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Jonathan Pageau: YouTube auf orthodox

Ein kanadischer Ikonenmaler und orthodoxer Theologe legt Themen der Popkultur und Politik symbolisch aus. Dadurch weckt er die Faszination für das Christentum, die Liturgie und die Kirche .
Ikonenmaler Jonathan Pageau
Foto: screenshot | In diesem Frage-Antwort-Youtube-Video erzählt der Ikonenmaler Jonathan Pageau, wie er in die russisch-orthodoxe Kirche fand. Rechts oben j´kann man eines der Bücher sehen, das ihn zu seinem neuen Lebensweg inspirierte.

Die Entstehung Evas aus der Rippe des Adam ist das Herz der runden Ikone, die die Schöpfungsgeschichte darstellt. Zugleich steht das Bild symbolisch für die Erschaffung des femininen Prinzips. Dieses sei heute – trotz oder eigentlich wegen des Feminismus – auf dem Rückzug, erklärt Jonathan Pageau. Das Problem des gegenwärtigen Feminismus sei, dass er sich an das Maskuline anpasse. Was das Feminine eigentlich ausmache, wisse niemand.

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Symbolik der Bibel und objektive Realität

Schon befindet man sich mitten in einem seiner YouTube-Vorträge über Symbolismus – dem Lebensthema des kanadischen Ikonenmalers Pageau.

Die Schöpfungsikone ist das Logo seines YouTube-Kanals namens „Die symbolische Welt“. Er hat über 120 000 Abonnenten und 269 Videos, die Kurz-Clips und seinen französischsprachigen Kanal nicht mit einberechnet.

Besonders beliebt sind die Filme, in denen Pageau mit dem Bestsellerautor und Psychologen Jordan Peterson über christlich-jüdische Narrative, Symbolik in der Bibel und objektive Realität debattiert. Diese Videos knacken die 1,5 Millionen Zuseher-Marke.

Im Unterschied zu Peterson, der (noch) mit dem Glauben hadert, ist Pageau überzeugter russisch-orthodoxer Christ. Auf YouTube diskutiert er mit Wissenschaftlern, Atheisten, Buchautoren und erforscht symbolische Muster, die unserer Erfahrung der Welt zugrunde lägen und die sich in Religion, Kunst und in der Popkultur manifestieren würden. Diese Muster deuten, so lehrt Pageau, auf Gott und die geistige Welt hin.

„In seinem freikirchlichen Umfeld herrschte eine
‚unausgesprochene Feindseligkeit gegenüber den visuellen Künsten‘“

Dabei kommt der französisch sprechende Kanadier aus Québec ursprünglich gar nicht aus der mystischen, symbolträchtigen Welt der russischen Orthodoxie, ganz im Gegenteil: Seine Eltern traten aus der katholischen Kirche aus und schlossen sich einer evangelikalen Gemeinde an. Sein Vater wurde Baptisten-Pastor und der junge Jonathan Pageau wuchs in einem eher anti-katholischen Umfeld auf – ohne Liturgie, ohne Kreuze an den Wänden, wie er in einem YouTube-Film erzählt.

In seinem freikirchlichen Umfeld herrschte eine „unausgesprochene Feindseligkeit gegenüber den visuellen Künsten“, berichtet der Ikonenmaler. Anfang zwanzig, als er auf der Universität in Montreal Malerei studierte, erlebte er, ausgelöst durch Vorlesungen über zeitgenössische Kunst und postmoderne Kunsttheorie, eine spirituelle und auch künstlerische Krise. Sein Glaube erschien ihm oberflächlich. Die Kirchenväter, auf die er stieß, retteten seinen Glauben. Besonders angetan war er von den Schriften Gregors von Nyssa und Maximus dem Bekenner.

 

Dort fand Pageau das Weltbild, das er zu finden hoffte: eine kosmische Vision der Welt, anstatt eine materialistisch-naturwissenschaftliche Weltsicht, an deren Spitze der Glaube steht. Ihn faszinierte die mittelalterliche Synthese aus Kunst, Architektur und Liturgie und wie sie alle Aspekte des Lebens durchdringt.

Ein postmodernes Werk, das ihn beeinflusste, war Jacques Derridas Essay „Über den Namen“. Hier hörte er zum ersten Mal von negativer Theologie und von der Idee des unendlichen Gottes, dessen Größe über das Benennbare geht. Der Eintritt in die russisch-orthodoxe Kirche erfolgte dann, wie der Künstler sagt, durch kleine Schritte, Wunder und Zeichen.

Weg von materialistisch-atheistischer Betrachtung der Welt

Im Anschluss an das Kunststudium hängte er ein orthodoxes Theologie- und Ikonographiestudium an. Heute ist Jonathan Pageau in unterschiedlichen Feldern tätig: als Schnitzer von Holzikonen (eine hängt in Jordan Petersons Zuhause und stellt den Erzengel Michael im Kampf mit dem Drachen dar), Sprecher, Leiter von Workshops, YouTuber und Redakteur des Online-Magazins „Orthodox Art Journal“. Die Tätigkeiten des Künstlers und seine YouTube-Filme mit Titeln wie „Der Joker und Cancel Culture“, „Warum die Proteste so religiös wirken“, „Wie Wissenschaft in Religion verschachtelt ist“ oder „Symbolistischer vs. wörtlicher Sinn“ mögen zwar unterschiedlich sein, aber seine Mission ist stets dieselbe: Pageau möchte den Menschen helfen, die Welt durch einen anderen Rahmen, nämlich nicht durch einen rein materialistisch-atheistischen, sehen zu lernen. Das macht er, indem er seinem Publikum zum Beispiel die symbolischen Muster nahe bringt, die erfolgreichen Filmen zugrunde liegen würden. Diese Muster wiederum seien eine Beschreibung der Realität.

Welche Rolle spielt Christus in all dem? Darauf hat Pageau eine klare Antwort: „Die Geschichte von Christus ist die dichteste Manifestation jeder anderen Geschichte, die seit Anbeginn der Zeit erzählt wurde. Wenn du das Muster von Christus und der Bibel verstanden hast, wirst du erkennen, dass die ganze Welt aus diesen Mustern besteht.“ Damit bezieht er sich auf Tod und Auferstehung Jesu, ein Narrativ, das in Literatur und oft erfolgreichen Filmen durch einen Protagonisten, der sein Leben für seine Freunde hingibt und der sogar wieder zum Leben erweckt wird, wiedergegeben wird.

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Positive Wirkung der Videokatechesen

Die zahlreichen Kommentare unter Pageaus Filmen sind fast durchgängig positiv. Unter jedem Vortrag findet man mindestens einen Kommentar, in dem ein Zuhörer erzählt, dass er durch seine Inhalte zu Christus gefunden hat und den Atheismus aufgab. Hardcore-Fans haben für 10 Dollar im Monat Zugang zu extra Filmen und können dem Theologen während Frage-Antwort-Einheiten Fragen zukommen lassen.

Zum Schluss seiner YouTube-Filme erscheint nochmals die Schöpfungsikone. Dazu erklingt die Ouvertüre „Russische Ostern“ von Rimski-Korsakow.

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