalten, als ob die Seele ein Lager wäre. Nein: immer empfangen, um zu geben. Die Gnaden Gottes werden empfangen, um sie den anderen zu geben. Das ist das Leben des Christen. Es ist also charakteristisch für den Heiligen Geist, uns vom Kreisen um unser Ich zu lösen, um uns dem „Wir“ der Gemeinschaft zu öffnen: empfangen, um zu geben. Nicht wir stehen im Mittelpunkt: wir sind ein Werkzeug dieser Gabe für die anderen.

Indem die Firmung die Ähnlichkeit mit Christus in den Getauften vervollständigt, vereint sie sie stärker als lebendige Glieder mit dem mystischen Leib der Kirche (vgl. Die Feier der Firmung, 25). Die Sendung der Kirche in der Welt erfolgt über den Beitrag aller, die zu ihr gehören. Manch einer denkt, in der Kirche gebe es Herren: den Papst, die Bischöfe, die Priester und dann die anderen. Nein: die Kirche sind wir alle! Und wir alle haben die Verantwortung, einander zu heiligen, uns umeinander zu kümmern. Die Kirche sind wir alle. Jeder hat seinen Tätigkeitsbereich in der Kirche, aber wir alle sind die Kirche. Wir müssen uns die Kirche wie einen lebendigen Organismus vorstellen, der sich aus Menschen zusammensetzt, die wir kennen und mit denen wir unterwegs sind, und nicht wie etwas Abstraktes, das weit von uns entfernt ist. Die Kirche sind wir, die wir unterwegs sind, die Kirche sind wir, die wir heute auf diesem Platz sind. Wir: das ist die Kirche. Die Firmung bindet an die universale Kirche, die auf der ganzen Welt verbreitet ist, wobei sie die Gefirmten jedoch aktiv in das Leben der Teilkirche einbindet, der sie angehören und an deren Spitze der Bischof steht, der der Nachfolger der Apostel ist. Der Bischof ist der „erstberufene Firmspender“ (vgl. Lumen gentium, 26), denn er nimmt den Firmling in die Kirche auf. Die Tatsache, dass dieses Sakrament in der römischen Kirche gewöhnlich vom Bischof gespendet wird, bringt zum Ausdruck, dass es „ihre Empfänger enger mit der Kirche, mit ihren apostolischen Ursprüngen und ihrer Sendung zum Zeugnis für Christus verbindet“ (Katechismus der Katholischen Kirche, 1313).

Und diese Einfügung in den Leib der Kirche wird durch das Friedenszeichen deutlich zum Ausdruck gebracht, das den Ritus der Firmung beschließt. So sagt der Bischof zu jedem Gefirmten: „Friede sei mit dir“. Im Gedenken an den Gruß Christi an seine Jünger am Osterabend, erfüllt vom Heiligen Geist (vgl. Joh 20,19-23) – wir haben das gehört –, erläutern diese Worte eine Geste, die „die kirchliche Gemeinschaft mit dem Bischof und mit allen Gläubigen (bezeichnet)“ (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, 1301). Wir empfangen bei der Firmung den Heiligen Geist und den Frieden: jenen Frieden, den wir den anderen geben müssen. Doch überlegen wir einmal: jeder denke zum Beispiel an seine eigene Pfarrgemeinde. Da ist die Feier der Firmung und dann geben wir uns ein Zeichen des Friedens: der Bischof gibt es dem Firmling, und bei der Messe tauschen wir es dann untereinander aus. Das bedeutet Eintracht, das bedeutet Liebe unter uns, das bedeutet Frieden. Doch was geschieht dann? Wir gehen aus der Kirche und beginnen, schlecht über die anderen zu reden, über die anderen „herzuziehen“. Der Klatsch geht los. Und Klatsch bedeutet Krieg. Das geht nicht! Wenn wir das Zeichen des Friedens mit der Kraft des Heiligen Geistes empfangen haben, müssen wir Männer und Frauen des Friedens sein und nicht mit der Zunge den Frieden zerstören, den der Geist geschaffen hat. Der arme Heilige Geist, was für eine Arbeit er mit uns hat, bei dieser Gewohnheit schlecht über die anderen zu reden! Denkt gut darüber nach: das schlechte Reden über andere ist nicht ein Werk des Heiligen Geistes, es ist kein Werk der Einheit der Kirche. Schlechtes Reden über andere zerstört, was Gott schafft. Also bitte: hören wir damit auf!

Die Firmung empfängt man nur einmal, doch die geistliche Dynamik, die von ihr hervorgerufen wird, dauert ständig an. Wir werden niemals damit fertig, den Auftrag zu erfüllen, überall den Wohlgeruch eines heiligen Lebens zu verbreiten, das sich von der verführerischen Einfachheit des Evangeliums anregen lässt.
Niemand empfängt die Firmung nur für sich selbst, sondern er empfängt sie, um am geistlichen Wachstum der anderen mitzuwirken. Nur so, indem wir uns öffnen und aus uns herausgehen, um den Brüdern und Schwestern zu begegnen, können wir wirklich wachsen und uns dies nicht nur vormachen. Was wir von Gott als Gabe empfangen, muss verschenkt werden – die Gabe ist dazu da, verschenkt zu werden – damit sie fruchtbar werde und nicht vielmehr aufgrund egoistischer Ängste vergraben wird, wie das Gleichnis von den Talenten lehrt (vgl. Mt 25,14-30). Auch ein Samenkorn: wenn wir ein Samenkorn in der Hand haben, dann nicht, um es da in den Schrank zu stecken und es dann dort zu lassen - es ist da, um ausgesät zu werden. Die Gabe des Heiligen Geistes müssen wir der Gemeinschaft schenken. Ich rufe die Firmlinge dazu auf, den Heiligen Geist nicht in einen „Käfig zu sperren“, dem Wind keinen Widerstand zu leisten, der weht, um uns dazu zu drängen, in Freiheit voranzugehen, das glühende Feuer der Liebe nicht zu ersticken, das dazu führt, das Leben für Gott und für die Brüder und Schwestern hinzugeben. Möge der Heilige Geist uns allen den apostolischen Mut gewähren, allen, denen wir auf unserem Weg begegnen, mit Worten und Werken das Evangelium zu verkünden. Mit Werken und Worten, aber mit guten Worten: solchen, die erbauen. Nicht den Worten des schlechten Redens über andere, die zerstören. Bitte: wenn Ihr aus der Kirche geht, dann denkt daran, dass wir den Frieden empfangen haben, um ihn den anderen zu geben: nicht, um ihn durch schlechtes Gerede zu zerstören. Vergesst das nicht.

Ein Sprecher verlas folgenden Gruß des Papstes an die Besucher aus dem deutschen Sprachraum:

Einen herzlichen Gruß richte ich an die Pilger deutscher Sprache. Der Heilige Geist gebe uns den apostolischen Mut, Christus, unseren Herrn und Erlöser, zu bezeugen, mit Worten und Taten, gegenüber allen, denen wir auf unseren Wegen begegnen. Gott segne euch und eure Familien!

Übersetzung aus dem Italienischen von Claudia Reimüller

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