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„Der Präfekt hat dem Papst zu dienen“

Ein Gespräch mit Kardinal Gerhard Müller über den Papst, die Kurie, seine Ausscheiden aus der Glaubenskongregation und seine Zukunftspläne. Von Regina Einig
10. Semperopernball 2015 in Dresden
Foto: dpa | Kardinal Gerhard Müller.
Eminenz, haben Sie den Eindruck, dass die Nichtverlängerung Ihrer Amtszeit als Präfekt der Glaubenskongregation von außen instrumentalisiert worden ist, um gegen Papst Franziskus Stimmung zu machen?

Von verschiedenen Seiten sicher. Und ein gewisser Teil der Medien, hinter denen bestimmte ideologische Gruppierungen stehen, jubelt, weil er die Rolle des Präfekten völlig falsch einschätzt. Aber der Präfekt hat dem Papst zu dienen in seinem Dienst an der Einheit der Kirche in der Wahrheit des Evangeliums. Deshalb ist es von vorneherein falsch, die Kirche sozusagen in zwei ideologische Flügel aufzuteilen und die eigene Energie darin zu investieren, dass der eine den anderen überwindet.

Was sagen Sie den Ideologen?

Wir sind katholisch, und es gibt nicht konservative und progressive Wahrheiten. Die Wahrheit ist die Wahrheit Gottes – und der müssen wir uns stellen, denn die Wahrheit führt uns in die Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes (Röm 8,21).

Wie haben Sie die Zusammenarbeit mit Ihrem Nachfolger erlebt?

Wir haben die Arbeit in der Glaubens- und Disziplinarabteilung in vollkommener Harmonie ausgeführt. Er ist in seinem theologischen Grundverständnis vom Zweiten Vaticanum, von den Kirchenvätern sowie den großen Theologen des Mittelalters und der Neuzeit geprägt. Wir haben auch die Entwürfe zu Amoris laetitia gemeinsam kommentiert.

Also gibt es zwischen Ihnen keinen Dissens in der Auslegung von Amoris laetitia?

Nein. Es ist eigentlich kaum verständlich, dass jemand einen Zweifel daran haben kann, dass die Aussagen eines Papstes immer im Licht und in Konformität mit der Heiligen Schrift, der apostolischen Tradition und den bisherigen Lehrbestimmungen der Päpste und der Konzilien gelesen werden müssen. Sonst steht einer nicht mehr auf dem Boden des katholischen Glaubens. Man lese dazu nur die Dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung des II. Vatikanums (Dei Verbum 10).

In der Kurie ist ein Umbau im Gange. Wie beurteilen Sie Stimmen, die sagen, dass die Linien Johannes Pauls II. und Benedikts XVI. verwischt werden sollen?

Man sieht allenfalls einige Baustellen, aber welcher Plan dahintersteht, erschließt sich mir bisher nicht. Wichtig ist zu sehen, dass die römische Kurie eine kirchliche Wirklichkeit ist und nicht einfach ein Verwaltungsapparat für eine weltliche Institution (Vgl. das Dekret über die Hirtenaufgabe der Bischöfe des II. Vatikanums (Christus Dominus 9f). Was Reform heißt, kann einerseits eine strukturelle oder organisatorische Anpassung an die moderne Kommunikation sein. Aber kirchlich betrachtet verstehen wir unter Reform eine innere geistige und geistliche Erneuerung in Christus mit dem Willen, seiner Kirche treu zu dienen.

Täuschen sich diejenigen, die Ihnen Spannungen mit Papst Franziskus nachsagen?

Wir Kardinäle dienen der Weltkirche mit dem Papst zusammen unter seiner Leitung. Ich halte es für sehr wichtig, dass sich die Kirche nicht mit politischen Organisationen vergleicht oder wie ein Sozialkonzern oder eine internationale Hilfsorganisation agiert. Sie ist Zeichen und Werkzeug, Sakrament des Heils der Welt in Christus. Die Kirche dient der Wahrheit und steht nicht unter dem Gesetz politischer und ideologischer Machtkämpfe.

Welche Pläne haben Sie für sich nach der Sommerpause? Wie möchten Sie die nächsten Jahre gestalten?

Auch wenn ich die alltägliche Arbeit und Verantwortung in der Kongregation nicht mehr habe, bleibe ich Kardinal und Bischof. Bischof, das heißt, dass wir als Diener des Wortes das Evangelium Christi verkünden in der Nachfolge der Apostel und durch unser Gebet die Kirche erbauen. Als Kardinal hat man die besondere Verantwortung auch für die Weltkirche im Senat des Papstes. Insofern wird es inhaltlich nicht anders sein als es auch die Beschreibung der Kongregation ist: den katholischen Glauben zu fördern und zu bewahren in der ganzen Welt. Wie hatte doch damals Kardinal Ratzinger in „Salz der Erde“ geschrieben: „Mir klingen immer die Worte der Bibel wie der Kirchenväter im Ohr, die die Hirten mit großer Schärfe verurteilen, die wie stumme Hunde sind und, um Konflikte zu vermeiden, das Gift sich ausbreiten lassen. Ruhe ist nicht die erste Bürgerpflicht, und ein Bischof, dem es nur darauf ankäme, keinen Ärger zu haben und möglichst alle Konflikte zu übertünchen, ist für mich eine abschreckende Vision.“

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Regina Einig