Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Frankenwald

Dreifaltigkeitskirche in Presseck: Sakraler Schatz im Frankenwald

Die Geschichte der ausgemalten Kirche von Presseck bei Kulmbach ist lang und wechselhaft. Ihre äußere Unscheinbarkeit trägt sie nur als Tarnung.
Kirche von Presseck bei Kulmbach
Foto: Drouve

Presseck im Frankenwald. Beschaulich liegt der Ort ins Grün bayerischer Wälder und Wiesen gebettet. Wanderer auf dem Frankenwaldsteig schätzen die unverbrauchte Natur, machen im Gasthof Station, stärken sich mit Kraftbrühe, Spätzle, Schnitzel. Der Bescheidenheit des Straßenbilds entsprechen zwei spitztürmige Kirchen, eine katholische, Petrus Canisius, und eine evangelische. So weit, so normal – wüsste man nicht, dass die evangelische Dreifaltigkeitskirche, die ursprünglich katholisch war, ihre Unscheinbarkeit als Tarnung trägt. Ein Geniestreich. Drückt man den Metallgriff der schlichten Holztür, öffnet sich der Zugang in eine andere Welt, vorbei an Seidengardinchen. Dann wird man überwältigt vom Überraschungseffekt. Plötzlich blättert sich ein riesiges Bilderbuch auf.

Die Holzemporen, der Altarraum, die Abschlüsse der Bänke – alles ist fein und umfassend bemalt. Das macht die Kirche zu einem sakralen Schatz mit Seltenheitswert. Ihre Geschichte ist lang und wechselhaft. Einst war sie den Heiligen Georg und Mauritius geweiht.

Usprung unter Heinrich II.

„Unser Gotteshaus ist eine ehemalige Wehrkirche, erbaut 1513 unter Verwendung von Mauerteilen aus dem 13. Jahrhundert“, klärt die evangelisch-lutherische Kirchengemeinde Presseck auf, doch diese Kurzinfo ist nicht weit genug gefasst. Der Ursprung weist auf frühere Zeiten um 1000, als Kaiser Heinrich II. regierte, und eine Legende, die der ehemalige Pfarrer Eberhard Bunzmann in der Kirchenbroschüre nachgezeichnet hat: „Ein tapferer Kriegsmann machte sich auf Grund einer göttlichen Eingebung auf den Weg von Hof nach Kulmbach. In der hiesigen, noch weitgehend unbesiedelten Gegend wollte er bei einer Frau in einem einsam gelegenen Haus übernachten. Diese Frau bat ihn jedoch davon abzulassen und damit sein eigenes und ihr Leben zu retten. Ein Räuber sei bei ihr ständiger und ungebetener Gast. Der Kriegsmann nahm sich ein Herz, wartete auf den Räuber und erschlug ihn. Er ging noch weiter, suchte und fand auch die Räuberhöhle mit einem riesigen zusammengeraubten Schatz. Die eine Hälfte, so bestimmte der Kaiser, fiel an ihn, aus der anderen Hälfte wurden die Kirchen von Ahornberg und Helmbrechts sowie unsere Kirche erbaut.“ Die Legende hat noch nichts mit den reichen Dekors zu tun, die der Kirche bis heute Glanz verleihen. Die ältesten Fresken datieren aus den Jahren 1512–1517, was sich wiederum dadurch erklärt, dass sich das Adelsgeschlecht derer von Wildenstein in der Kirche selbst ein Denkmal setzen wollte.

Zu Beginn des 16. Jahrhunderts fassten die Wildensteins den Entschluss, den Sakralbau zu vergrößern, auszuschmücken und später als Grablege zu nutzen; diverse Grabdenkmäler mit Verzierungen und Umschriftrahmungen haben sich im Innern erhalten. Nach den Wirren des Dreißigjährigen Krieges kamen 1648/49 Deckengemälde des Kulmbacher Künstlers Friedrich Schmidt hinzu und der Einbau der sogenannten Edelmann-Empore: eine Empore im Altarraum, die durch einen Treppenaufgang von außen zugänglich ist.

Fresken wieder freigelegt

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die unter Tüncheschichten verborgene Freskenpracht wieder freigelegt und der heutige Zustand erstellt. Damals, 1947, erinnert Ex-Pfarrer Bunzmann in seiner Schrift, „war die sogenannte ,schlechte Zeit‘, und der Restaurator musste reihum von den Gemeindemitgliedern zum Essen eingeladen werden.“

Lesen Sie auch:

Nach dem Gesamteindruck filtriert man unterschiedlichste Einzelheiten der Decken- und Wandmalereien, ob die Kreuzigung, das Jüngste Gericht oder ein – obgleich verblasstes – Fresko des Christophorus, das fast übermächtig die Nordwand des Altarraums beherrscht. Überall fließen Motive und Farben harmonisch ineinander. Hoch im Altarraum steigt der Blick zum Evangelisten Lukas auf, einem echten Blickfang. Lukas‘ Symboltier, der Stier, kauert friedlich und geradezu mit verschmitztem Ausdruck neben einem Rundtisch, an dem der Herr gerade zur Feder greift. Eine Gebrauchsanweisung für die Betrachtungen gibt Eberhard Bunzmann in der Kirchenschrift an die Hand: „In die nördlichen Bögen des Gewölbes malte er [Anm.: Künstler Friedrich Schmidt] Szenen aus der Apostelgeschichte. Diese Bilder bezeugen die Gründung der Kirche durch den Geist Gottes. Gegenüber sind die Bilder von der Vollendung der Kirche und dem Neuen Jerusalem der Offenbarung des Johannes entnommen. Die Ordnung der Bilder an der Decke des Kirchenschiffes hat noch mehr Feinheiten, die studiert und entdeckt sein wollen. Dem Heilsweg Gottes im Alten Testament auf der Südseite (mit den runden Fenstern) ist der Heilsweg Gottes im Neuen Testament gegenübergestellt.“

Dominant im hinteren Oberbereich ist die Orgel, bis zu der sich die Deckenfresken spannen. Die Emporen darunter sind mit rechteckigen Bildtafeln verziert, die um die Passion Christi kreisen. Ein Rundfenster an der Seite erlaubt den Blick in die reale Welt und in der Ferne auf die Kirche Petrus Canisius, die mit der hiesigen Prachtentfaltung und Stimmung nicht Schritt halten kann; das Interieur ist modern, nüchtern.

Engel mit goldenen Flügeln

Hier am Altarraum empfängt links eine Engelsskulptur mit goldenen Flügeln unterhalb von Grabplatten der Wildensteins. Das Retabel entspricht dem Schönheitsempfinden der Barockzeit; das schmale, vergoldete Werk stammt von Johann Matthäus Müller aus dem nahen Stadtsteinach, der 1760 beauftragt wurde, einen neuen Hochaltar zu schnitzen. Ex-Pfarrer Bunzmann mutmaßt, dass die gotischen Schnitzfiguren des alten Altars in den Kriegswirren abhandengekommen waren. Gekrönt wird das Retabel von einer Figur des auferstandenen Christus mit der Siegesfahne.

Engelsskulptur mit goldenen Flügeln
Foto: Drouve | Am Altarraum empfängt links eine Engelsskulptur mit goldenen Flügeln.

Bunzmann verweist darauf, dass „die merkwürdigen Zeichen“ auf der Tafel unter dem fahnentragenden Christus hebräische Schriftzeichen sind, die bedeuten: „Jahwe ist Friede.“ So hieß der Altar des Gideon, des Retters Israels, verbürgt im alttestamentarischen Buch der Richter (6,24).

Der Herr ist der Friede – diese Botschaft, die in den Kirchenraum ausstrahlt, ja regelrecht in ihn hineinredet, ist chronisch aktuell geblieben. Doch nicht nur das gibt Anstöße. Eine Begrüßungsformel auf einem Blatt an der Kanzel richtet sich an Wanderer jedweder Art: „Kommst du auf deinem Lebensweg hierher, so raste an diesem Ort, dessen Mauern durch die Jahrhunderte getränkt sind mit Gebeten von Menschen und vom Segen Gottes. Wenn du magst, so halte ein stilles Gebet und entzünde dazu ein Licht. Lass dich von Gott anrühren und breche von hier gestärkt wieder auf und gehe weiter deines Weges.“ Daneben hängt ein weiteres Blatt, dessen Inhalt über alle Konfessionen hinweg gilt: „Beten ist Sorgen entsorgen.“

Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.

Themen & Autoren
Andreas Drouve Evangelische Kirche Heinrich II. Jesus Christus Kirchengemeinden Pfarrer und Pastoren

Weitere Artikel

Kirche

Die Heilsquelle der Christen betrachten: Das Kreuz steht im Mittelpunkt authentischer Kirchenreformen.
28.03.2024, 21 Uhr
Regina Einig