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„Osservatore Romano“: Die Papstzeitung erscheint nicht mehr gedruckt

Der traditionsreiche „Osservatore Romano“ stellt nach 160 Jahren Geschichte seine italienische Printausgabe ein.
Titelblatt des L'Osservatore Romano
Foto: Screenshot

Er hatte eine bewegte Vergangenheit. Zweimal wurde er nicht gedruckt: 1870 eine ganze Woche lang, als die Piemontesen Rom eroberten, und 1919, als ein Streik die Druckereien der Stadt lahmlegte. Ansonsten hat er durchgehalten: Der „Osservatore Romano“, die Zeitung des Papstes, die im Umfang von vier Seiten am 1. Juli 1861 zum ersten Mal erschien – ins Leben gerufen vom stellvertretenden „Innenminister“ der päpstlichen Regierung, Marcantonio Pacelli, dem Großvater von Papst Pius XII. Doch jetzt sieht alles so aus, als würde das traditionsreichen Blatt von der Bildfläche verschwinden. Es existiert nur noch eine Online-Ausgabe im Internet. Wer möchte, kann sie zu einem Sonderpreis von zwanzig Euro im Jahr abonnieren. Doch das Mediendikasterium des Vatikans schweigt sich dazu aus, wie viele Kunden sich für ein Abonnement entschieden haben. Niemand rechnet damit, dass der „Osservatore Romano“ im neuen Online-Format je wieder Höhenflüge erreichen wird.

Die Zeitung, die schon unter dem Vorgänger des jetzigen Chefredakteurs den größten Teil seiner Abonnenten verlor, ist somit nun auch aus den Kiosken verschwunden. Am Ende war es eigentlich nur noch der Zeitschriftenstand unter den Kolonnaden am Petersdom, wo die gedruckte Ausgabe des Blatts den einen oder anderen Leser fand.

Eigentlich hatte Papst Franziskus noch im Juli
dem „Osservatore Romano“ ein Kompliment gemacht –
aber auf seine Weise, so dass man nicht wusste,
ob sich dahinter nicht doch Kritik verbarg

Vor allem die Kurialen und Mitarbeiter des Vatikans müssen sich über das Geschehen hinter den heiligen Mauern woanders informieren, ebenfalls im Internet, und zwar auf „Vatican News“, dem Herzstück der unter Franziskus vollzogenen Reform der Medienarbeit, wo der Chefredakteur aller Vatikanmedien, Andrea Tornielli, und der Präfekt des Mediendikasteriums, der Laie Paolo Ruffini, das Sagen haben.

Bleibt also noch die deutsche Wochenausgabe des „Osservatore Romano“, die nach wie vor beim Schwabenverlag gedruckt wird – und das scheint Andrea Monda, der seit 2018 Direktor der Vatikanzeitung ist, ein kleiner Trost zu sein. Schon bei der ersten Corona-Welle nach Jahresbeginn 2020 musste die Vatikandruckerei ihren Betrieb aus Sicherheitsgründen einstellen. Nur noch zehn Exemplare, vervielfältigt auf einem gewöhnlichen Drucker, verließen die Redaktion in Richtung Papst Franziskus und Emeritus sowie an das Staatssekretariat.

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Nach 1870 und 1919 war es das dritte Mal, dass die Zeitung nicht erschien. Was der Zweite Weltkrieg nicht bewirken konnte, schaffte das Virus aus Wuhan. In einem Interview sagte Monda damals zur deutschen Ausgabe: „Das ist die einzige Ausgabe, die derzeit noch gedruckt erscheint. Sie wird in Deutschland gedruckt. Da geht es weiter wie bisher. Hoffen wir, dass das so bleibt.“ Und das ist tatsächlich so geblieben. Während die italienische Blattmutter und die übrigen Sprachausgaben nur noch online erscheinen, kann die kleine deutschsprachige Redaktion in Rom stolz darauf sein, dass ihre Wochenausgabe auch in gedruckter Form zu den Lesern gelangt.

Ist das Verschwinden des „Osservatore Romano“ vom Markt der italienischen Printprodukte das Ergebnis einer Strategie des vatikanischen Mediendikasteriums, das seit seiner Errichtung im Juni 2015 – damals noch als Sekretariat für Kommunikation – für die gesamte mediale Präsentation des Heiligen Stuhls zuständig ist?

Das Personalkarussell dreht sich schnell

Zunächst von dem ehemaligen Direktor des Vatikan-Fernsehens, Monsignor Dario Vigano, geleitet, erhielt die Kurienbehörde 2018 den Namen Dikasterium und einen Präfekten, Paolo Ruffini, nachdem Vigano wegen der stückweisen Veröffentlichung eines Briefs des emeritierten Papstes in die Schlagzeilen geraten war. Bis dahin hatte Chefredakteur Giovanni Maria Vian die Fahne und die Eigenständigkeit des „Osservatore Romano“ hochgehalten. Doch mit dessen Nachfolger Andrea Monda, der sich in verschiedenen Bildungseinrichtungen mit Religion und Literatur befasst hatte, passte sich auch die Zeitung des Papstes den Prioritäten des Mediendikasteriums an. Und die gehen ganz klar in Richtung Internet. Mit der in verschiedenen Sprachen erscheinenden Plattform „Vatican News“, die mit Podcasts, Videos und live zu verfolgenden Streamings die Öffentlichkeit erreichen soll, hat sich ein neues Zentralmedium etabliert.

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Eigenständige Medien, die sich früher wie der „Osservatore Romano“ oder „Radio Vatikan“ auf eine eigene Identität und Redaktionen mit einem gewissen Korpsgeist stützen konnten, gingen in der großen Masse des an Mitarbeitern umfangreichsten Vatikan-Dikasteriums auf.

Eigentlich hatte Papst Franziskus noch im Juli dem „Osservatore Romano“ ein Kompliment gemacht – aber auf seine Weise, so dass man nicht wusste, ob sich dahinter nicht doch Kritik verbarg. In einem sehr salopp geschriebenen Grußwort zum runden Geburtstag, das die Zeitung dann auch veröffentlichte, sprach er vom „Osservatore“ als „seiner Partei-Zeitung“, die aber eigentlich „eine Zeitung der Straße“ sein müsse. Zunächst ein Lob: „Ich lese ihn“, den „Osservatore“, „jeden Tag, und wenn er sonntags nicht erscheint, fehlt mir etwas“. Aber die Gefahr sei es, eine „Zeitung im Laboratorium oder am Schreibtisch“ zu machen. Es müsse vielmehr eine „Zeitung der Straße“ sein, eine Zeitung, „die herauszugehen vermag, auf die Straßen, um die Geschichte zu sehen und zu berühren“. Sie müsse das Leben so nehmen, wie es ist, und nicht so, wie man sich das Leben am Schreibtisch vorstelle.

Sehr emotionale Reaktionen

Schon in Argentinien habe er die spanischsprachige Wochenausgabe des „Osservatore Romano“ gelesen, doch jetzt „erscheint sie leider nicht mehr im Papierformat“.

Und das ist nun auch der italienischen Mutterausgabe der Papstzeitung passiert. Und mit Blick auf die nicht gerade sehr junge Leserschaft hatte schon Chefredakteur Monda in dem zitierten Interview angedeutet, welche Folgen das Nicht-Erscheinen des „Osservatore Romano“ zu Beginn der Corona-Zeiten hatte: Es habe auch Beschwerden geben. „Man muss bedenken, dass unsere Leser ein gewisses Alter haben, wie ja bei vielen Zeitungen. Manchen verschafft das Digitale etwas Unbehagen.“ Die Reaktionen seien sehr emotional gewesen.

Das Unbehagen dürfte die nun ausschließlich über das Internet zu beziehende Version des „Osservatore Romano“ noch dadurch steigern, dass diese nicht wie etwa „Vatican News“ bedienerfreundlich an den Bildschirm eines Computers angepasst ist, sondern die Seiten im pdf-Druckformat untereinander weg abbildet, was zum Beispiel beim Lesen eines zweiseitigen Artikels nicht gerade Vergnügen bereitet.

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Vor allem aber ist der Reiz dahin, in dem mit gedruckten Zeitungen immer noch reich gesegneten Land Italien auch eine Zeitung des kleinen Vatikanstaats präsentieren zu können – eine Besonderheit, die 160 Jahre Bestand hatte, deren Geschichte aber jetzt beendet ist.

Dass es mit der Medienarbeit des Vatikans nicht immer rund läuft, exerziert niemand Geringeres als Papst Franziskus. Er stützt sich bei seinen Ausflügen in die Öffentlichkeit immer noch stark auf Dario Vigano, dessen Rücktritt er als Leiter der Kommunikationsbehörde zwar 2018 annehmen musste, den er aber ein Jahr später zum Vizekanzler der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften und der Akademie der Sozialwissenschaften ernannte.

Hier besorgt Vigano einen guten Teil der „Pressearbeit“ des Papstes, sei es ein Exklusivinterview mit dem privaten Medienriesen Mediaset oder Pläne, ein vatikanisches Filmarchiv zu gründen, worüber nun ein Buch von Vigano Auskunft gibt (DT vom 12. August). Am personalstarken Mediendikasterium gingen diese Initiativen vorbei.

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