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Amir Arabpour: Wer sein Gesicht zeigt, lebt gefährlich

Islamkritik im Netz ist ein Wagnis. Der YouTuber und ehemalige Muslim Amir Arabpour berichtet von islamistischen Drohungen und ist damit kein Einzelfall. Von Peter Winnemöller
Bruder Hussam, Youtuber
Foto: YouTube/youareAFJC | "Bruder Hussam", ein Aramäer, gibt eher Zeugnis in seinen Videos und kritisiert weniger scharf, aber dennoch deutlich den Islam.

Islamkritik auf YouTube ist ein recht unbekanntes Nischenphänomen. In den Blickpunkt rückte es durch die Verhaftung von fünf mutmaßlichen IS-Terroristen im Rheinland. In einem Video auf seinem YouTube-Kanal behauptet Amir Arabpour, er sei das Ziel der inhaftierten Islamisten gewesen. Er begründet dies damit, dass es Tadschiken waren und er schon mehrfach von Islamisten aus Tadschikistan bedroht worden sei. Mehrere Zeitungen berichteten, er sei das geplante Ziel gewesen. Im Fadenkreuz eines Killerkommandos zu stehen, ist kein Spaß. Da geht es um Leben und Tod.

Islamkritiker Amir Arabpour
Foto: YouTube/Ex-Muslime klären auf TV | Islamkritiker Amir Arabpour behauptet in einem Video, von tadschikischen Islamisten bedroht worden zu sein.

Natürlich bestätigen weder Polizei noch Bundesanwaltschaft die Identität von potenziellen Anschlagsopfern. Es liegen bei Behörden zudem keine dezidierten Erkenntnisse vor, ob islamkritische YouTuber besonders stark im Fokus von Islamisten stehen. In sozialen Medien ist Islamkritik so präsent wie jede andere Religionskritik. Islamische Netzwerke stehen im Ruf, Beschwerde und Meldung gezielt einzusetzen; so sehen sich einzelne Islamkritiker an öffentlicher Kritik gehindert. Manche Inhalte sind im Zweifel tatsächlich nicht regelkonform und werden zu Recht gesperrt. Dennoch wird hier nach Ansicht islamkritischer Stimmen die Meinungsfreiheit behindert. Das ist Grund genug, Islamkritikern auf YouTube mal über die Schulter zu schauen.

Arabpour ist auf YouTube nicht allein, es gibt sehr verschiedene Ansätze von Islamkritik auf YouTube. Die islamkritische Szene besteht aus gut besuchten Nischenkanälen. Forsch und profiliert äußert sich Amir Arabpour über den Islam. Sein Kanal hat 71 000 Abonnenten. Einige der Videos wurden sehr viel häufiger angeklickt. Er gibt an, ein ehemaliger Moslem zu sein, der zum Christentum konvertiert ist. Wer in den sozialen Medien aktiv ist, setzt sich Kritik aus. Arabpour sei nie Moslem gewesen, lautet ein Vorwurf. In Internetforen wird seine Vita zum Thema gemacht. Seine Glaubwürdigkeit wird gezielt untergraben.

Arabpour erzählt seine Geschichte ganz offen, in einem säkularen Umfeld sei er aufgewachsen und entdeckte als junger Mann den Islam für sich. Er bekehrte sich später zum Christentum. Jetzt deckt er in Videos auf, wie er den Islam sieht und lässt kein gutes Haar daran. Wie viele Islamkritiker setzt er Islam und Islamismus gleich. Er sieht im Islam die Wurzel für Gewalt.

Darin stimmt er mit Hamed Abdel-Samad überein. Der Politikwissenschaftler und Publizist stammt aus Ägypten. Er war früher Mitglied der Muslimbruderschaft und zählt derzeit zu den bekanntesten Islamkritikern. In Deutschland wirft er Medien sogar vor, Islamkritik zu verhindern. Islamophobie sieht er als Kampfbegriff. Abdel-Samad betreibt selber keinen Kanal auf YouTube. Er ist jedoch auf der Videoplattform als Islamkritiker omnipräsent. Videos verschiedener Anbieter, in denen er auftritt, haben oft sechsstellige Zugriffszahlen. Er vertritt die Ansicht, dass niemand in der arabischen Welt einen Zusammenhang zwischen Islam und Gewalt bestreiten würde.

Hussam ist ein Aramäer, der auf seinem YouTube Kanal im Grunde mehr christliches Zeugnis gibt, als unmittelbar gegen den Islam zu wettern, doch die Kritik am Islam ist unüberhörbar. Seine Videos haben fünfstellige Zugriffszahlen. Er wirkt mild, wenn man ihn mit der kämpferischen Polemik anderer vergleicht, doch auch seine Kritik ist sehr klar. Er übt seine Islamkritik nicht mit Polemik, sondern aus dem christlichen Glauben. In einigen Videos stellt er Bibel und Koran gegenüber. Aus seinen Vorträgen spricht ein sehr biblischer Glaube, der die Islamkritik fast sanft wirken lässt. An Klarheit fehlt es dennoch nicht.

Ein deutlich anderes Kaliber stellt der Kanal von Ali Utlu dar. Utlu kommt aus der Türkei und ist homosexuell. Seine Kritik richtet sich in gleicher Weise gegen den Islam und das Christentum. Bei Letzterem hat er jedoch vor allem Evangelikale im Blick. Kern der Kritik ist die beiden Religionen unterstellte Homophobie. Dem Islam weist er nach, dass der Koran zum Töten von Homosexuellen auffordert. Sein eigener Kanal hat nur etwas über 200 Abonnenten. Utlus Präsenz auf anderen Kanälen ist allerdings sehr hoch und diese Videos zeigen Zugriffszahlen im fünf- bis sechsstelligen Bereich.

Sehr profiliert treten Frauen auf, die den Islam kritisieren. Unter Christen ist wohl Sabatina James am bekanntesten. Auch auf YouTube ist sie in zahlreichen Kanälen präsent. Gleiches gilt für Necla Kelek, die ebenfalls mit einigen Videos unterschiedlicher Anbieter im Videonetzwerk YouTube vertreten ist. Hier steht besonders das Frauenbild des Islam und die daraus resultierenden Praktiken im Fokus. Bei Sabatina James spielt die eigene Biografie eine Rolle. Es geht um Zwangsehen, in die junge Frauen gedrängt werden. Es geht um die Rolle der Frau in der islamischen Gesellschaft. Zudem warnen beide Frauen vor dem zunehmenden Einfluss des Islam in unserer Gesellschaft.

Wer Gesicht zeigt, ist in Gefahr. Abdel-Samad und Sabatina James leben schon lange unter Personenschutz. „Die Kritik am Islam führt immer zu einem gesteigerten Interesse bei fundamentalistischen Religionsanhängern“, so Kriminalhauptkommissar Faßbender, Pressesprecher des LKA Nordrhein-Westfalen auf Nachfrage der „Tagespost“. Islamkritik in sozialen Netzwerken habe allerdings nicht die Außenwirkung, wie sie bei Salman Rushdie oder Charlie Hebdo zu beobachten waren, so der Sprecher weiter. Aussteiger aus der islamistischen Szene würden allerdings in sozialen Netzwerken angegangen und beschimpft oder sogar bedroht. Islamkritische Influenzer sucht man auf YouTube vergeblich. Es bleibt ein Nischenphänomen, auch wenn es jetzt in die Öffentlichkeit gelangte.

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