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Der Besuch stärkt den Kopten-Papst

Auch in der koptischen Kirche gibt es konservative Kräfte, die die Wege von Tawadros II. skeptisch sehen, meint Ökumene-Experte Dietmar Winkler. Von Stephan Baier
Foto: dpa | Zwei Hoffnungsträger der Ökumene: Franziskus bei Tawadros II. in Kairo.

Seit einigen Jahren ist immer wieder von der „Ökumene der Märtyrer“ die Rede. Hat – mit Blick auf den gesamten Orient – die verstärkte Verfolgung von Christen tatsächlich dazu geführt, dass der Konfessionalismus überwunden wird und die Christen stärker zusammenrücken?

Die christlichen Kirchen sind im Orient tatsächlich näher zusammengerückt. Das betrifft vor allem die derzeitigen Krisenregionen in Syrien und Irak, wo etwa Caritas- und Flüchtlingsarbeit in enger Zusammenarbeit abläuft, wie mir vor kurzem der chaldäische Bischof von Aleppo, Antoine Audo, erzählte, der Caritas-Präsident Syriens ist. Ähnliche Berichte erhalten wir von Patriarch Louis Raphael I. Sako aus dem Irak. Das gemeinsame Auftreten, die Zusammenarbeit und die Ökumene sind hier eine Überlebensfrage.

Entspricht die Herzlichkeit, mit der Kopten-Papst Tawadros II. nun Papst Franziskus in Kairo empfing, auch der Einstellung der koptisch-orthodoxen Kirche gegenüber den Katholiken in Ägypten?

Die beiden Päpste haben ein herzliches Verhältnis zueinander. Dass die erste Auslandsreise des koptischen Papstes zu Papst Franziskus nach Rom führte, war ein deutliches ökumenisches Signal. Ebenso war das damalige Besuchsdatum mit Bedacht gewählt, denn das erste Zusammentreffen fand am 10. Mai 2013 statt, also genau 40 Jahre nach der Begegnung zwischen Papst Shenouda III. und Papst Paul VI. Damals, 1973, unterzeichneten die beiden Päpste eine Gemeinsame Christologische Erklärung und überwanden damit den ursprünglichen Trennungsgrund der beiden Kirchen. Interessant ist, dass beide neu gewählten Päpste für ihre Kirchen Hoffnungsträger sind, von denen erwartet wird, neue Perspektiven eben auch für die Ökumene zu eröffnen. Schon beim viertägigen Besuch Tawadros' II. in Rom betonte Papst Franziskus die Verbundenheit der beiden Kirchen im Willen, sich für Friede und Versöhnung in der Welt einzusetzen. Er sicherte die Solidarität der Katholiken mit den Kopten zu, die in Ägypten „täglich leiden“. Es gebe auch eine Ökumene des Leidens, so damals der römische Papst.

Die Katholiken in Ägypten beklagen, dass die koptisch-orthodoxe Kirche ihre Taufe nicht anerkennt, also in bestimmten Fällen auf Wiedertaufen besteht. Ist eine Lösung dieses Problems in Sicht?

Im seit 2004 bestehenden offiziellen Dialog zwischen allen orientalisch-orthodoxen Kirchen, zu denen die koptische Kirche gehört, und der römisch-katholischen Kirche wurde bis 2013 von Seiten der koptischen Katholiken kontinuierlich das schlechte Verhältnis zur koptischen Orthodoxie in der pastoralen Praxis beklagt. Als die vergleichsweise kleine koptisch-katholische Kirche nach der Resignation des erkrankten Patriarchen Kardinal Antonios Naguib einen neuen Patriarchen wählte, hatte Papst Tawadros II. bereits deutliche ökumenische Signale gesetzt. Er hatte schon mit Amtsantritt seine uneingeschränkte Zustimmung zur Gründung eines Ökumenischen Rates für Ägypten signalisiert, der die innerchristliche Ökumene vor Ort stärken solle. Als im Januar 2013 Ibrahim Isaac Sidrak von der koptisch-katholischen Synode in Kairo zum neuen Patriarchen gewählt wurde, kam es in der Folge zu einem historisch einmaligen Ereignis: Papst Tawadros II. folgte der Einladung, an der Amtseinführung des koptisch-katholischen Patriarchen in der katholischen Kathedrale beizuwohnen. Eine außergewöhnliche Geste, die es in Ägypten so zuvor nicht gegeben hat! Patriarch Ibrahim Isaac Sidrak charakterisiert Papst Tawadros II. auch als einen, der durch seine Gesten, seine Offenheit und seine spirituelle Sensibilität Anlass zu großer Hoffnung für eine ökumenische Versöhnung gibt.

Wie groß sind die tatsächlich theologischen Stolpersteine zwischen orthodoxen Kopten und Katholiken?

Die tatsächlich theologischen Gründe sind wesentlich geringer, als sie emotional wahrgenommen werden. Der offizielle theologische Dialog zwischen den orientalisch-orthodoxen Kirchen und der katholischen Kirche hat schon 2009 ein Dokument hervorgebracht, das zeigt, wie sehr wir im Kirchenverständnis eins sind. Die weitere Arbeit zeigt ebenso das große gemeinsame Erbe. Mir scheint, dass die Stolpersteine eher bei nicht-theologischen Faktoren liegen, etwa bei wechselseitigen Verwundungen in der Vergangenheit, die mit westlicher Mission und Kolonialismus einhergingen. Natürlich wird in Zukunft auch die Frage nach dem Amt des römischen Papstes ein Thema werden. Aber hier wird man methodisch auch zwischen westlicher und östlicher Entwicklung unterscheiden müssen, wie auch zwischen der Zeit der ersten Jahrhunderte des Christentums und der späteren Entfaltung im Westen. Hier sind die Ergebnisse der Studien des offiziellen Dialoges bemerkenswert, die 2015 mit einem gemeinsamen Dokument fertiggestellt wurden („The Exercise of Communion in the Life of the Early Church and its Implications for our Search for Communion Today“). Der Text zeigt deutlich, wie multidimensional Kirchengemeinschaft ist und nicht einfach auf den hierarchischen Aspekt reduziert werden darf. Kircheneinheit beinhaltet den liturgischen, spirituellen, monastischen Austausch, Pilgerfahrten, wechselseitige Besuche und Kommunikation aller Art. Das genügte in den ersten Jahrhunderten zur Kircheneinheit und vieles davon wurde im Zeitalter der Ökumene ja bereits wieder eingeübt.

Gibt es innerhalb der koptisch-orthodoxen Kirche unterschiedliche Strömungen bezüglich der Ökumene und hinsichtlich der Behandlung von Katholiken?

Papst Tawadros scheint es bei seinen Schritten vorwärts nicht viel anders zu gehen als Papst Franziskus. Auch in der koptischen Kirche gibt es konservative Kräfte, die die Wege ihres Papstes skeptisch sehen. So war etwa das Thema der Wiedertaufe von Katholiken bei gemischten Ehen mit Kopten bereits einmal Thema in der Synode der koptischen Kirche. Tawadros ist mit Franziskus der Meinung, dass die eine Taufe die Gläubigen beider Kirchen verbinde. In der Synode gab es aber noch Widerstand gegen diese Auffassung, sodass es hier noch zu keiner Lösung gekommen ist. Ich kenne aber persönlich mehrere koptische Bischöfe, die es ablehnen, übergetretene Christen wieder zu taufen. Wir sehen insgesamt viele erfreuliche und positive Signale, die eindeutig hoffen lassen, dass wir beispielsweise in dieser wichtigen pastoralen Frage in naher Zukunft vorankommen werden. Den Tag der Unterfertigung der genannten Gemeinsamen christologischen Erklärung, den 10. Mai, lässt Papst Tawadros in Ägypten groß und ökumenisch als „Tag der Freundschaft“ begehen. Der jetzige Besuch von Papst Franziskus stärkt auch ihn, denn Tawadros zeigt ebenfalls ein sehr waches und mutiges Empfinden für die Lage der Menschen, für Gerechtigkeit und sozialen Frieden. Desgleichen sind seine ökumenischen Schritte äußerst vielversprechend.

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