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Ohne Befruchtung

Forscher züchten erstmals humane Embryonenmodelle im Labor. Deutsche Wissenschaftler sehen rechtlich und ethisch keine Probleme.
Mikroplatte mit Embryonen
Foto: Mark Schiefelbein (AP) | Mikroplatte mit Embryonen: Wie die Forscher schreiben, betrug die Erfolgsrate bei ihren Experimenten allerdings nur sechs bis 18 Prozent.

Forscher aus den Vereinigten Staaten von Amerika und Australien wollen erstmals Vorläufer menschlicher Embryonen im Labor ohne Befruchtung erzeugt haben. Das berichten die Teams um Leqian Yu, Yuelei Wei und Jialei Duan von der University of Texas sowie Xiaodong Liu und Jia Ping Tan von der Monash University im renommierten Wissenschaftsmagazin „Nature“.

Während die US-Forscher für ihre Experimente humane embryonale Stammzellen verwandten, reprogrammierten die Forscher um Xiaodong Liu und Jia Ping Tan Bindegewebszellen, sogenannte Fibroblasten. Mit den dabei entstandenen Entitäten, die die Forscher iBlastoide (induzierte Blastoide) nannten, führten sie zudem „Einnistungs-Experimente“ in der Petrischale durch.

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Keine Hinweise auf Bildung des typischen Primitivstreifens

Wie die Forscher schreiben, betrug die Erfolgsrate bei ihren Experimenten allerdings nur sechs bis 18 Prozent. Auch fanden die Forscher bei den von ihnen gezüchteten Blastoiden keine Hinweise für die Ausbildung des sogenannten Primitivstreifens, Strukturen, deren Bildung für die Entwicklung menschlicher Embryonen als zentral betrachtet wird. Gleichwohl böten die Blastoide Forschern nun die Möglichkeit, die menschliche Embryogenese, frühe Entwicklungsdefekte sowie die Ursachen von Spontanaborten zu erforschen oder neue Kontrazeptiva zu entwickeln.

Wie die Forscher weiter berichten, hätten sie die gezüchteten Embryomodelle anschließend vernichtet, um nicht mit den geltenden Ethikrichtlinien in Konflikt zu geraten. Bislang gilt, dass Forschungsembryonen nicht länger als 14 Tage in Kultur gehalten werden sollen. 

Mannheimer Medizinrechtler Taupitz sieht keine ethischen Probleme

Das „Science Media Center“ (SMC) bat deutsche Wissenschaftler um eine rechtliche und ethische Einordnung der Experimente. Der Medizinrechtler Jochen Taupitz von der Uni Mannheim sagte dem SMC: „Das deutsche Recht verbietet die Erzeugung derartiger zellulärer Artefakte nicht. Insbesondere werden sie nach überwiegender Auffassung nicht vom Embryonenschutzgesetz erfasst. Das ist richtig so, weil sich aus ihnen kein ganzheitlicher Organismus, gar im Sinne eines geborenen Menschen, entwickeln kann. Aber selbst, wenn das in Zukunft anders sein sollte, sollte ihre Erforschung in vitro jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt, zu dem sich erste Strukturen von Empfindungsfähigkeit auszubilden beginnen, erlaubt sein.“ Dies sei bei Embryonen nach neueren Erkenntnissen bis 28 Tage nach der Befruchtung nicht der Fall. „Deshalb wir international zu Recht diskutiert, ob die in mehreren Ländern bestehende 14-Tage-Regel nicht entsprechend ausgedehnt werden sollte“, so Taupitz weiter.

Stammzellforscher Zwaka warnt vor Klonierung und Keimbahneingriffen

Auch der Stammzellforscher Thomas Zwaka von der Icahn School of Medicine in New York hält die aktuellen Experimente für „ethisch relativ unbedenklich“. Die Verfügbarkeit eines alternativen Modells könne gar den Druck auf Forscher verringern, echte menschliche Embryonen zu verwenden. Allerdings bestehe „die Gefahr“, dass die neuen Methoden auch genutzt werden könnten, um „Menschen zu klonieren oder in die menschliche Keimbahn einzugreifen“, zitiert das SMC Zwaka.

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Stefan Rehder Embryonen Embryonenschutzgesetz Stammzellen

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