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Ronald Knox: Ein Apologet mit Herz

Der Priester und Literat Ronald Knox (1888–1957) wollte den Himmel „bevölkern“. Von Katrin Krips-Schmidt
Priester und Konvertit Ronald Knox
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Hohes Ansehen genießt die katholische Apologetik derzeit nicht gerade. Der Verteidigung und Rechtfertigung von Glaubenswahrheiten haftet nur allzu oft der Hautgout fundamentalistischer Rechthaberei an. Das Eintreten für katholische Dogmen stehe – so heißt es ja oftmals – den Bemühungen entgegen, sich mit anderen Religionen und Konfessionen auszutauschen und ihnen gegenüber Toleranz zu üben. Der interreligiöse Dialog sei gefährdet, und es werde, etwa gegenüber den Protestanten, Mauern hochgezogen statt eingerissen. Zumal Papst Franziskus forderte, keinen Proselytismus zu betreiben, wenigstens nicht unter Christen anderer Denominationen. Doch Apologetik bedeutet auch, über die Inhalte des Glaubens zu unterrichten, logische Argumente und historische Beweise für die Wahrheit des Katholischen darzulegen.

Chesterton wurde früh sein großes Vorbild und Idol

Einer der bekanntesten Apologeten in Großbritannien war der 1957 verstorbene Priester und Konvertit Ronald Arbuthnott Knox. Doch war er nicht nur ein Verteidiger des Katholischen, er fertigte auch eine vielbeachtete Bibelübersetzung auf Grundlage der Vulgata an und schrieb zahlreiche Bücher, darunter einen dreibändigen Kommentar über das Neue Testament, er verfasste eine Übersetzung der ungekürzten Autobiografie der heiligen Therese von Lisieux und sogar Kriminalromane. Er gehörte zu den großen britischen Schriftstellern wie C.S. Lewis, Gilbert K. Chesterton und Evelyn Waugh, deren Schriften spirituelle Tiefen mit literarischer Unterhaltung verbinden. Obwohl er sich in seinen Werken theologischen Fragen widmete, fand er die richtigen Worte und einzigartige Bilder, um selbst Hochgeistiges für jedermann verständlich zu machen.

Würde Knox heute noch leben, wäre er über den Zustand der katholischen Kirche höchst erstaunt, wenn nicht gar entsetzt – angesichts der Tatsache, dass zahlreiche Katholiken heute quasi-protestantische Positionen vertreten. Seinen Weg nach Rom schildert der ehemalige Anglikaner in seiner religiösen Biografie „A Spiritual Aeneid“.

Der Werdegang von Ronald Knox

Am 17. Februar 1888 im englischen Leicestershire als Sohn eines anglikanischen Pfarrers geboren, der später Bischof von Manchester werden und Ronald infolge dessen Konversion zum katholischen Glauben enterben sollte, wuchs er in dem religiösen Umfeld der Church of England auf. Schon früh verlor er seine Mutter. Brillant wie er war, genoss er eine Ausbildung in Eton und Oxford, seine hohe Intelligenz und sein Fleiß brachten ihm 1905 ein Stipendium ein. Im selben Jahr legte er auch ein Privatgelübde ab, zölibatär zu bleiben.

Seit 1910 als „Fellow“ am Trinity-College in Oxford, wurde er 1912 zum Priester in der anglikanischen Hochkirche geweiht, was im Sinne der apostolischen Sukzession freilich „nicht gültig“ war. 1912 wurde er hier Kaplan. Seine Kontakte und Begegnungen mit katholischen Geistlichen bereiteten unter anderen Impulsen und Beweggründen schließlich den Weg für seine Abkehr vom Anglokatholizismus und seinen Eintritt in die katholische Kirche. Am 22. September 1917 wurde er offiziell aufgenommen, nachdem er sich die Jahre zuvor einer Phase eingehender Gewissensprüfungen unterzogen hatte.

Warum konvertierte Ronald Knox zum Katholizismus?

Eine wesentliche Rolle bei Knox' Konversion spielten schon Jahre zuvor die Schriften von Robert Hugh Benson und Gilbert Keith Chesterton. Dessen „Napoleon of Notting Hill“ las er als 16-Jähriger, als „Schuljunge, der gerade zu denken begann“, zum ersten Mal. Das noch heute aktuelle Werk berührte ihn zutiefst, wie er Frances Chesterton kurz nach dem Tod ihres Mannes bekannte: Seit der Lektüre sei Chesterton sein Idol gewesen, seine Philosophie war „Bestandteil der Luft, die ich atmete“, „seine Paradoxe wurden sozusagen zu den Floskeln meines Denkens“.

Dann, der denkwürdige Tag, der alles ändern sollte: „Es war in Manchester, am Weihnachtstag 1903, als ich ein Buch las, das von einem (wie man mir sagte) Anglikaner geschrieben, der gerade erst römisch-katholisch geworden war. Natürlich war es ,The Light Invisible‘, eine Geschichtensammlung von Bischof Benson, die dieser verfasste, als er noch in der Church auf England war… Die meisten Leute halten es für ein interessantes Buch, das jedoch frei von kontroversen Tendenzen sei… Doch für mich war dieser Weihnachtstag ein Wendepunkt. Es war der Schauplatz des Buches – die kleine Kapelle, in der der Priester zelebrierte, die Worte, mit denen er die Muttergottes erwähnte, die Schilderung von Beichten, die in einer alten Pfarrkirche gehört wurden –, was mich sogar noch mehr fesselte als die psychologische Bedeutung. Dieses ganze katholische System, das ich bislang nur aus der Entfernung kannte…, geriet nun in mein Blickfeld.“

Seitdem betrachtete Knox Benson stets als das „Vorbild, das ihn zum katholischen Glauben geführt hatte“. Was nicht überrascht. Denn beide hatten vieles gemeinsam – die Väter beider Geistlichen und Literaten waren anglikanische Bischöfe, und beide wurden in Eton ausgebildet, beide bekehrten sich über den Anglokatholizismus zum katholischen Glauben. 1918 empfing Knox die Priesterweihe in der katholischen Kirche. Seit 1926 war er als „Kaplan für die katholischen Studenten in Oxford“ zuständig.

„The Belief of Catholics“

Der Entgegnung der seinerzeit gängigen Angriffe auf den Glauben ist seine 1927 verfasste Sammlung klassischer Apologetiken „The Belief of Catholics“, sein vielleicht populärstes Buch, gewidmet. Seine darin enthaltenen Ansprachen für englische Teenager der Vierzigerjahre muten erstaunlich aktuell und heutig an, wenn er sich beispielsweise gegen Psychologen wendet, „die die Realität des menschlichen freien Willens leugnen“ oder gegen „Anthropologen, die die Religion als eine Täuschung der Kinderstube wegdiskutieren“. Im ersten Kapitel „Die moderne Abneigung gegenüber der Religion“ stellt er fest, dass „hetzende Publizisten und quacksalbernde Scharlatane“ einen negativen Einfluss mit dem Ergebnis gehabt hätten, dass die Religion „als Faktor im englischen öffentlichen Leben kontinuierlich und merklich zurückging“.

So erlebte die Church auf England zu Beginn des 20. Jahrhunderts etwa den Rückgang priesterlicher Berufungen sowie eine sinkende Anzahl an Kirchengängern. Die „High Churches“ der Anglikaner reagierten darauf mit der Aufgabe vieler Dogmen, die noch aus frühchristlicher Zeit tradiert waren. Sie tolerierten nunmehr nicht nur „Auffassungen, die ihre Väter als unorthodox gebrandmarkt hätten“, sondern wurden auch „infiziert“ von den „ansteckenden“ Ansichten „ihrer Umgebung und verloren den Kern der Theologie, während sie deren Schatten umklammerten“. Christliche Dogmen wurden „zunehmend der Kritik und Neuformulierung unterworfen“. Manche Anglikaner predigten, dass die Hölle nicht mehr existiere und es auch keine Sünde mehr gebe. Ihre Kirchen wurden zu Orten, an denen nicht mehr das Evangelium gehört, sondern zu „Tee und Keksen“ Musik aufgeführt wurde.

Die Widerlegung der Vorurteile von Protestanten gegenüber Katholiken

Außerdem sei es „so töricht von der modernen Zivilisation, den Glauben an den Teufel aufgegeben zu haben… Er ist die einzige Erklärung dafür“. Im Kapitel „Wo der Protestantismus schief liegt“ widerlegt Knox die Vorurteile von Protestanten gegenüber Katholiken. So etwa die protestantische Meinung, für Katholiken trete die Kirche zwischen Christus und die Seele: „Dies ist eine Unwahrheit – nur Unkenntnis kann eine Entschuldigung dafür sein, dass sie dies verbreiten. Für den Katholiken ist – wie für den Protestanten – die Heiligung das unmittelbare Werk Christi – es ist Christus, nicht die Kirche, der uns in der Kommunion seinen Leib und sein Blut schenkt. Es ist Christus, der uns unsere Sünden vergibt, manchmal, wenn wir sie der Kirche in der Beichte vorlegen, mitunter auch schon vorher.“

Wenn Protestanten sagen, sie entschieden sich dafür, der Bibel zu glauben, bevor sie der Kirche glaubten, vergessen sie offenbar – oder haben es nie gelesen – was Paulus in 1 Tim 3, 15 äußerte: „Die Kirche ist die Säule und das Fundament der Wahrheit“. Nicht vergessen werden sollte seine sich bereits bestätigende Vorhersage, dass der Konflikt der Zukunft zwischen Katholizismus und den säkularen Gesellschafts- und humanitären Systemen ausgetragen werden würde: „Unsere Arbeit besteht darin, den Himmel zu bevölkern“, die der Humanisten darin, „Utopia zu schaffen“.

Seine Hauptaufgabe war die Bekehrung

Zahlreiche Krimis zählen ebenso zu seinen Werken – 1929 entwarf er die „Zehn Regeln für einen fairen Kriminalroman“. Denn Knox war Mitglied des Detection Clubs, einer Gruppe von Kriminalautoren, der unter anderem auch Agatha Christie, Dorothy Sayers und Gilbert Chesterton angehörten. Seine Hauptaufgabe sah er – als glühender Konvertit – jedoch darin, Atheisten und Skeptiker, aber auch Protestanten, zum Katholizismus zu bekehren. Wie man zum Glauben kommt, muss nicht nur eine Frage des Verstandes, sondern kann auch herzensbedingt sein.

Sich zwischen Thomas von Aquin und Blaise Pascal entscheiden zu müssen, war daher keine Option für Knox. Der Zugang zum Glauben ist, wie beide, der Theologe des Mittelalters als auch der Philosoph und Naturwissenschaftler des 17. Jahrhunderts, betonten, sowohl vom Verstand als auch vom Herzen her möglich. Der Aquinate legte denen die berühmten „fünf Beweise“ vor, die bereits in ihrem Herzen glaubten, aber auch denen, die nicht glaubten, dass Gott existiere. Atheisten und Agnostikern sollten die Beweise einen Weg zum Glauben, wenn nicht sogar zur tiefen Überzeugung, eröffnen. Bekanntlich sagte Thomas: „Für den, der glaubt, ist keine Erklärung notwendig. Für den, der nicht glaubt, ist keine Erklärung möglich.“ Davon war auch Pascal überzeugt, denn er war überzeugt davon, dass Atheisten die „fünf Beweise“ zwar mit ihrem Intellekt ablehnen, aber nicht so einfach „die Gründe des Herzens, die der Verstand nicht kennt“ abtun können.

Tod und Wiederentdeckung in der heutigen Zeit

Auf einer Reise 1953 nach Afrika begann Knox mit der Übersetzung der „Nachfolge Christi“. Wenige Jahre später erkrankte er schwer an Krebs. Am 24. August 1957 starb Father Knox. Seine letzte Ruhestätte fand er in der St. Andrew's Church in Mells in der Grafschaft Somerset im Südwesten Englands.

Wie sein Biograf Milton Walsh bemerkte, meinten viele in der Zeit nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil, dass „ein Autor, der für die einzigartigen Ansprüche des katholischen Glaubens – wenn auch überzeugend – eintrat, überholt war. Viele Katholiken lehnten das ab, was sie als einen übermäßig intellektuellen, vor dem Konzil gängigen Zugang zum Glauben ansahen.“

Doch die Tatsache, dass Knox 60 Jahre nach seinem Tod von Verlegern und Lesern neu und wiederentdeckt wird, beweist, dass die heutige Zeit Bedarf hat an authentischen Glaubenszeugen, die ihnen das erklären und logisch darlegen, was in den vergangenen Jahrzehnten auf der Strecke geblieben ist: die katholische Glaubenslehre.

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