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Der Papst in Marokko: Religionsfreiheit als Recht des Einzelnen angesprochen

Felix Körner SJ im "Tagespost"-Interview über die Reise von Papst Franziskus nach Marokko.
Papst Franziskus besuchte Marokko
Foto: Simon Kremer (dpa) | Zwei Themen standen im Zentrum: Der interreligiöse Dialog und Flüchtlinge.

Pater Felix Körner, erst wenige Wochen, nachdem Papst Franziskus in Abu Dhabi auf der Arabischen Halbinsel zu Besuch war, ist er am Samstag nach Marokko gereist, das ebenfalls arabisch und mehrheitlich islamisch ist. Was ist das Besondere an diesem Reiseziel?

Marokko ist im Vergleich mit anderen arabischen Ländern spannungsfreier aufgrund der pragmatischen Weise, wie König Mohammed VI. das Land regiert. Er hat zudem erkannt, dass der Schlüssel zu einem religiös geprägten aber aufgeschlossenen gesellschaftlichen Leben ein gut informierter Islam, ein durchdachter Glaube ist, der sowohl authentisch als auch weltoffen ist.

Welchen besonderen Akzent sehen Sie bei dieser Reise?

Das Motto dieser Reise, "Diener der Hoffnung", war schön ausgewählt. Es ist eine Anspielung auf den Hirtenbrief der marokkanischen Bischöfe zu Weihnachten 2014 unter diesem Titel. Das kann man so auslegen, dass die Gläubigen, obwohl sie eine kleine Herde bilden, aus der Hoffnung dem Land dienen, für eine offenere, gerechtere Gesellschaft. Nun bedeutete es, dass Papst Franziskus Diener der Hoffnung ist. Der Begriff "Hoffnung" stand aber nicht so im Mittelpunkt wie – ganz klar und erfreulich – zwei andere Wörter: die Brücke und der Dialog. Dabei hat der Papst noch neue Akzente gesetzt. Er sagte den Priestern, Ordensleuten und Vertretern der anderen christlichen Gemeinschaften in Marokko, sie seien "Sakrament" des Dialogs. Damit sind sie sowohl Zeichen als auch Werkzeuge, können zeigen, wie der Dialog geht. Durch sie soll es aber auch geschehen:  eine "Kultur des Dialogs" zu schaffen.

Bedurfte es nach der Erklärung über die Brüderlichkeit aller Menschen von Abu Dhabi noch einer Ergänzung, die Papst Franziskus auf dieser Reise gewissermaßen nachgeliefert hat?

Ja, wobei ich es nicht als Ergänzung, sondern als Durchführung bezeichnen würde. Das Dokument ist zunächst nur Text, der bereits eine Geschichte der Kritik hinter sich hat. Nun war Rabat eine erste Bewährungsprobe der Erklärung. Darin war in einem Abschnitt mit konkreten Beispielen von Bekenntnis- und Kultfreiheit die Rede. In Marokko sprach Papst Franziskus von der Religionsfreiheit, also nicht nur in Bezug auf die Berechtigung von Gemeinschaften ihre Gottesdienstform zu praktizieren, sondern bezogen auf den Einzelnen, der das Recht hat, sich in der von ihm als richtig erkannten Weise religiös zu bekennen und zu verhalten. Das ist wichtig. Der Papst nannte nun eine offene, plurale und solidarische Gesellschaft als Ziel des Dialogs. Dieser findet in einer konkreten Welt statt, wodurch etwa auch die Umweltproblematik in den Blick rückt. Man könnte also sagen, das ist der Dialog der vom face to face zum side by side geht, wie es Benedikt XVI. einmal sagte; also vom miteinander Sprechen zum miteinander Handeln. In diesem Sinn unterzeichneten der Papst und König Mohammed VI. einen Appell mit einer echten politischen Forderung im Hinblick auf den künftigen Status von Jerusalem. Sie blicken beide mit Sorge auf die US-amerikanische und israelische Jerusalempolitik und rufen dazu auf: Der multireligiöse, spirituelle und kulturelle Status muss erhalten bleiben.

Dieser Appell betrifft nun auch den jüdischen Staat. Lassen Sie uns aber nochmal auf das Zweiergespräch zwischen Christen und Muslimen zurückkommen. Nach der vorigen Reise waren auch kritische Stimmen zu hören, die den Begriff der "Brüderlichkeit aller Menschen", die das Dokument im Titel trägt, als einen Begriff, den erst die Aufklärung hervorgebracht habe, zumindest als zweideutig brandmarkten. Was antworten Sie denen?

Das Wort ist besser mit Geschwisterlichkeit zu übersetzen. Und es ist sehr wohl auch biblisch, so im 1. Petrusbrief: "Ehrt alle Menschen, liebt die Geschwisterlichkeit." Man kann auch an Johannes Paul II. erinnern, der in Paris sagte, dass im Grunde alle drei Begriffe der Französischen Revolution (Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit) christliche Begriffe sind. Johannes XXIII. schrieb in der Friedensenzyklika "Pacem in terris" zum Abschluss von "brüderlicher Umarmung" der Völker. Im Konzilsdokument "Gaudium et spes" heisst es, die Kirche freue sich über den Geist wahrer Brüderlichkeit zwischen Christen und Nichtchristen. Und Benedikt XVI. nannte, als er  Charles de Foucauld seligsprach, der den Muslimen seine Bekehrung zum Christentum verdankt und bei ihnen leben wollte, "universalen Bruder".

Was an dem am 4. Februar unterzeichneten Dokument auffällt, ist der Umstand, dass zwar davon die Rede ist, Zwang zum Beitritt einer Religionsgemeinschaft sei abzulehnen, aber die Freiheit, seine Gemeinschaft zu verlassen, darin nicht ausdrücklich erwähnt ist. Damit bleibt Apostasie aus islamischer Sicht ein Verbrechen und es bleibt bei einem kleinen Konsens. Wird sich dieser Dialog der kleinen Schritte lohnen?

Die große Sorge auf islamischer Seite ist ja, dass Säkularität in Säkularismus kippt. Tatsächlich ist es immer wieder die Haltung der katholischen Kirche, dass man den nächsten möglichen Schritt auf das Gute hin gehen sollte. Man nennt das Gradualität. Aber  das Dokument von Abu Dhabi bereitet auch der islamischenr Anerkennung eines Religionswechsels den Weg. Es spricht ja von Gewissensfreiheit. Und der Papst wiederholte das Wort in Rabat..

Wie werden denn die Bemühungen von Papst Franziskus auf islamischer Seite wahrgenommen? Was wissen Sie darüber?

Diese werden als etwas sehr Ermutigendes gesehen. Die Papst wird nicht nur als Gesicht der Katholiken wahrgenommen. Er ist  für Muslime nicht selten das Gesicht des religiösen Menschen, des Gläubigen schlechthin. Seine Bescheidenheit ist auch das, was auf islamischer Seite für richtig erachtet wird, wie etwa das Symbol des kleinen Autos. Mancher türkische Muslim schämt sich eher, dass sein Präsident le in einem Riesenpalast wohnt, und auch das marokkanische Königshaus lebt in Saus und Braus. Sie haben sicher davon erfahren, dass Franziskus am Fest der Verkündigung des Herrn beim Ringkuss immer die Hand weggezogen hat. Jetzt hat Mohammed VI. auch seinen Untertanen den Handkuss verweigert und die Hand weggezogen. Die Bescheidenheit wurde also auf islamischer Seite besser verstanden als bei uns. Da die politischen und geistlichen Repräsentanten auch in der islamischen Welt oft nicht tun, was in dieser Hinsicht vorbildlich wäre, trägt Papst Franziskus dieses Handeln dort sehr viel Sympathien ein.

Die einzige Kritik, die an dem Dokument von Abu Dhabi kam, erklang von Muslimen, die sich mit Ahmed al-Tayyeb, dem Scheich von al-l Azhar, nicht identifizieren können. Natürlich ist er nicht der islamische "Papst". Er ist aber eine Persönlichkeit, die einem internationalen Bildungsnetzwerk vorsteht, deren Stimme schon für viele Muslime ein großes Gewicht hat. Aber war es jetzt wichtig, noch ein anderes Oberhaupt, nämlich Mohammed VI., für gemeinsame Schritte des Dialogs zu gewinnen.

Die Fragen stellte Michaela Koller.

DT (jobo)

Die Hintergründe zu diesem Thema finden Sie in der Wochenausgabe der Tagespost.

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