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Hans-Georg Schornstein leitet das Projekt „ansprechbar“

Pfarrer Hans-Georg Schornstein leitet das unkonventionelle Projekt „ansprechbar“ in Aachen.
Pfarrer Hans-Georg Schornstein, Gründer und Leiter des Projekts „ansprechbar“.
Foto: Gerd Felder

Es geht ihm um menschliche Nähe, Mitgefühl und Verstehen. Der Motor seines Handelns ist die Nächstenliebe. Pfarrer Hans-Georg Schornstein hat vor einigen Jahren in Aachen „ansprechbar“, ein überkonfessionelles Angebot an so ungewöhnlichen Orten wie im Café oder im Fußballstadion, ins Leben gerufen und mit viel Einsatz und Herzblut aufgebaut. Das Ziel lautet, mit Menschen, die auf der Sinnsuche sind und Probleme, Sorgen und Nöte haben, auf unaufdringliche, diskret-gehaltvolle, persönliche Weise ins Gespräch zu kommen. „Die Unterhaltungen werden absichtslos und ergebnisoffen geführt“, versichert der joviale Priester. „Es geht mir nicht um Missionierung im klassischen Sinne, und ich will auch niemandem etwas auf dogmatische oder moralisierende Art überstülpen.“ Doch dadurch, dass er sich zu den Menschen hin aufmacht und sie dort aufsucht, wo sie sich in ihrem Alltag oder ihrer Freizeit aufhalten, möchte Schornstein auch ein Zeichen setzen. „Ich verleihe der Kirche damit ein menschenfreundliches Gesicht.“

Zu früh für den Ruhestand

Schornstein wurde 1956 in Stolberg (Rheinland) geboren und legte 1975 am dortigen Goethe-Gymnasium sein Abitur ab. Von 1975 bis 1980 studierte er in Bonn und Würzburg Katholische Theologie und wurde 1981 zum Priester geweiht. Nach Kaplansjahren in Mönchengladbach-Hardt und Viersen-Dülken wurde er 1988 Pfarrer von Roetgen/Rott in der Voreifel, bevor er 1998 Regionaldekan der Region Aachen-Stadt wurde (was er bis 2008 blieb) und 2003 mehrere Pfarrstellen am Stadtrand von Aachen übernahm. Als er 2013 die Leitung der Pfarreien aus gesundheitlichen Gründen abgeben musste, war es für den Ruhestand noch zu früh. Schornstein wurde Pfarrvikar der Gemeinschaft der Gemeinden (GdG) „Grenzlos“ im Aachener Nordwesten und entwickelte schon bald die Idee, eine Anlaufstelle für Menschen zu schaffen, die ein distanziertes Verhältnis zur Kirche haben, aber auf Sinnsuche sind.

Niederschwelliges Angebot

Nach längeren Überlegungen kam er zu dem Ergebnis, dass es sehr schwer werden würde, ausschließlich der Kirche Fernstehende zu erreichen, und entschloss sich deshalb, ein niedrigschwelliges Angebot für alle möglichen Adressaten innerhalb und außerhalb der Kirche ins Leben zu rufen. Schnell war klar: Der rührige Seelsorger wollte dorthin gehen, wo die Menschen sind, und sich nicht auf kirchliche Räume zurückziehen. Mit „ansprechbar“ fand Schornstein auch einen passenden Namen, der die Offenheit des Angebots unterstreichen soll. Nach ersten positiven Erfahrungen bei der Aachener Heiligtumsfahrt 2014 wurde das Projekt am 1. Oktober desselben Jahres offiziell gestartet – an einem Tisch im „Café Extrablatt“ am Aachener Marktplatz, der zum regelmäßigen Treffpunkt werden sollte.

„Ansprechbar“ im „Klömpchensclub“

Schon bald kamen auch Überlegungen auf, nicht nur zu, sondern auch mit den Menschen zu gehen, und seither begibt Schornstein sich zweimal im Jahr, nämlich im Frühjahr und im Herbst, auf den Eifelsteig und wandert zwischen den Orten Roetgen und Kornelimünster mit Leuten, die mit ihm oder auch untereinander ins Gespräch kommen wollen. Zweimal war „ansprechbar“ bei der Aachener Verbrauchermesse „50plus“ vertreten (Schornstein: „Ein Überraschungseffekt für viele“), und auch beim „Soerser Sonntag“, der traditionellen Auftaktveranstaltung des bedeutenden, internationalen Aachener Reitturniers (CHIO), ist das ungewöhnliche seelsorgliche Angebot vertreten. Bei Heimspielen des Fußballclubs Alemannia Aachen, dem früheren Bundesligisten und Pokalfinalisten, ist „ansprechbar“ im sogenannten „Klömpchensclub“ ebenfalls anzutreffen.

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Neuestes Angebot sind Spaziergänge durch den Hangeweiher-Park zweimal im Monat, zu denen sich Interessierte treffen können, und auch im „KaffeeFleck“, dem Café der größten Buchhandlung am Platze, ist Schornstein seit wenigen Wochen präsent. Selbstverständlich hat die Corona-Pandemie mit ihren Lockdowns sich auch auf die Arbeit von „ansprechbar“ ausgewirkt. In dieser Zeit stand der Priester per Telefon als Gesprächspartner zur Verfügung, was in einzelnen Fällen auch genutzt wurde. Nach einem Intermezzo von Mai bis Oktober 2020 ist „ansprechbar“ seit August 2021 wieder im „Cafe Extrablatt“ vertreten, natürlich unter den jeweils geltenden Hygienevorschriften.

Zurück zu dem, was Jesus wollte

Was sind die Probleme, mit denen Rat und Hilfe suchende Menschen sich an Schornstein wenden? Psychische und soziale Probleme gehören ebenso dazu wie Familienstreitigkeiten, Beziehungsfragen und selbstverständlich auch religiöse Probleme. „Viele suchen Orientierung, und für sie ist es wichtig, dass ich Priester bin“, hebt Schornstein hervor. „Manche von ihnen kostet es allerdings eine gewisse Überwindung, mich anzusprechen, selbst wenn das Angebot niedrigschwellig und der Ort eher neutral ist.“ Dem Projekt, das zunächst auf drei Jahre angelegt war, drohte im Dezember 2017 das Ende, aber dann gelang es doch, es als ständiges, offizielles Angebot der ökumenischen Cityseelsorge, die in der Aachener Citykirche St. Nikolaus angesiedelt ist, fortzuführen. Dadurch konnte Schornstein sich auch an den Aufbau eines Teams machen: Der ehemalige Gemeindereferent Josef Gerets, die Sozialarbeiterin Isa Trümper-Loogen, Pastoralreferentin Barbara Geis und Christa Scheurer von der Telefonseelsorge unterstützen den Priester und sorgen dafür, dass kein Ratsuchender abgewiesen werden muss. Drei weitere erfahrene Leute haben ihr Interesse an einer Mitarbeit bekundet. „Entscheidend ist das Zuhören-Können“, unterstreicht der umgängliche Pfarrer. „Außerdem müssen alle, die bei uns mitmachen, eine entsprechende Qualifikation haben und Erfahrung im Umgang im Menschen, möglichst durch eine Beratungstätigkeit, mitbringen.“

Letztlich kommt auch Gott ins Spiel

Kopf des Ganzen ist aber ist nach wie vor Schornstein selbst; alle anderen sind ehrenamtlich tätig. Der charmante Menschenfreund, der mit seiner rheinisch-kommunikativen Art so gut eine lockere, angenehme Gesprächsatmosphäre und einen Draht zu anderen aufzubauen weiß, hat vor einigen Jahren eine Supervisionsausbildung gemacht und dabei gelernt, bei aller Zugewandtheit auch die unabdingbar nötige Distanz zu wahren. „Ich bin mir bei allem Bemühen bewusst, dass ich nur Hebammendienste leisten und selbst kein Problem lösen kann, sondern oft an andere, vor allem an Beratungseinrichtungen und Fachstellen, weitervermitteln muss“, räumt er freimütig ein.

Auch wenn er niemanden frömmer machen oder gezielt in die Kirche holen will, so ist der umgängliche Priester doch davon überzeugt, dass etwas von seiner Ausstrahlung auf die Menschen überspringt und dadurch letztlich auch Gott ins Spiel kommt. „Der Geist Gottes ist noch nicht aus der Welt heraus, und wir müssen deutlich machen, wo er heute wehen kann“, fordert er. „Wir müssen wieder mehr zurück zu dem, was Jesus wollte. Seine Botschaft und das Erscheinungsbild der Kirche müssen wieder deckungsgleich sein.“ Darüber hinaus müssten alle Getauften wieder stärker motiviert werden, zu ihrem Glauben zu stehen und für ihn einzutreten, mahnt der Priester.

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Gerd Felder Geistliche und Priester Gemeindereferenten und Gemeindereferentinnen Kirchen und Hauptorganisationen einzelner Religionen Pastoralreferentinnen und Pastoralreferenten Pfarrer und Pastoren Pfarrvikare Telefonseelsorge

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