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Apple TV+-Serie „Teheran“: Eine Mossad-Agentin soll sabotieren

Die Apple TV+-Serie „Teheran“ lebt nicht nur von Agentenfilm-Spannung. Einblicke in die iranische Gesellschaft sowie die Reflexion über Familie und Liebe machen sie sehenswert.
Portrait: Niv Sultan
Foto: Apple TV+

Ein Passagierflugzeug auf der Route von der jordanischen Hauptstadt Amman nach Neu-Delhi. Von Anfang an konzentriert sich die Kamera auf zwei Paare: Ein Mann mit Bart und eine verschleierte Frau haben gerade Platz genommen, als eine sehr junge Frau und ihr ebenfalls sehr junger Begleiter den Gang hinuntergehen: „Ich will ein Bild mit einer Verschleierten“, sagt unbekümmert das Mädchen. Diese Bemerkung, zusammen mit Gesprächsfetzen, die den Jungen als Schwulen kennzeichnen, sowie ihre flippige Kleidung weisen auf die Unterschiede zu dem ersten, ernst schauenden Paar hin.

Als sich plötzlich der Pilot einschaltet und von einem Motorschaden berichtet, der eine Not-Zwischenlandung in Teheran erfordere, macht sich bei dem schrill angezogenen jungen Paar Angst breit: Sie sind Israelis, die Billigtickets für eine Indienreise gebucht hatten. Der bloße Gedanke, in Teheran an Land zu gehen, versetzt sie in Panik. Nicht zu Unrecht, wie der Zuschauer bald erfahren wird.

Erzfeinde: Iran und Israel

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In der israelischen achtteiligen Serie „Teheran“, die bei der Online-Plattform Apple TV+ abgerufen werden kann, spielt dieses Pärchen indes bald keine Rolle mehr. Ihre dramaturgische Funktion besteht lediglich darin, die Erzfeindschaft zwischen Iran und Israel zu verdeutlichen. Für die Handlung von „Teheran“ ist vielmehr das erste Paar beziehungsweise die anfangs verschleierte Frau von Bedeutung.

Die – wie sich bald herausstellt – vom israelischen Geheimdienst Mossad erzwungene Zwischenlandung nutzt sie dazu, ihre Kleidung mit einer ihr ähnlich sehenden Hostess zu tauschen. Auf die Art und Weise schleust sich die junge Mossad-Agentin Tamar Rabinyan (Niv Sultan) in Teheran ein. Dort soll sie sich in ein militärisches Sicherheitssystem einhacken, um die iranische Luftüberwachung außer Betrieb zu setzen, damit israelische Bomber ein Atomkraftwerk zerstören können. Denn der Bau einer iranischen Atombombe stellt die größte Bedrohung für Israel dar. Nachdem die unerfahrene Hackerin beim ersten Versuch gescheitert ist, nimmt sie Kontakt zum iranischen Hacker und Dissidenten Milad (Shervin Alenabi) auf. Die Operation wird in der Mossad-Zentrale von Meir Gorev (Menashe Noy) geleitet, der auf grünes Licht wartet, damit er den Flugzeugen das Zeichen zum nächtlichen Angriff geben kann. Bald ist der Chef der iranischen Spionageabwehr Faraz Kamali (Shaun Toub) Tamar jedoch dicht auf den Fersen.

Erstaunlich differenziert: das Bild der iranischen Gesellschaft 

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Unabhängig davon, ob die Serie sowohl in der Gesamtkonzeption oder auch in etlichen Einzelsituationen glaubwürdig wirkt, zeigt sie ein differenziertes Bild der iranischen Gesellschaft: Zwar weisen sowohl die plakativ eingesetzte öffentliche Hinrichtung eines „Verräters“, die Tamar auf dem Weg vom Flughafen zur Wohnung „ihres“ Ehemanns beobachtet, als auch die blutig niedergeschlagene Studentendemonstration und weitere willkürliche polizeiliche Aktionen einschließlich Folterungen auf ein totalitäres System hin. Die Dissidentenszene samt „Party“ mit Drogenkonsum stellt aber einen Kontrapunkt dazu dar.

Selbst der Spionageabwehr-Chef Faraz Kamali trägt trotz Brutalität menschliche Züge: Eigentlich wollte er seine Frau nach Paris begleiten, wo sie sich einer Krebsoperation unterziehen muss. Da er doch nicht mitfliegen kann, zieht sich Kamalis Sorge um seine Frau wie ein roter Faden durch die ganze Serie. Die Dramaturgie verknüpft rasante Verfolgungsjagden und spannungsgeladene Momente mit Augenblicken, in denen innegehalten und über die Folgen etwa eines Agentenlebens reflektiert wird. Äußerlich kontrastieren die kühlen blauen Töne in der Mossad-Zentrale mit den warmen Farben im Iran.

„Du bist gefangen. Deine Seele ist schwarz.
Alles, was Du berührst, muss sterben.“

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Ein bemerkenswerter Aspekt, der im Westen wenig bekannt sein dürfte, betrifft die im Iran lebenden Juden. Zwar sind sie eine „anerkannte Minderheit“ und allein in Teheran soll es 20 Synagogen geben, aber nach der Islamischen Revolution 1979 emigrierten zehntausende Juden nach Israel. Tamar Rabinyan gehört zu ihnen: Noch im Iran geboren, wanderte sie mit ihrer Familie aus. Deshalb riss der Kontakt zur Schwester ihrer Mutter ab, die in Teheran verblieb, zum Islam konvertierte und mit einem Polizisten verheiratet ist. Die wird allerdings eine Rolle in der Serie „Teheran“ spielen.

Der Besuch in ihrem Geburtsland löst bei Tamar außerdem ein diffuses Gefühl von Heimatverbundenheit aus, was sie andererseits verwundbar macht. Familie und Liebe spielen deshalb auch eine Rolle in „Teheran“, die freilich durch die Arbeit als Agenten gefährdet werden. Bezeichnend ist in dem Zusammenhang ein Satz, den Milad zu Tamar spricht, als es ihm klar wird, dass er von ihr zu ihren Zwecken einfach benutzt wurde: „Du bist gefangen. Deine Seele ist schwarz. Alles, was Du berührst, muss sterben.“

„Teheran“ lebt insbesondere auch von der Hauptdarstellerin Niv Sultan, die sowohl in den Actionszenen bestehen, als auch die unterschiedlichen Gefühle und die innere Zerrissenheit ihrer Figur nuanciert darstellen kann.


„Teheran“, Israel 2020. Serienentwickler: Dana Eden, Maor Kohn, Moshe Zonder. Regie: Daniel Syrkin, acht Folgen mit insgesamt 380 Minuten, auf Apple TV+

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José García Mossad

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