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Chile: Papst Franziskus will Neuanfang

Vor dem Hintergrund des Missbrauchsskandals in Chile hat Papst Franziskus sich in einem persönlichen Brief an die Katholiken des Landes gewandt und sie zur Erneuerung des kirchlichen Lebens aufgerufen.
Papst Franziskus mit chilenischen Bischöfen
Foto: dpa | Wie lange es die chilenische Bischofskonferenz in dieser Besetzung noch gibt, entscheidet Papst Franziskus. Anfang Juni will er sich erneut mit einer Gruppe Missbrauchsopfer treffen.

Die "Kultur des Missbrauchs" und das "System der Vertuschung" könnten nur durch die Mitarbeit aller beseitigt werden, so Papst Franziskus. Dabei bekannte sich der Papst auch zu innerkirchlicher Freiheit und Vielfalt. Eine synodalere und prophetischere Kirche verlange "erneuerte Formen der Teilhabe", so das Katholikenoberhaupt. Das achtseitige Schreiben wurde am Donnerstag von der Chilenischen Bischofskonferenz in Santiago de Chile veröffentlicht.

Erneut stellte Franziskus die sexuellen Vergehen an Minderjährigen durch katholische Kleriker in Zusammenhang mit einem Missbrauch von Macht und Autorität. Die Bildung kleiner Eliten und bestimmte theologische und spirituelle Engführungen machte er für eine "Verödung und Pervertierung" der Kirche verantwortlich. Auch wandte er sich gegen einen Klerikalismus, der das Charisma der Gläubigen "immer kontrollieren und bremsen" wolle.

Die katholischen Christen Chiles rief er auf, "keine Angst zu haben, Protagonisten der Veränderung zu sein, die heute gefordert ist, und kreative Alternativen anzustoßen und voranzubringen". Es gelte Räume zu schaffen, "in denen die Kultur des Missbrauchs und der Vertuschung nicht das beherrschende Schema ist, in denen man Kritik und Hinterfragen nicht mit Verrat verwechselt".

Als ein Hauptversäumnis bezeichnete es Franziskus, den Opfern keine Beachtung geschenkt zu haben. Dies habe zu einer falschen Bewertung der Situation geführt. "Mit Scham muss ich sagen, dass wir nicht zu hören und zeitiger zu handeln verstanden haben", so der Papst wörtlich.

Weiter mahnte Franziskus zu mehr Prävention gegen Missbrauch. Diese Bemühungen riefen vor allem Bildungsinstitute, aber auch Gesundheitseinrichtungen und Universitäten in die Pflicht. Katholische Bistümer müssten dabei mit der Zivilgesellschaft zusammenarbeiten.

Zugleich nahm das Kirchenoberhaupt die Katholiken vor einer Generalverurteilung in Schutz. Bei aller Scham über den Missbrauch in seiner ganzen Tragweite wäre es "ungerecht", die katholischen Gläubigen, Ordensleute, Priester und Bischöfe nicht zu würdigen, die "aus Liebe ihr Leben in den entlegensten Gebieten des geliebten chilenischen Landes gegeben haben", so der Papst.

Franziskus trifft am Wochenende in einer dritten Gesprächsrunde zur Aufarbeitung des Missbrauchsskandals mit mehreren Priestern aus Chile zusammen. Mitte Mai waren bereits die Bischöfe des Landes im Vatikan. 29 von 31 aktiven Oberhirten boten daraufhin ihren Amtsverzicht an.

KNA / DT (jbj)

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