Barfuß und ganz in rot gekleidet schreitet der Mann über das kalte Kopfsteinpflaster der Rue Joseph Tafanelli. Seinen Körper verhüllt eine Kutte, die Hände stecken in Wollhandschuhen, Kopf und Gesicht sind unter einer Stoffmaske verborgen. Mit seinem rechten Arm umklammert er das 34 Kilogramm schwere, eisenbeschlagene Eichenholzkreuz auf seinen Schultern, mit der linken Hand die Gesichtsmaske, zieht Sehschlitze und Nasenlöcher zurecht. Mit jedem Schritt schleift der Catenacciu, der Kettenträger, wie die Einheimischen den Büßer nennen, eine Eisenkette an seinem Fußgelenk über den Boden, vorbei an den Pilgern. Dann bricht der Catenacciu zusammen. Ein Raunen geht durch die Menge, ein Mädchen fängt an zu weinen. Im Laternenlicht der Nacht ...
Korsikas Ostergeheimnis
Im März blickt ganz Korsika auf das mittelalterliche Städtchen Sartene. Seine mystische Karfreitagsprozession mit einem komplett verhüllten Büßer ist das österliche Insel-Highlight und gibt jedes Jahr Rätsel zu dessen Identität auf. Von Martina Katz