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Berliner Erzbischof: Kirche muss Weichen für die Zukunft stellen

„Wir werden auf ganz neue Weise Kirche sein müssen“, erklärt der Berliner Erzbischof Heiner Koch angesichts der aktuellen Statistik zu den Mitgliedereinbußen der katholischen Kirche. Eine Anpassung an den Zeitgeist hält er aber nicht für die richtige Lösung.
Berliner Erzbischof Koch kommentiert gestiegene Kirchenaustritte
Foto: Julian Stratenschulte (dpa) | "Ich bin fest davon überzeugt, wenn wir alles neu machen würden, um dem Mainstream zu folgen und eventuell tun, was die Menschen von uns erwarten, werden auch wir den Trend nicht aufhalten", so der Berliner ...

Nachdem am vergangenen Freitag die jüngsten Statistiken zu den Kirchenaustrittszahlen für das Jahr 2018 veröffentlicht wurden, hat sich der Berliner Erzbischof Heiner Koch kritisch zur Lage der Kirche geäußert. „Die Situation ist, dass viele gehen, nicht mehr viele hinzukommen und es nicht mehr selbstverständlich ist, Kirche zu sein.“ Gott verliere an Bedeutung, und der Glaube sei auch nicht mehr durch Tradition und Brauchtum getragen, erklärte der Berliner Erzbischof im Gespräch mit dem Kölner Domradio. Koch äußerte sich am Rande der Schlesierwallfahrt zum Annaberg in Haltern am See, bei der er das Pontifikalamt feierte.

"Woran sollen wir uns halten, was sind
die Werte, die uns wichtig sind, und welche
Personen und welcher Gott ist uns wichtig?"
Heiner Koch, Erzbischof von Berlin

Diejenigen, die noch Teil der Kirche seien, müssten sich die Frage stellen, wohin sie gehen wollten, so Koch weiter. „Woran sollen wir uns halten, was sind die Werte, die uns wichtig sind, und welche Personen und welcher Gott ist uns wichtig?“ Dies seien ganz existenzielle Fragen für Kirche und Gesellschaft, auch in den Fragen der Veränderung und der Erneuerung.

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Sich an den Mainstream anzupassen hält der Berliner Erzbischof jedoch nicht für die Lösung. „Ich bin fest davon überzeugt, wenn wir alles neu machen würden, um dem Mainstream zu folgen und eventuell tun, was die Menschen von uns erwarten, werden auch wir den Trend nicht aufhalten.“ Vor allem müsse man die Frage stellen, warum es sich lohne, in der Kirche zu bleiben, und wie die Kirche der Zukunft aussehen werde.

216 078 Katholiken verließen 2018 ihre Kirche

Laut der aktuellen Statistik verzeichnen die beiden großen Kirchen in Deutschland massive Mitgliedereinbußen. Sowohl aus der katholischen wie auch aus der evangelische Kirche traten im vergangenen Jahr mehr Gläubige aus als in den Jahren zuvor. Die katholische Kirche trafen die Austritte deutlich härter als die evangelische: 216 078 Katholiken verließen 2018 ihre Kirche. Das sind rund 29 Prozent mehr als im Vorjahr (167 504) und etwa 0,9 Prozent aller Katholiken im Land. In den vergangenen drei Jahren hatten die Austrittszahlen zwischen 160 000 und 180 000 gelegen.

"Wir werden auf ganz neue Weise
Kirche sein müssen und wir brauchen
neue gemeinschaftliche Bindungen"
Heiner Koch, Erzbiscof von Berlin

In die Zukunft der Kirche blickt Erzbischof Koch dennoch hoffnungsvoll. „Sie wird allerdings eine andere Gestalt haben.“ Auch er sei für Reformen der Kirche, „aber ich glaube nicht, dass durch noch so viele Reformen die Menschen in Massen wiederkommen“. Die Gottverbundenheit, die gesellschaftliche Verbundenheit mit der Kirche, die Tradition und auch die Familienverbundenheit als solches seien auf vielerlei Ebenen abgebrochen. „Wir werden auf ganz neue Weise Kirche sein müssen und wir brauchen neue gemeinschaftliche Bindungen. Das ist die große Herausforderung und die Chance, die auch Freude macht, die Kirche neu zu gestalten.“

DT/mlu

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